
Produkttest
Sony WH-1000XM3: Stille im Lärm. Und Jingles
von Dominik Bärlocher
Modernen Kopfhörern liegt ein mysteriöser Adapter bei. Leser MakeAppsNotWar meint, dass der in der Aviatik relevant ist. Die Spurensuche führt vom 19. Jahrhundert über das Militär bis nach Zürich Kloten.
Wenn du dir einen modernen Kopfhörer kaufst, zum Beispiel die Sony WH-1000XM3, dann kriegst du jede Menge Zubehör. Im Review zu besagtem Kopfhörer habe ich einen merkwürdigen Adapter erwähnt. Der hat zwei 3.5mm Jacks und geht in ein normales Kabel über. In der Kommentarspalte ist dann diskutiert worden, wofür dieses Objekt gut sein soll.
User MakeAppsNotWar schlägt Folgendes vor:
Ältere Modelle haben oft Radios in den Sitz eingebaut, auf denen du Musik hören kannst, bzw wenn ein Film abgespielt wird, du den Ton kriegst. Mit dem Splitter kombinierst du Stereo L/R da es damals schwer war beides in ein Kabel zu kombinieren.
In der Kommentarspalte wird zudem immer mal wieder die Fluglinie Emirates erwähnt, auf deren Flügen der Adapter unabdingbar sein soll. Wofür genau wissen aber auch die Leser nicht.
Ein 3.5mm Jack hat einen fixen Aufbau. Seit jeher. Denn die Technologie ist nicht neu. Die erste Version des Steckers, den wir heute 3.5mm Jack oder Kopfhöreranschluss nennen, stammt aus der frühen Telefonie. Erste Aufzeichnungen eines Steckers, der dem heutigen gleicht, stammen aus dem Jahre 1877. Damals wurde der damals noch 6.35mm dicke Stecker für Telefonschaltungen in einem Laden eines gewissen Charles Williams in Boston als Klappenschrank oder, etwas umständlicher, Fernsprech-Handvermittlungseinrichtung verwendet.
Zum Vergleich: Der Mensch ist erstmals anno 1903 vom Boden abgehoben, als die Gebrüder Wright mit ihrem motorisierten Flyer in drei Meter Flughöhe 259 Meter weit geflogen sind.
Das Design des Jacks ist seither weitgehend unverändert. Kleiner ist er in den 1950er-Jahren geworden und die Welt hat sich auf die 3.5mm Dicke geeinigt. Nach der Telefonie fand der Jack seinen Weg über das Militär dann irgendwann in den privaten Sektor, wo er endgültig den Durchbruch mit Sonys Walkman in den 1980er-Jahren geschafft hat. Übrigens ist der SRF-Beitrag, damals noch DRS, aus dem Jahre 1981 zum Thema Walkman ausserordentlich sehenswert.
Erstmals sind Kopfhöreranschlüsse in Audiosystemen im Jahre 1985 in Flugzeugen verbaut worden. Also lange nach der Erfindung von Headphone Jacks und Steckern, wie wir sie kennen. und etwa 30 Jahre nach der Einführung des gängigen Ringsystems, das den Stereo Sound ermöglicht.
Die Trennung links/rechts, die MakeAppsNotWar anspricht, dürfte also nicht zutreffen.
Die Funktionsweise eines 3.5mm-Anschlusses ist eigentlich recht simpel. Stark vereinfacht gesagt: Wenn du den Stecker in die Buchse steckst, schliesst du einen Stromkreislauf, der dann Schwingungen im Kopfhörer erzeugt, die dann vom Ohr als Musik aufgenommen werden.
Der Stecker besteht im Wesentlichen aus drei Elementen. Das System ist als TRS-Adapter bekannt. Die Abkürzung steht für «Tip», also «Spitze», «Ring» und «Sleeve», also «Abschirmung».
Diese drei Elemente sorgen für den Stereo Sound. In der Regel verhält sich das so:
Für Smartphones ist mittlerweile der TRRS-Adapter Standard geworden: Tip, Ring, Ring, Sleeve. Der zusätzliche Ring wird für das Signal des Mikrofons verwendet.
Der mysteriöse Adapter aus der Packung des Sony XM3 hat aber zwei solcher Plugs, die beide TS – Tip, Sleeve – sind. Das impliziert zwei Audio-Kanäle, die mit je einem Monosignal daherkommen, dann im Adapter auf ein handelsüblichen TRS-Anschluss adaptiert werden.
Das würde heissen, dass der eine Stecker «Stereo links» und «Erdung» ist, der andere «Stereo rechts» und «Erdung».
Hat MakeAppsNotWar also doch Recht?
MakeAppsNotWar hat mit seiner Frage in ein Wespennest aus Geschichte, Technologie und Reisekomfort gestochen. Daher bietet es sich an, die Experten zu fragen. Wenn das einer wissen muss, dann Menschen, die Tag für Tag mit Flugzeugen zu tun haben. Das Inflight Entertainment Team der Fluglinie Swiss antwortet auf ein Mail mit einem Bild des Adapters und der Frage «Was ist das?» wie folgt.
Das Bild zeigt tatsächlich einen Adapter für gewisse Inflight Entertainment (IFE) Systeme. Dieser zweite Pin liefert den Strom für Noise-Cancelling Kopfhörer der Airline (damit keine Batterien in den Airline-Kopfhörer rein müssen). Wenn nun ein Passagier seinen eigenen Kopfhörer mitbringt, dann braucht er diesen Adapter auf den IFE Systemen, um das Signal auf beiden Ohrmuscheln zu hören.
Active Noise Cancelling gibt es seit den 1950er-Jahren auf Papier. Nachdem Amar Bose – ja, der Bose – laut Erzählung des Unternehmens anno 1978 sich auf einem Flug über den Lärm aufgeregt hat, gibt es Active Noise Cancelling in aktiver Entwicklung.
Doch es geht auch ohne, denn die Swiss liefert auch gleich einen Life Hack mit.
Die Alternative (Life Hack) … den 3.5mm Stecker zuerst in einen der zwei Plugs ganz einstecken und dann ein wenig rausziehen, aber ist mit den Vibrationen im Flugzeug eher etwas nervig, daher macht der Adapter mehr Sinn.
Die Adapter werden nur noch auf zwei Airbus A340 und allen A330 gebraucht. Die A340 werden demnächst umgebaut, damit sie mit dem Rest der A340er aufholen. Denn auf diesen, wie auch auf den Boeing 777 der Swiss, können ganz normale 3.5mm-Adapter angeschlossen werden.
Das Resultat:
Unsere Passagiere können ihren eigenen Kopfhörer ganz normal im 3.5mm Plug einstöpseln.
So. Fertig. Danke für die Leserfrage. Hätte nie gedacht, dass das so eine lustige Story wird.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.