
Produkttest
Palm: Mini-Phone, Maxi-Preis, aber doch irgendwie lustig
von Dominik Bärlocher
Hundert Stutz, drei Wochen Lieferfrist. Was kann ein China-Phone von AliExpress? Erstaunlich viel, von Spyware über Lärm bis hin zu Akku.
21:40. Das ist die Uhrzeit, die mir mein SaTrend S11 anzeigt, wenn ich es zum ersten Mal aufstarte. Eigentlich hätte ich ja den Dialog «Welcome to Android» und das ganze Setup nachher erwartet. Wie das bei einem neuen Phone so üblich ist. Doch der Hersteller – keine Ahnung, wer genau das ist, aber dazu komme ich noch – hat sich offensichtlich die Mühe gemacht, das Phone für mich aufzusetzen. Danke.
Mit dem Lacher ob der Uhrzeit beginnt einer der amüsantesten Phone-Tests meiner Karriere. Warum ist 21:40 so lustig? Jedes Mal, wenn Apple ein neues iPhone präsentiert, beginnt die Pressekonferenz an der CEO Tim Cook und Co. zuerst einmal eine Weile daherschwadronieren von wegen «Best Ever» um 9 Uhr. Sie reden 40 Minuten lang bevor das iPhone erstmals gezeigt wird. 09:40 Uhr. Der arme Tropf, der das SaTrend manuell aufgesetzt hat, hat sich wohl um 12 Stunden vertan. Kann ja bei einem halb-zwielichtigen Händler mal passieren.
Rückblende. Vor einigen Wochen habe ich mich über das Palm Phone echauffiert. Klein ist cool, aber das Teil kostet 500 Stutz, plusminus. Auf AliExpress gibt es kleinere Phones für einen Bruchteil des Preises. Also habe ich mir gedacht, ich nehme einen Hunderter in die Hand und bestelle ein Phone, das wirklich zu viel verspricht von einem möglichst zwielichtigen Händler, der gerade noch so an der Grenze zum Glaubwürdigen handelt.
Ein kleiner Einschub: AliExpress ist nicht von Gaunern und Banditen besetzt. Die meisten Shops sind zwar günstig, sehr günstig sogar, aber durchaus ehrlich. Denn sie können über das Portal grosse Mengen mit Gratis Versand und ohne Zwischenhändler direkt an den Kunden schicken.
Mein Händler nennt sich China Good Phone Store. Wie kann ich da widerstehen? Ich finde, wir könnten uns ja zu «digitec: Switzerland Good Tech Store» umbenennen. Würde bestimmt dem Marketing gut tun. Das SaTrend S11 wird in der Beschreibung wie folgt angepriesen: «2G Ram 16G Rom Small 4G Mini Smartphone S11 Android 7.1 CellPhone MTK6739 WiFi Dual SIM 3.2Inch Mobile Phone GPS Bluetooth». Auf dem Bild aber wird von 4G gesprochen. Zu viele G in der Beschreibung, zu wirres Zeug auf den Bildern.
Noch verreckter wird es unten bei der Produktbeschreibung. Diese besteht zu grossen Teilen aus Bildern. Wieso auch nicht.
Aber hey, kostet plusminus einen Hunderter und für einen lächerlich kleinen Aufpreis kriege ich eine Speicherkarte dazu. Gekauft!
Und das alles nur, weil mich das Palm aufregt. Wie kann etwas kleines so lustig sein, aber dann alles mit dem Preis versauen?
Einige Wochen später liegt bei mir im Briefkasten eine recht seltsam anmutende Konstruktion aus Klebeband und Packpapier. Darin eine blaue Kiste. Ich spreche selten über die Verpackung von Phones, da diese meistens ein glänzender Haufen Karton ist. Das SaTrend S11 kommt in einem mattblauen Kartonkistchen, ohne Schutzhülle.
Der Text auf der Vorderseite, zumindest die untere Zeile übersetzt sich mit «The Game is over, Innovation new». Laut Google Translate zumindest. Aha. Ich interpretiere das radebrecherische Statement mal als «Wir haben keine Zeit mehr zum Spielen. Ab jetzt regiert die Innovation» oder sowas. Na gut, dann wird es jetzt ernst. In der Verpackung selbst ist nicht besonders viel. Da ist das Phone, bereits vom Hersteller aufgesetzt, ein Ladekabel und die Speicherkarte, lieblos in den Karton geschmissen. Die Betriebsanleitung, in Chinesisch, stinkt.
Warum der Hersteller das SaTrend S11 bereits aufgesetzt hat, lässt Spekulationen zu. Die wohl offensichtlichste ist die 21:40-Uhr-Veranstaltung. Es wird schnell klar, dass das kleine Ding ganz gerne ein iPhone wäre, auch wenn Android 7.1.1 drauf läuft. Ist laut System die aktuelle Version der Software. Von einem 100-Stutz-China-Phone aus zwielichtiger Quelle einen Update Service zu erwarten, wäre etwas zu viel.
Ich gehe also davon aus, dass jemand in Shenzhen, China, den undankbaren Job gefasst hat, jedes S11 aufzustarten, einzurichten und dann so fest wie ein iPhone aussehen zu lassen wie möglich. Das beschränkt sich aber nur auf den Lock Screen und den Home Screen.
Der Rest ist Android. Und Spyware. Von Gesetz her sind Chinesische Software-Hersteller verpflichtet, Metadaten zu sammeln und diese der Regierung zu übermitteln. Die meisten grossen Hersteller – Huawei, Oppo und Co. – bringen deshalb softwareseitig zwei Versionen ihrer Phones auf den Markt. Eine chinesische, die dem Chinesischen Rechtsraum Rechnung trägt und eine offenere, internationale. Amerikanische Hersteller machen übrigens dasselbe, aber halt andersrum. Denn wer in China verkaufen will, muss sich der Zensur der dortigen Regierung beugen.
Ich verbinde das Teil trotzdem mal mit meinem heimischen WLAN. What could possibly go wrong?
Da das SaTrend S11 ohne Google Apps ausgeliefert wird, müssen entweder die ganzen Google Apps nachgerüstet werden, oder die Apps halt aus anderen Quellen als der Google Play Store bezogen werden. Es bieten sich daher APKMirror oder FossHub an. Oder halt eben die Google Play Services. Aber ein Android Phone funktioniert auch ohne ganz gut. Wenn du dir das mal zu Gemüte führen willst, wenn auch nur zeitweise, ich kann dir das empfehlen.
Die wichtigste App im ganzen Nachgerüste: CPU-Z. Die App macht nichts anderes, als dir Systemdaten über Hardware und Software auszulesen. Ähnlich wie Speccy für den PC. Denn wenn China Good Phone Store schon nicht ganz genau weiss, was da wem verkauft wurde, und ich nicht genau weiss, wer an dem Phone bereits was manipuliert hat, dann will ich genau wissen, was in dem kleinen Ding drinsteckt.
Die Antwort ist recht unspektakulär. Da werkelt ein Mediatek M6739 System-on-a-Chip mit 2GB RAM vor sich hin. Vier Kerne, bis zu 1.5GHz Leistung. Easy.
Der Hersteller wird als «S11» angegeben, das Modell auch. Also wie das Palm, das eigentlich Modell «Palm» des Herstellers «Palm» – also Palm Palm – heisst. Die Bildschirmauflösung beträgt laut CPU-Z 480×854 Pixel und der Screen sei 5.16 Inches, also 13.1cm diagonal. Das erklärt auch, weshalb der Akku ewig hält. Okay, die von China Good Phone Store angegebenen 3000mAh Akkukapazität dürften da auch helfen.
Ich glaube nicht. Das mit dem Mediatek und den RAM glaube ich, der Rest… tendenziell eher weniger. Denn der Meter sagt, dass der IPS-Bildschirm 8.1cm diagonal misst. Da stimmt sogar die Angabe von China Good Phone Store, der mit 3.2 Inches gar nicht so weit daneben gelegen hat.
In der Benutzung macht das S11 S11 oder SaTrend S11 Spass. Ich mag meine grossen Bildschirme, klar, aber so etwas Kleines hat schon seinen Reiz. Vor allem, wenn das nicht viel kostet und dann auch noch funktioniert. Denn das tut das S11 S11 SaTrend hastenichgesehen. Das System tuckert vor sich hin, wird nie irgendwelche Preise gewinnen, aber leistet solide Dienste. Die Lautsprecher sind überraschend laut, auch wenn sie scheppern. So für Am-Bahnhof-Hängen-und-Alte-Nerven geht's allemal.
Schlimm aber ist die Kamera. Und ich meine nicht sowas wie «Ich seh da einen Schleier» oder «Die Auflösung ist zu tief», nein, ich meine «Verbrennt das Ding mit Feuer. Das wird nichts mehr»-Schlimm. Eine Kartoffel lieferte besseres Bildmaterial. Vor allem die Lichtfehler, von unabsichtlichem Lens Flare bis hin zu grauenhaftem Überbelichten ist alles drin.
So. Fertig. Ich hatte meinen Spass. Du vielleicht bald auch, denn ich brauche das SaTrend S11 nicht mehr. Wenn du es willst, hier die Verlosung. Ich hab nur eines davon, aber von mir aus kannst du es haben. Aber Achtung: Ist halt ein China-Phone wie es im Buche steht. Lustig, kurios, voll Spyware und billig.
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Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.