
Produkttest
Sind Billigknipser ein gutes Geschenk?
von David Lee
Kürzlich hatte ich gleichzeitig zwei der aktuell billigsten und eine der teuersten Kameras zum Testen zur Verfügung. Ein Direktvergleich? Klar, aber die Billigkameras haben wohl geahnt, dass sie den verlieren werden – und ihn kurzerhand sabotiert.
Das ist eine dieser Stories, die mit «ich wollte eigentlich» beginnen.
Ich wollte eigentlich einen Kameratest der besonderen Art machen: Die schlechteste Kamera gegen die beste Kamera. Oder so ähnlich. Jedes Bild, das ich mit den beiden Billigknipsern Agfa DC5200 und Sony W830 geschossen hatte, nahm ich auch mit der Fujifilm GFX 100S auf.
Doch aus dem Vergleich wurde nichts. Die meisten Testaufnahmen habe ich verloren. Der Grund dafür war nicht meine Schusseligkeit, sondern ein inakzeptables Verhalten der Billig-Kameras.
Die erste Merkwürdigkeit, die mir beim Testen auffiel, waren ständige Lesefehler. Die Fujifilm GFX 100S erkannte meine Speicherkarten nicht korrekt. Kartenfehler können ja mal passieren, aber in dieser Häufigkeit? Ich war verwirrt.
Nachdem ich zu Hause die Speicherkarten überprüft und neu formatiert hatte, funktionierten sie wieder. Ich ging erneut aus dem Haus, um weitere Testaufnahmen zu machen. Dieses Mal schien alles glatt zu laufen.
Wieder zurück, stellte ich jedoch fest, dass die Aufnahmen der Fujifilm-Kamera verschwunden waren. Ausserdem konnte sie die Karten wieder nicht lesen.
Bis ich das Problem wirklich verstanden hatte, dauerte es eine ganze Weile und mehrere Sets von Aufnahmen gingen verloren.
Die Fujifilm GFX 100S und die beiden Billigknipser verwenden bei den Speicherkarten ein unterschiedliches Dateiformat. Die Fujifilm nutzt ExFAT, die Knipser FAT32. Im Gegensatz zu den meisten Kameras, die beides beherrschen, kennen diese Geräte nur das eine Format.
Das an sich wäre nicht schlimm. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich strikt getrennte Karten für die Kameras verwendet. Üblicherweise werde ich auch gewarnt, bevor die Kamera die Karte formatiert.
Doch bei den Billigknipsern läuft das nicht so. Die formatieren beim Einschalten der Kamera jede Karte neu, die nicht in FAT32 vorliegt, und zwar ohne Rückfrage und ohne Hinweis. Das geht auch sehr schnell. Ich merke gar nichts davon.
Das heisst: Jedes Mal, wenn ich eine ExFAT-Karte einschiebe, werden mir sämtliche Daten darauf gelöscht, ohne dass mir das irgendwie mitgeteilt würde. Dabei ist ExFAT mittlerweile das Standardformat bei Kamerakarten. Denn nur damit lassen sich überhaupt Videoaufnahmen speichern, die grösser als 4 GB sind.
Ein paar Vergleichsbilder habe ich – eher zufällig – dennoch mit allen Kameras speichern können. So schlagen sich die drei Kameras im Halbdunkel:
Agfa DC5200: Viel zu dunkel
Sony CyberShot W830: Heller, dafür verwackelt
Fujifilm GFX 100S: Die Referenz
Natürlich ist der Vergleich angesichts der Kamerapreise unfair, die Fujifilm kostet das Hundertfache der billigsten Knipser. Noch unfairer ist aber die Sabotage der Kompaktkameras. Sie verlieren deshalb diesen Test gleich doppelt: erstens wegen der Bildqualität, zweitens wegen unsportlichem Verhalten.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.