
Produkttest
Ausprobiert: die digitale Mittelformatkamera Fujifilm GFX 50s
von David Lee
Wer mal aus dem Vollen schöpfen wollte, war am Mittelformatkurs genau richtig: Hammer-Kameras, Objektive à gogo und sündhaft teures Studio-Equipment. Das ganze unter der Leitung von zwei Profis.
Am Dienstag und Mittwoch vor einer Woche fand in Zusammenarbeit mit Fujifilm und Hasselblad der erste Fotografie-Workshop von digitec statt. Thema: Mittelformat-Fotografie. Der Kurs dauerte einen halben Tag und wurde viermal durchgeführt, je zweimal am Morgen und am Nachmittag. Ich war beim ersten der vier Kurse mit dabei.
Zwei Profi-Fotografen, zwei Models, zwei Experten der beiden Kamerahersteller, ein riesiges, gut ausgestattetes Foto-Studio und jede Menge Mittelformatkameras und -Objektive: Der gesamte Aufwand für diesen Kurs war hoch, die Teilnehmer bekamen viel für die 99 Franken. Ähnliche Kurse kosten anderswo ein Vielfaches.
Ganz ehrlich: Angesichts des tiefen Preises befürchtete ich ein wenig, dass mich hier eine Marketing-Veranstaltung erwarten würde, an der ich wenig lerne, dafür ganz oft auf die supervielen Vorteile dieser beiden extremst superen Kameras hingewiesen werde. So was wie Heizdeckenverkaufs-Carfahrten für Senioren also? Weit gefehlt. Meine Skepsis war unbegründet. Die ganze Veranstaltung war auf Schulung fokussiert und von einer «Dauerwerbesendung» weit entfernt. Die beiden Vertreter der Hersteller hielten sich dezent im Hintergrund und standen hauptsächlich für spezifische Fragen zur Kamerabedienung zur Verfügung. Der theoretische Einführungsteil hätte für meinen Geschmack kürzer sein können. Dieser wurde in den drei nachfolgenden Kursen dann auch gekürzt, habe ich mir sagen lassen.
Der Praxisteil gefiel mir gut. Die beiden Fotografen Andres Herren und Johannes Diboky erklärten anschaulich den Aufbau eines Licht-Setups und zeigten auch Möglichkeiten auf, mit denen wir die Lichtgebung variieren konnten. Das war für Leute ohne Studioerfahrung gut verständlich, bot aber auch interessante Einblicke für alte Hasen. Die beiden haben die richtige Mischung gefunden: einerseits Instruktionen und Hilfe geben, andererseits aber die Teilnehmer auch mal ausprobieren lassen.
Für beide Kameras standen vom Weitwinkel bis zum Tele-Makro alle möglichen Spitzenobjektive bereit. Die Fujifilm-Kamera hatte ich zuvor schon mal ausprobiert. Damit war ich vertraut.
Die Kamera von Hasselblad war für mich neu. Aber das Bedienkonzept mit dem Touchscreen macht den Einstieg leicht. Diese Cam ist sogar noch handlicher als die Fujifilm GFX. Rein von der Grösse und dem Gewicht her würde sie sich sogar für unterwegs (Reportagen und ähnliches) eignen. Aber mir wäre sie dafür zu langsam und ich würde mir Sorgen machen von wegen Diebstahl und Schäden.
Je nach Vorwissen und Erfahrung war vieles gleichzeitig neu: Ein neuer Typ von Kamera (neben dem Mittelformat war es für manche auch neu, mit einer spiegellosen Systemkamera zu arbeiten), der Umgang mit Lichtformern und Studioblitzen, und die Zusammenarbeit mit den Models. Die müssen wissen, was sie tun sollen, und das bedingt, dass du als Fotograf weisst, was du überhaupt willst. Wer nett ist, achtet auch darauf, dass das Model nicht von der Hintergrundbeleuchtung geröstet wird. Das Gehirn musste also recht viel gleichzeitig bewältigen. Aber das fand ich gut, so lerne ich am meisten. Für mich war die Bedienung der beiden Kameras das kleinste Problem. Diese sind nicht komplizierter zu handhaben als eine Profi-Spiegelreflex. Sogar eher einfacher. Du musst dich nur an zwei, drei Besonderheiten gewöhnen, etwa dass die Dinger lange brauchen um abzuspeichern und eine geringere Tiefenschärfe haben.
Ein professionelles Aufnahme-Setting ist ein Riesenaufwand. Nicht immer, aber oft. Wir hatten es hier nur mit einer Light-Version des nachgestellten Original-Projekts zu tun, aber schon das war beeindruckend. Der Reflektor Broncolor Para 222 zum Beispiel ist grösser als ein Mensch und kostet über 6000 Franken. Ohne Blitz, versteht sich.
Ein Beispiel für ein Licht-Setting: ein mittelgrosser Lichtformer von der Seite, ein kleines Licht von hinten (oben), und ein Blitzlicht aus einem sehr grossen Schirm. Dieses war mit einer Farbfolie überdeckt und erzeugte so ein stark gefärbtes Licht. Dabei macht es einen extremen Unterschied, ob du einen hellen oder dunklen Hintergrund hast. Helle Bildteile verfärben sich viel stärker, weil sie das Licht reflektieren. Bei Schwarz passiert praktisch nichts.
Kleine Eingriffe wie ein heller oder dunkler zusätzlicher Reflektor haben sehr starke Auswirkungen.
Vom Ablauf her wird zuerst der Ort ausgesucht, dann der genaue Aufbau und die Beleuchtung ausgetüftelt, dann gibts Testaufnahmen und dann erst kommen die Models (die sollten noch einigermassen frisch sein, wenn es wirklich los geht). Allerdings sollte ein guter Fotograf auch in der Lage sein, das Setup spontan anzupassen, wenn er merkt, dass es so nicht wie gewünscht funktioniert.
Die Bilder werden live vor Ort auf den Computer übertragen. Die Kunden seien beim Shooting immer dabei und wollten sofort was sehen, sagten die Profifotografen. Daher sei es auch ratsam, die RAW-Files sogleich mit einem Profil zu versehen, auch wenn dieses noch nicht das endgültige sei.
Ich wusste es eigentlich schon, finde es aber immer noch beeindruckend: Bei einer 50-Megapixel-Mittelformat kannst du irgend einen kleinen Ausschnitt nehmen – für die Bildschirmauflösung auf einer Webseite wie hier ist der immer noch genug gross.
Und zum Schluss noch ein kleines, aber wichtiges Detail bei den Einstellungen. Systemkameras können das Sucherbild live so anzeigen, wie es mit den aktuellen Kameraeinstellungen herauskommt. Du siehst dann sofort, wenn du zum Beispiel unterbelichtest. Wenn du mit Blitz arbeitest, musst du diese Funktion aber deaktivieren. Denn das Sucherbild zeigt dir sonst die Belichtung ohne Blitz und damit ein nahezu schwarzes Rechteck. Ist die Funktion deaktiviert, wird das Sucherbild so aufgehellt, dass du was siehst.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.