Hintergrund

Kennst du noch? Unreal Tournament 99

Kein anderes Game hat meine Jugend so bestimmt wie «Unreal Tournament». Das ist jetzt fast 20 Jahre her. Die Nostalgie zeigt, was am Game gut war und wieso die einstige Spiel-Ikone eine Randerscheinung wurde.

«M-M-M-M-Monsterkill!»

Ich kann mich gut an mein erstes Mal erinnern. Das erste Mal, wo mir der Announcer mit der plakativ tiefen Stimme die Bestätigung gegeben hat, dass ich sechs Gegner innerhalb von etwa drei oder vier Sekunden erschossen habe. Meine Waffe: Der Ripper, eine Art Sägeblattwerfer. Das Teil hat nicht nur eine kurze Nachladezeit, sondern wenn du den Gegner gut triffst, dann kannst du ihm sauber den Kopf abtrennen. Headshot! So brauche ich nur sechs Schuss für sechs Morde und sechs Punkte.

Während andere anno 1999 sich stundenlang am ersten «Counter-Strike» versuchen, hat es mir «Unreal Tournament» angetan. Den Grund dafür verstehe ich bis heute nicht. War es der Announcer? Die Nuklearrakete namens Redeemer? Instagib, also One Hit Kills? Fast zwanzig Jahre später begebe ich mich auf Spurensuche: Was macht «Unreal Tournament» aus?

An der ersten LAN-Party

Meinen ersten Kontakt mit «Unreal Tournament» habe ich an meiner ersten LAN-Party bei einem Kollegen im Wohnzimmer. Wir sind zu sechst, unsere alten PCs und Röhrenbildschirme haben wir auf den Familienesstisch gestellt. Zwischen den Bildschirmen und unter dem Tisch ist Kabelsalat. Wir leben ein Wochenende lang von mal warmer, mal kalter Pizza und Cola. Wir fangen mit «Counter Strike» an, Dust 2 vor allem. Irgendwann, es ist draussen dunkel und in der St. Galler Pampa fragen wir uns, wo wir um diese Uhrzeit noch etwas zu Essen herkriegen, kommt der Vorschlag «UT99». Kenn ich nicht. Okay.

Wir spielen DM-Morpheus. Deathmatch, Instagib. Also kein Firlefanz. Es geht nur darum, die Gegner zu erschiessen. Ein Treffer aus der modifizierten Shock Rifle bringt dich um. Wer zuerst 30 Leute erschossen hat, gewinnt. Hurra.

Morpheus und Instagib wird mich die kommenden drei Jahre beschäftigen. An jeder LAN-Party spielen wir das Level bis uns die Augen trotz Koffein zufallen, fluchen einander an, lachen über die dummen Bots. Den Soundtrack von Alexander Brandon habe ich bis heute im Kopf.

Der Schock online

Zu meinem 18. Geburtstag schenke ich mir eine Internetverbindung. Gab's damals noch nicht so überall wie heute. Ich schaue mir online Kommentare in Foren an, lade mir die ersten Maps herunter. Zu meinem Entsetzen muss ich zwei Dinge feststellen.

  1. Der Bot Loque wird von der breiten Allgemeinheit nicht als das Arschloch wahrgenommen, das er eigentlich ist
  2. Das Level DM-Deck16 ist offenbar bei Spielern beliebter als DM-Morpheus

Zum ersten Mal beschliesse ich: Das Internet hat sie doch nicht alle.

Fangen wir mal bei Loque an: Der Bot ist der einzige Bot im Spiel, der etwas taugt. Der blasse Necris-Kämpfer ist der einzige computergesteuerte Spieler, der zielen kann. Der kann sogar so dermassen gut zielen, dass er dich auf grosse Distanzen direkt in den Kopf trifft. Bei Instagib macht das zwar keinen Unterschied, aber wenn Loque eine Sniper Rifle bekommt, dann ist Essig. Jedes verdammte Mal erwischt er mich. Jahrelang. Tamerlane, Archon und andere Bots im Game sind komplett nutzlos und im Wesentlichen Kanonenfutter. Loque aber. Loque hasse ich bis heute.

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Deck 16 verstehe ich ebensowenig. Klar, das Level ist recht charmant und bietet viele Verstecke und eine grosse Arena, wo du dich voll in die Schlacht stürzen kannst. Aber das ist mir doch einfach nicht wild genug. Auf Morpheus kannst du dich nicht verstecken. Oder nicht wirklich, ausser du weisst, wer wo wie respawnt. Das lernst du mit der Zeit.

Ich habe schon immer gerne Shooter gespielt. Je simpler desto besser. Klar, ich kann mich für eine gute Story begeistern, mich mit neueren Charakteren wie Ezio in «Assassin's Creed» oder mit Shepherd in «Mass Effect» beschäftigen, aber so wirklich stundenlang kann ich die Games nicht spielen. Sobald ich etwa 30 Sekunden nicht auf irgendwas ballern kann oder die Aussicht auf Geballer habe, dann löscht es mir ab. Stellt sich jetzt die Frage, ob ich «Unreal Tournament» gerade deswegen mag oder ob ich die neuen Games gerade deswegen nicht mag.

Ich weiss es nicht. Jetzt, zwanzig Jahre danach, weiss ich aber um meine Faszination mit dem Game. Es ist die Mischung aus minimaler Story – Turnier, böse Firma irgendwas, erschiesst euch zum Sport – und viel Action. Nach Feierabend oder Schulschluss war «UT» ein Game, in das ich versinken konnte, Hirn aus, dafür Fingerspitzen auf Maximalkonzentration. Ich habe die Headshots gesucht, die besten Sniper-Winkel und natürlich den Monsterkill.

«Ja aber, was ist mit UT2003 und UT3?»

Die Nachfolger «meines» Unreals habe ich natürlich auch gespielt. Bis heute ist die Musik meines Weckers der Track «Mercs Entrance» vom «Unreal Tournament 2003» Soundtrack. Wenn mein Smartphone klingelt, dann klingt da das «UT2003 Menu Theme».

Doch die Games haben mich nie mehr so begeistert wie der erste Part. In 2003 hat mir DM-Morpheus gefehlt. Die Entwickler haben es zwar durch DM-Plunge ersetzt, aber die Map war zu verwinkelt, um gleich viel Spass zu machen. CTF-Face, das Sniper-Level mit den zwei Türmen, waren zwar da, aber da war so eine mühsame Pyramide in der Mitte, die etwa drei Viertel aller Kopfschüsse aus grosser Distanz verhindert hat. Warum!? «UT2004» war dann auch nicht viel besser und der Fahrzeugmodus ein schlechter Witz. Der neue Onslaught-Modus, den wir jetzt alle haben gut finden müssen, war noch grottiger.

Dann kam «UT3». Da ging einiges schief. Mehr Onslaught, mehr von diesem komischen Modus, in dem du Nodes kaputt machen musst. Das traditionelle Deathmatch ist in den Hintergrund getreten. Und damit habe ich die Waffen gestreckt. Ich will keine komplexeren Spielmodi oder grössere Storylines. Ich will meine Shock Rifle, eine schnelle Map und dann etwas Technomusik. Daher erinnere ich mich immer gerne an mein UT-Zeiten, auf meinem Röhrenmonitor, bei Kollegen im Keller oder im Esszimmer. Aber nachher ist meine Leidenschaft erloschen. Vielleicht schafft es der angekündigte vierte Teil der Serie mit dem klingenden Titel «Unreal Tournament» ja, mich wieder zu begeistern. Die ersten Zeichen sind schon mal gut: Morpheus ist wieder da.

So. Fertig. Hast du übrigens gewusst, dass wenn du in «UT99» die Map-Datei CTF-Face zu DM-Face umbenennst, du eine total gute Sniper- und Instagib-Deathmatch Map kriegst?

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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