Meinung

Pixel-Manie: Warum sich 8K-TVs nicht lohnen

Luca Fontana
16.1.2019

Innovation ist gut fürs Marketing. Darum lancieren Hersteller immer mal wieder etwas Neues, auch wenn es gar nicht viel bringt. 8K-Fernseher zum Beispiel.

Seit Oktober vergangenen Jahres ist der erste 8K-Fernseher fürs Heimkino da. Gebaut hat ihn Samsung, und seine Produktbezeichnung ist Q900R. Er ist sogar einigermassen erschwinglich. Zumindest im Vergleich zu OLED-Fernsehern ab 75 Zoll. Die sind derart viel teurer, dass Samsungs Pixelkönig glatt als Schnäppchen durchgeht.

Samsung QE75Q900R (75", LCD, 8K, 2018)
TV
Energielabel C

Samsung QE75Q900R

75", LCD, 8K, 2018

Sony Kd-77a1 (77", OLED, 4K, 2017)
TV
Energielabel B

Sony Kd-77a1

77", OLED, 4K, 2017

Trotzdem hält sich meine Begeisterung in Grenzen. Nicht, weil ich das Gefühl hätte, dass er kein gutes Bild erzeugt. Im Gegenteil. Vergangenen Sommer habe ich Samsungs QLED-Flaggschiff Q9FN getestet. Ein Prachtsfernseher, der den Vergleich zur OLED-Konkurrenz nicht zu scheuen braucht. Samsung weiss, wie man gute Fernseher baut.

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Meine Skepsis kommt viel mehr von der 8K-Auflösung, die streng genommen UHD-2-Auflösung heissen müsste. Stand heute ist sie unnötig.

Darum macht 8K keinen Sinn

Ein 8K-Fernseher – oder eben UHD-2-Fernseher – besitzt 7680 Pixel pro Zeile und 4320 Pixel pro Spalte. Macht insgesamt also 33 177 600 Pixel. Das ist viermal mehr als bei einem UHD-TV und 16-mal mehr als bei der Full-HD-Auflösung, die du auf Blu-rays vorfindest.

Der minimale Sitzabstand

Möchtest du die Vorzüge von 8K voll ausschöpfen, musst du sehr nahe vor dem Fernseher sitzen. Entweder das, oder du brauchst einen Fernseher, der grösser ist als die meisten Wohnzimmerwände. Ansonsten siehst du kaum einen Unterschied zwischen 4K und 8K.

Ein Beispiel: Wenn du von einem Sitzabstand von 2.5 Metern ausgehst, muss die Diagonale deines TVs 227 Zoll oder 5.77 Meter gross sein, damit du den vollen 8K-Effekt siehst. Die Formeln zum selbst Nachrechnen sind hier verlinkt:

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Pixelmasse vs. Farbwiedergabe

Du siehst: Pixelmasse alleine wird erst dann relevant, wenn du unrealistisch nahe vor dem Fernseher sitzt oder auf eine Glotze mit Kino-Dimensionen blickst. Viel entscheidender für einen guten Bildeindruck ist der Kontrast und die Farbwiedergabe – HDR. Dadurch werden mehr Details in hellen oder dunklen Bildbereichen sichtbar. Strukturen einer Mauer in einer dunklen, verregneten Gasse zum Beispiel. Oder etwa feinste Sandkörner und Dünen in einer gleissend hellen Wüste.

Es fehlen die Inhalte und die Bandbreite

Was nützt ein 8K-fähiges Wiedergabegerät, wenn es ohnehin kaum 8K-Inhalte gibt? Darauf antwortet Samsung mit einem ausgeklügelten «AI-Upscaling», das der Q900R beherrscht. Es soll selbst Full-HD-Inhalte zu einem ansehnlichen 8K-Bild hochskalieren. Im Wesentlichen wird die Anzahl Pixel vergrössert, indem fehlende Pixel dazugerechnet werden. Zusätzlich hilft eine künstliche Intelligenz das Ergebnis zu interpretieren und zu verbessern, indem es sich mit einer Datenbank in Südkorea abspricht.

Nur: Je mehr interpoliert wird – so wird das Hochrechnen genannt – desto mehr entfernt sich das Bild von der eigentlichen Qualität des originalen Inhalts. Denn die beste Bildqualität bekommst du nie von einer eigenen Interpretation des TV-Geräts.

Das eigentliche Killerkriterium für 8K-Fernseher ist ohnehin die nötige Bandbreite für die Datenübertragung: Inhalte mit einer so hohen Auflösung generieren eine ungeheure Datenmenge. Eine Datenmenge, die von einer Datenbank oder einem Datenträger zu deinem Fernseher gelangen muss.

Google-Tests mit 8K-Inhalten auf Youtube verlangten nach einer Bandbreite von bis zu 45-50 Megabits pro Sekunde. Tests der japanischen Sendeanstalt NHK, welche die olympischen Spiele 2020 in Tokyo in 8K übertragen will, haben ergeben, dass Übertragungsraten von 80-100 Mbit/s nötig wären. Zum Vergleich: Die Schweiz surft laut State-of-the-Internet-Bericht von Akamai mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von etwa 21.7 Mbit/s. Damit liegt sie im weltweiten Vergleich auf Platz 5.

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Das zeigt: Die Infrastruktur für Bandbreiten und Übertragungsraten, die mit 8K-tauglichen Datenmengen umgehen können, ist in den wenigsten Haushalten vorhanden. Deswegen werden Streamingplattformen wie Netflix oder Hollywood-Giganten wie Disney in naher Zukunft wohl davon absehen, 8K-Inhalte zu produzieren.

Samsungs Q900R: Wieso also gerade jetzt?

Egal wie du es drehst und wendest: Es ist zu früh für 8K-Fernseher. Es gibt nicht genügend Inhalte und Infrastruktur. Die zusätzlichen Pixel sind ohnehin nicht nötig. Und trotzdem hat Samsung einen 8K-fähigen Fernseher lanciert. Wieso?

Samsung geht mit breiter Brust ins 8K- und Micro-LED-Zeitalter voran
Samsung geht mit breiter Brust ins 8K- und Micro-LED-Zeitalter voran
Quelle: CES 2018

Der südkoreanische Hersteller hat ein Problem: OLED beherrscht die Schlagzeilen. In Punkto Bildqualität bietet die TV-Technologie das beste Bild, das du kriegen kannst. Samsung hat als einziger der drei wichtigsten TV-Hersteller – namentlich LG, Sony und Samsung – keine Fernseher mit OLED.

Aber Innovation ist gut für den Ruf. Meine Vermutung: Samsung versucht deswegen die Aufmerksamkeit auf 8K zu lenken. Denn hier kann sich der Hersteller als Gewinner profilieren. Derweil ist Samsungs Micro LED die wohl viel wichtigere Technologie als 8K. Aber hier gibt es erst Prototypen, während Samsung bei 8K fertige Produkte liefern kann. 8K dient somit als Lückenfüller, bis Micro LED genug ausgereift ist für den Heimkino-Markt.

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Das könnte sogar aufgehen. Und die Gewinner dieses Wettstreits um die beste TV-Technologie sind wir, die Konsumenten. Was der Q900R tatsächlich taugt, werde ich im kommenden Testbericht verraten. Wer weiss? Vielleicht lässt mich Samsung nochmals über die Bücher gehen.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 

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