Produkttest

Palm: Mini-Phone, Maxi-Preis, aber doch irgendwie lustig

Die 1990er-Marke Palm ist wieder da. Das Palm von Palm soll das kleine Phone wieder aufleben lassen. So klein das Phone ist, so gross ist aber der Preis. Und das dürfte dem Palm das Genick brechen.

Palm sagt, dass ihr neues Phone mit dem Namen Palm in etwa so gross ist wie eine Kreditkarte. Aha. Merkwürdigste Kreditkarte im Universum. Während dem Test des Palms, von Palm, suche ich den Vergleich. In etwa so gross wie eine Espressotasse? Ja, nein, passt so halb. Irgendwie hat das Teil eine Grösse, die sich mit nichts wirklich vergleichen lässt. Am Schluss: Das Palm mit 3.3 Zoll Bilddiagonale ist klein. Soll mal reichen.

Eins vorneweg: Für mich ist das Ding nichts. Ich mag meine grossen Bildschirme. Ich mag AMOLED. Ich habe grosse Hosentaschen und grosse Hände. Aber als Phone Tester kann ich dir eines sagen: So viel Spass hatte ich mit einem Phone schon länger nicht mehr.

Palm PVG100 (32 GB, Titanium Black, 3.30", Single SIM, 12 Mpx, 4G)
Smartphone

Palm PVG100

32 GB, Titanium Black, 3.30", Single SIM, 12 Mpx, 4G

Für dich ist das Phone wahrscheinlich auch nichts. Aber dazu kommen wir noch. Zuerst das Gute.

Palm Resurrected

Palm hat ein klares Konzept: Ein kleines Phone, das du nur dann benutzt, wenn du musst. Das Konzept ist von A bis Z klar, gut durchgedacht und gut durchgezogen, sowohl hardware- wie softwareseitig. Denn eben: Palm will nicht, dass du das Ding benutzt.

Da setzt meine Bewunderung für die Konsequenz des Phones ein.

Der Akku fasst 800mAh. Lächerlich? Nicht ganz. Denn nicht nur hat ein grösserer Akku wohl keinen Platz im Gehäuse – wahrscheinlich ginge da schon etwas mehr – aber potente Akkuleistung entspricht nicht der Philosophie des Geräts. Bildschirm klein und IPS? AMOLED wäre netter gewesen. Aber halt auch nicht die Philosophie Palms.

Das Palm, von Palm – heisst das jetzt offiziell «Palm Palm»? – ist ein Phone, das du nur dann benutzt, wenn du dringenden Bedarf an Kommunikation hast. Der Hersteller beschreibt das auf seiner Website so:

Palm is a super small smartphone that is designed to help you focus on what really matters in life. A compact but powerful device for active lifestyles, digital minimalists, and people who live their lives outside of the screen.
Palm.com, 29.05.2019

Übersetzung

Palm ist ein superkleines Smartphone, das dir hilft, dich auf das wirklich Wichtige im Leben zu konzentrieren. Ein kompaktes aber starkes Gerät für den aktiven Lebensstil, digitale Minimalisten und Leute, deren Leben abseits des Bildschirms stattfindet.
Palm.com, 29.05.2019

Der Lautsprecher hingegen ist super. Du bist zu Hause, werkelst an irgendwas rum, brauchst Musik. Spotify an, dann volle Lautstärke und gut ist. Das klingt extrem gut, obwohl der Speaker auf kleinstem Raum versorgt ist.

Ich mag das Palm Phone, auch wenn es sich doch einige grobe Patzer leistet.

Die verschenkte Nostalgie

Auf dem Phone läuft eine Android-Version. Also du kannst schon Instagram checken oder ein Youtube Video schauen. Geht alles, aber ist halt nicht besonders sexy, weil winzig. Der Launcher hingegen ist aber recht sexy gestaltet. Statt dem üblichen Menü hast du kreisrunde Symbole auf dem Home Screen, die alle Apps auflisten. Ich meine auch, dass sich die Blasen anders positionieren und die Grösse ändern, je öfter du sie benutzt. Aber da bin ich mir echt nicht sicher, denn als mir der Verdacht gekommen ist, dass dem so sein könnte, hatte ich das Phone schon zu lange bei mir. Abschliessend sagen kann ich’s nicht. Vielleicht habe ich mich aber auch nur an die Blasen gewöhnt.

Wenn du dich noch an die glorreichen 1990er-Jahre erinnerst, dann magst du dich auch an die Palm Pilots erinnern.

Der Palm Pilot
Der Palm Pilot
Quelle: Musée Bolo, Lausanne

Am unteren Ende des Bildschirm hattest du damals eine Fläche, auf der du schreiben konntest. Da damals die Schrifterkennung noch in den Kinderschuhen gesteckt hat, musstest du noch ein separates Alphabet namens «Palm Graffiti» lernen. Jeder Buchstabe hatte seinen eigenen eindeutigen Glyphen. Wenn du ihn auf dem Schreib-Pad gezeichnet hast, dann hat der Palm Pilot mit etwas Glück und Geschick dein Geschribsel erkannt.

So hätte ich anno dazumal «Team digitec was here» geschrieben
So hätte ich anno dazumal «Team digitec was here» geschrieben

Hat so okay gut funktioniert. Hat sich nicht durchgesetzt. Ist jetzt wieder da. Unten am Bildschirm des Palm Palm kannst du schreiben und zeichnen. Ich verstehe nicht ganz, weshalb das da ist. Du kannst so Dinge machen, wie den ersten Buchstaben des Namens der App zeichnen und der Palm Palm sucht die App dann für dich. Mit Tastatur geht das einfacher, schneller und intuitiver.

Nur, weil Nostalgie grade hip ist, heisst das nicht, dass wertvolle Engineering Manpower auf so einen Quark verschwendet werden muss. Denn sonst ist die ROM – so heissen Android-Versionen, die von der Basisversion abweichen – ziemlich gut gemacht. Vor allem der Life Mode ist interessant. Wenn du das Palmensymbol oben im Schubladenmenü aktivierst, dann deaktiviert das Phone alle Notifications der Daten- und Telefonieverbindungen, wenn der Bildschirm ausgeschaltet ist. Das ist der Modus, wo du dein Leben lebst und nicht vom Smartphone kontrolliert wirst, und darum heisst's Life Mode. Da das aber etwas blöd ist, wenn du Spotify hörst oder Youtube schaust, ist Palms Palm intelligent genug, diese Verbindung mit all ihren Features zuzulassen.

Apropos Nostalgie: Palm Neo hat nichts mit Palm Classic zu tun

Das Merkwürdige an der Nostalgie Palms ist aber, dass es sich bei der heutigen Firma Palm nie und nimmer um das Palm von anno dazumal handelt. Palm Neo – ich nenn das mal so – ist ein komplett neues Unternehmen.

Das ging so: 1992 von Jeff Hawkins in Kalifornien gegründet hat das Unternehmen seine Blütezeit in den 1990ern gehabt. 1997 wurde das Unternehmen von US Robotics gekauft und der anderen Tochterfirma, 3Com, unterstellt. Die Firmengründer sind 1998 abgesprungen, haben Handspring gegründet. Handspring wurde 2003 dann wieder von Palm gekauft, hiess fortan PalmOne Inc. Bis 2008 ging viel Strategisches vor sich, dann das Announcement, dass PalmOne keine neue Hardware mehr herstellen will. Dafür aber WebOS als Software. Das hat dann 2010 zum Kauf durch HP geführt. Vier Jahre später hat dann der chinesische Grosskonzern TCL Communications die Namensrechte und die Patente Palms gekauft.

Basketballer Stephen Curry finanziert das neue Palm
Basketballer Stephen Curry finanziert das neue Palm
Quelle: Keith Allison / flickr

TCL ist bis heute Eigentümer der Marke. Bereits im Jahre 2015 hat der Konzern angekündigt, die Marke «neu zu erschaffen» indem sie einem neuen Team in Silicon Valley mit dem Bau eines neuen Geräts beauftragt. Ob es sich dabei um das Startup handelt, das von TCL und Basketballer Stephen Curry finanziert wird. Er sei sogar im Development involviert und nicht nur Geldgeber und -erhalter. Dafür geht er mit folgendem, ziemlich sicher von einem Marketing Department geschriebenen, Statement online:

As soon as I held Palm in my hand, I knew I had to be involved.
Stephen Curry, Basketballer, palm.com, 29.05.2019

Glaubwürdig.

Von einem grossen Comeback kann also nicht die Rede sein. Denn wo TCL mit Blackberry die Tastatur nach einigen Fehlschlägen wieder auf Smartphones zurückgebracht und damit einen Volltreffer gelandet hat, hat Palm absolut nichts mit nichts zu tun. Abgesehen vom Namen halt.

Der Preis: Weder minimalistisch noch vernünftig

Das klingt ja alles schön und gut. Minimalismus herrscht beim Palm Palm aber nur in der Technologie, denn das Ding ist teuer. Wenn dir jemand wie mir das Ding hinstreckt und findet «Schau mal, das ist lustig» und du dann dran rumdrücken kannst, dann ist das Palm Palm lustig und auf einer technologischen Ebene hochinteressant. Darum mag ich das Phone. Als einer, der professionell mit Smartphones zu tun hat und dessen Job es ist, jedes Modell möglichst gut zu kennen.

Aber du bist wahrscheinlich, wennschon dennschon, Käufer des Phones. Nein. Hoffentlich nicht. Es ist seinen Preis schlicht nicht wert. Ein kleines Phone mit Android drauf kriegst du auch in China für etwa einen Viertel des Preises. Dafür hat es da aber chinesische Spyware drauf und keine Garantie sowie Android 7, höchstens.

Ich habe mir mal ein China-Phone bestellt. Das kann mir ja was werden.

So. Fertig. Miklagard, vielleicht ist das Phone ja was für dich.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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