
Hintergrund
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von Philipp Rüegg
Männer sind viel öfter von einer Farbsehschwäche betroffen als Frauen. Und einige wissen wohl nicht mal, dass sie darunter leiden. Was es genau mit dem Phänomen auf sich hat, wie es sich damit lebt und welche Hürden in der technischen Welt sowie im Gaming-Bereich bestehen, klären wir im Interview mit Nicolas Franken.
Der 25-jährige Nicolas Franken ist gelernter Mediamatiker, studiert an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur, und ist gerade daran, die Bachelor-Arbeit für den Studiengang «Multimediaproducer» zu schreiben. Die gewählte Thematik: «Farbfehlsichtigkeit im Web».
Wir sitzen in der hauseigenen Café-Bar namens «Pause». Sie besticht von der Einrichtung her mit sehr viel Grünzeug – man fühlt sich wie in einem kleinen Urwald abseits des stressigen Alltages. Quasi der perfekte Ort, um dem Phänomen Farbsehschwäche auf den Grund zu gehen.
Sag mal; der Tisch, an welchem wir sitzen, welche Farbe hat er?
Nicolas Franken: Naja, also für mich sieht er weiss aus. Zumindest da, wo die Sonne drauf scheint.
Und hier, wo es Schatten hat?
Da ist er grau. Wobei, so wie du mich anschaust, wird er wohl eher einen Grünton haben. Vielleicht mintgrün?
Das ist korrekt, der Tisch ist mintgrün. Aber wie machst du das im Alltag – wie unterscheidest du die Farben?
Das Auge an sich respektive die Farbzapfen auf der Netzhaut geben nur ein Signal weiter, das vom Hirn interpretiert wird. Die Farbe entsteht erst in unseren Köpfen. Und nebst den Informationen von den Sinneszellen, kommen weitere Informationen aus Erfahrungswerten dazu, welche das Bild komplettieren. Bei mir sind es insbesondere Mischfarben, welche zu Problemen führen können. Doch ist die Farbsehschwäche im Alltag gefühlt ein kleineres Problem, als beispielsweise meine Kurzsichtigkeit. Übrigens wissen viele Menschen nicht, dass sie eine Farbsehschwäche haben. Sowas kommt oft erst raus, wenn jemand eine Ausbildung zum Elektriker oder Piloten beginnen möchte.
Nicolas, wann hast du bemerkt, dass du Farben anders wahrnimmst als deine Mitmenschen?
Bis Ende November 2018 ging ich davon aus, dass ich eine schwache Rot-Grün-Sehschwäche habe. Bemerkt hat es mein Lehrer in der 6. Klasse. Er erklärte uns im Deutschunterricht die vier Fälle und benutzte für jeden Fall am Whiteboard eine andere Markerfarbe. Versehentlich habe ich den rot gekennzeichneten Fall als grün bezeichnet.
Und seit kurzem weisst du, dass deine Farbsehschwäche noch ausgeprägter ist, als angenommen?
Anfang Dezember 2018 erfuhr ich, dank meiner Recherche für die Bachelor-Arbeit, dass ich wahrscheinlich eine starke Grünsehschwäche* habe. Dies geschah durch meine Besuche bei diversen Optikern und dem wiederholten Absolvieren des klassischen Ishihara-Tests. Allerdings kann durch diese Tests nicht abschliessend gesagt werden, wie es um die Farbsehschwäche steht. Die Einschätzungen der Optiker können allenfalls durch ein Anomaloskop bestätigt werden. Wie es momentan aussieht, werde ich Ende Januar 2019 einen Termin für die Untersuchung mit diesem Optikinstrument erhalten.
*Wenige Wochen nach dem Interview scheint die Diagnose bereits wieder ein anderes Bild zu zeichnen: Ein zwischenzeitlich gemachter Hardy-Rand-Rittler Pseudoisochromatic Test, weist nun darauf hin, dass Nicolas eine leichte bis mittlere Rotblindheit respektive Protanomalie anstelle einer Deuteranomalie hat.
Weiss man, wie viel Prozent der Bevölkerung eine Farbsehschwäche haben?
In Sachen Rot-Grün-Sehschwäche sind bei Männern um die acht bis neun Prozent betroffen. Bei Frauen sind es unter einem Prozent. Dies hängt damit zusammen, dass die Sehschwäche vererbt wird und der Defekt in der Genetik auf dem X-Chromosom liegt. Da Frauen über zwei X-Chromosome verfügen, wird ein Defekt auf dem einen Chromosom meist durch das zweite ausgeglichen.
Wie wirkt sich der genetische Defekt auf das Auge aus?
Wir verfügen auf der Netzhaut über Sinneszellen respektive Zapfen, welche es uns ermöglichen, Farben zu unterscheiden. Von diesen Zapfen gibt es drei Stück; rotempfindliche L-Zapfen, grünempfindliche M-Zapfen und blauempfindliche S-Zapfen. Bei Menschen mit einer Farbsehschwäche sind weniger Zapfen vorhanden als bei Normalsichtigen.
Du hast Mediamatiker gelernt. Gab es bei der Ausbildung Probleme mit der Farbsehschwäche?
Ich arbeite mit den Farben, welche mir genehm sind, und so wirkt was ich tue dennoch stimmig. Ich hatte daher nie Probleme. Allerdings habe ich mich bereits während der Ausbildung dazu entschieden, mich nicht in den Webdesign-Bereich zu vertiefen. Warum sollte ich mir etwas antun, wo ich ein Handicap habe?
Was sind konkrete Knackpunkte, wenn es um Technik geht. Auf was muss geachtet werden, wenn für neue Medien gelayoutet wird?
Da unterscheidet sich das Internet kaum vom TV. Wenn mit Farben gearbeitet wird, benötigen diese zueinander genügend Kontrast. Für Grafiker gibt es von Adobe und anderen Anbietern fertige Farbpaletten, welche für Farbfehlsichtige optimiert wurden. Hast du eine Statistik, die du veranschaulichen möchtest, ist auch wichtig, nicht nur mit Farben zu arbeiten, sondern auch mit Formen. Erstellst du beispielsweise eine grafische Darstellung mit Jahreszahlen und Balken, sollten diese nicht nur aus dünnen Linien und verschiedenen Farben bestehen, sondern auch weitere Unterscheidungsmerkmale enthalten. Verschieden dicke Linien, schraffierte Flächen oder Ähnliches. Kurz gesagt: Wenn man die gängigen Designrichtlinien zum barrierefreien Internet einhält, kommt alles gut.
Es gibt übrigens auch Tools, welche eine Farbsehschwäche im Web simulieren können. Eines davon findest du unter toptal.com. Was mich persönlich an dieser Seite erstaunt, ist, dass ich mit Deutanopia-Filter praktisch keinen Unterschied von der originalen zur simulierten Website feststellen kann. Daher denke ich, dass dieser Filter dem recht nahe kommt, wie ich die Dinge sehe.
Bist du Gamer? Und falls ja; kennst du die Option für Farbenblinde, welche in vielen Spielen angeboten wird?
Bin ich und kenne ich. Der Farbenblind-Modus in Games ist meistens scheisse. Ein Beispiel hierfür ist Battlefield 1. Der oftmals schlammige Untergrund mit Braun- und Grüntönen macht es sehr schwierig, einen kleinen, roten, gegnerischen Punkt zu sehen. Stellst du den Farbenblind-Modus für Grünstörungen ein, wird zwar die eigene Teamfarbe angepasst, aber bei den Gegnern bleibt meistens alles wie gehabt oder die rote Kennzeichnung wird etwas heller. Das macht für mein Auge keinen Unterschied.
Bei Overwatch gibt es im Gegensatz zu Battlefield 1 einen Regler, mit welchem du die Intensität des Farbenblind-Modus einstellen kannst. Da habe ich mich erst gefreut, doch beim Ausprobieren nicht wirklich eine Verbesserung festgestellt. Nach dem Durchforsten von Internet-Foren wurde auch klar, warum. Das Spiel nimmt scheinbar nur die Intensität der Farben raus, was nichts bringt. Immerhin hat Overwatch mittlerweile ein Update für den Modus herausgebracht, bei welchem nun auch die Teamfarben angepasst werden können. Das macht Sinn.
Etwas mühsam ist auch die Umsetzung bei Far Cry 5. Hier gibt es weder verschiedene Farbenblind-Modi, noch einen Schieberegler für die Intensität. Grundsätzlich funktioniert die Farbgebung bei aktiviertem Farbenblind-Modus gut und Gegner werden gelb dargestellt. Doch wirst du angeschossen, wird der Bildschirmrand nun nicht mehr rot, sondern violett. Sehr verwirrend, wie ich finde. Da denkst du, dass du auf LSD spielst. Klar mag das für manche Menschen Sinn machen und sie verstehen erst dann, dass sie angeschossen wurden. Doch wer will schon ein hässliches Game zocken?
Was müsste geändert werden, um die grottige Umsetzung der Farbenblind-Modi zu verbessern?
Man müsste mehr Kriterien selber einstellen können, um das Spiel auf die persönliche Farbfehlsichtigkeit zu trimmen. Zumindest sämtliche Teamfarben müssen, nebst der Fehlsichtigkeit an sich, frei definiert werden können. Aber auch wenn man genügend Einstellungsmöglichkeiten und Regler bekommt, bleibt die Frage, ob man damit wirklich besser spielen würde.
Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.