Produkttest

Woojer Vest 3 im Test: eine vibrierende Gamer-Weste – bekloppt, aber irgendwie geil

Sie bringt mich ins Schwitzen. Sie ist unbequem. Sie ist umständlich. Und dennoch: Die Woojer Vest 3 macht sauviel Spass.

Noch so ein Vibrationsteil? Ich hab doch erst kürzlich einen Gurt getestet, der Klang in Vibrationen umwandelt. Was solls. Starte ich halt mal wieder «Battlefield 2042». Da knallt’s auch ordentlich. Wow, ok, das ist eine andere Kategorie als der Feelbelt. Es rüttelt und schüttelt mich richtig durch, wenn ich mit meinem digitalen Maschinengewehr Gegner niedermähe. Und wenn neben mir eine Granate explodiert, kommt zum Schrecken des Knalls, die Erschütterung der Weste hinzu. Das macht richtig Laune. Für den Preis von fast 700 Franken/Euro erwarte ich das aber auch.

Die Woojer Vest 3 sieht wie eine Schwimmweste aus und besteht aus sechs Oszillatoren. Das sind Platten in der Grösse von Bierdeckeln, die Audiosignale in haptisches Feedback übersetzen. Das funktioniert mit Musik, Filmen oder Games.

Einfache Einrichtung, aber störende Kabel

Die Weste wird per Bluetooth oder Kabel (USB-C oder 3,5-mm-Klinkenkabel) mit einem Abspielgerät verbunden. Das kann ein Smartphone, eine Konsole oder ein PC sein. Danach schliesse ich meine Kopfhörer an die Weste an. Das geht ebenfalls per Bluetooth oder Kabel. Wie schon beim Feelbelt ist die Kabellösung nicht die eleganteste. Es geht zwar schneller, aber es schränkt meine Bewegungsfreiheit ein. Kurz aufstehen und das Fenster öffnen, liegt nicht drin. Ausser, ich verwende ein besonders langes Kabel.

Die Woojer Vest trägt sich wie ein Schwimmweste.
Die Woojer Vest trägt sich wie ein Schwimmweste.
Quelle: Philipp Rüegg

Meine Beyerdynamic-Kopfhörer am PC verfügen nicht über Bluetooth. Also grabe ich meine alten Sennheiser Wireless aus. Gekoppelt werden sie über die dazugehörige Smartphone-App. Dort kann ich die Vibration und die Lautstärke anpassen oder eine etwaige Vibrationsverzögerung korrigieren. Erstere beiden Dinge gehen auch direkt an der Weste.

Aus irgendwelchen Gründen werden die Kopfhörer aber nicht gefunden. Das spielt in diesem Moment aber auch keine Rolle. Denn während die Bluetooth-Verbindung für das Quell-Signal zum PC und per Kabel klappt und ich den Sound höre – vibriert die Weste nicht. Per USB-C-Kabel rüttelt sie sofort los. Auch die Soundqualität ist übers Kabel deutlich besser als über Bluetooth. Ein Neustart des PCs und der Weste löst schliesslich das Problem. Nur mein Bluetooth-Kopfhörer lässt sich weiterhin nicht mit der App respektive der Woojer Vest verbinden.

An der Weste kann ich Lautstärke und Vibrationsstärke einstellen.
An der Weste kann ich Lautstärke und Vibrationsstärke einstellen.
Quelle: Philipp Rüegg

Was mich ohnehin mehr stört als das Kabel, ist, dass ich nicht meine PC-Lautsprecher verwenden kann. Die sind über einen kleinen USB-Verstärker angeschlossen. Dieser besitzt keinen 3.5-mm-Eingang, um das Audio, das vom PC an die Weste geht, zu empfangen.

Für meinen Test am PC setze ich auf Bluetooth für den Sound-Input und kabelgebundene Kopfhörer, die ich an der Weste einstecke.

Perfekt für Ballergames

Was mir als Erstes auffällt, ist, wie stark die Weste vibrieren kann. Stelle ich sie auf die maximale Stufe, fühlt es sich wie eine Sportmassage an. Ganz so schmerzverzerrt, wie wenn meine Trapezmuskeln geknetet werden, sieht mein Gesicht zwar nicht aus. Ich stelle die Intensität trotzdem ein paar Stufen zurück. So soll es aber auch sein. Genau wie bei Kopfhörern, die immer etwas lauter klingen sollen, als angenehm, erwarte ich von der Weste, dass sie Kraftreserven hat.

Die Woojer Vest 3 wird neben Games auch für Filme und Musik angepriesen. Ich habe bereits beim Feelbelt festgestellt: Das ist Quatsch. Weder beim Fernsehschauen noch Musikhören möchte ich mir eine Weste umschnallen. Das sind passive Erlebnisse und ich sehe darin zu wenig Mehrwert. Es ist zwar durchaus amüsant, den Bass eines fetten Hip-Hop-Tracks wie «Full Clip» von Gang Starr am Körper zu spüren. Für den Preis der Weste kaufe ich mir aber lieber einen ordentlichen Subwoofer.

Sechs Oszillatoren sorgen für das haptische Feedback.
Sechs Oszillatoren sorgen für das haptische Feedback.
Quelle: Philipp Rüegg

Darum konzentriere ich mich auf Games. Das passende Spiel für den ersten Test habe ich auch schon gefunden. «Trepang2» ist brandneu und verspricht frenetische Baller-Action im Stile von «F.E.A.R». Schon nach wenigen Minuten weiss ich: Genau dafür ist die Weste konzipiert. «Trepang2» ist düster, brutal und bietet Non-Stop-Balleraction. Weil noch unheimliche Musik dazu kommt, vibriert die Weste fast konstant, was das Spiel noch nervöser macht. Je nachdem wie laut die Hintergrund-Musik ist, spüre ich die Vibration beim Abfeuern meiner Waffen aber nicht gleich stark.

Auf Anraten des Herstellers schraube ich die Musiklautstärke auf 20 Prozent runter. Damit fällt die Dauervibration weg und das Abfeuern von Waffen ist spürbarer. Sehr speziell ist es, wenn ich ein Medikit aufnehme. Dabei ist ein kurzes Piepsen wie bei einem Überwachungsgerät im Spital zu hören, gefolgt von zwei lauten Herzschlägen. Dabei vibriert die Weste so stark, dass ich das Gefühl habe, eine Herzmassage zu bekommen. Geil, aber auch irgendwie beängstigend und somit perfekt für dieses Spiel.

Ähnlich viel Action, wenn auch mit deutlich weniger Pixel, gibt es in «BattleBit Remastered». Der Low-Poli-«Battlefield»-Ableger bietet riesige Schlachtfelder und jede Menge Action. Das Spiel hat keine Musik, darum vibriert die Weste auch nicht ununterbrochen. Weil die Level weitläufig sind, dauert es einen Moment, bis ich zur Front gelange. Je mehr ich mich den Gefechten nähere, desto stärker vibriert die Weste. Ich bekomme wirklich das Gefühl, mich einem Krieg zu nähern. Die Vibrationen werden aggressiver, je mehr grosskalibrige Waffe zu hören sind, Helikopter über meinen Kopf fliegen und Panzer Häuser platt machen. Ich hätte es wirklich nicht gedacht, aber die Weste macht das Spiel richtig spürbar.

Bei Spielen mit gutem Sound wie «Battlefield 2042» performt die Weste am besten.
Bei Spielen mit gutem Sound wie «Battlefield 2042» performt die Weste am besten.
Quelle: Philipp Rüegg

Wenn ich schon bei einem «Battlefield»-Nachahmer bin, kann ich auch das Original starten. «Battlefield 2042» hat vieles falsch gemacht, aber das Sound-Design war von Anfang an klasse. Das überträgt sich eins zu eins auf die Woojer Vest. Musik gibt es auch hier praktisch keine. Ich spawne als Erstes in einem Kampfhubschrauber. Sofort spüre ich ein konstantes Surren, das den Fluglärm perfekt ergänzt. Schliesslich ist das kein verschlafener Trans-Atlantik-Flug im Airbus, sondern ein bleispuckender Ritt durch die katastrophengebeutelten USA. Während mein Pilot waghalsige Manöver macht, feuere ich mit dem Bordgeschütz auf alles, das bei drei nicht in Deckung ist. Wumwumwumwum, das Donnern des Maschinengewehrs lässt meine Weste kräftig rütteln. Das macht schon sehr viel Laune. Nach einer gefühlten Ewigkeit an Bord eines absoluten Flugasses, trifft uns schliesslich eine Rakete zu viel. Mit einer lauten Explosion, die ich am ganzen Körper spüre, zerschellen wir auf dem Dach eines Stadions.

Fünf Sekunden später sprinte ich bereits wieder mit gezücktem Sturmgewehr durch eine zerbombte Vorstadt. Am Hügel erspähe ich einen feindlichen Soldaten. Sofort decke ich ihn mit einer Salve meines M5A3 ein. Wow, das ist definitiv das beste Vibrationsfeedback aller bisherigen Games. Genauso wuchtig wie der Sound ist, so aggressiv fühlt sich auch die Vibration am Körper an. Die Weste verleitet regelrecht zum Munitionsverschleiss, so gut fühlt es sich an. Je länger ich spiele, desto breiter wird mein Grinsen. «Battlefield 2042» und die Woojer Vest sind wie füreinander geschaffen.

Beim Battle-Royale-Vorreiter «PUBG» fallen mir zwei Dinge auf: Erstens, wie verdammt gut «PUBG» eigentlich ist und zweitens, wie sehr es die Adrenalin geladenen Momente beim Herumschleichen oder bei Feuergefechten verstärkt. In «PUBG» gibt es keine Musik und Schusswechsel sind sporadisch. Darum wirken sie besonders dramatisch, wenn die Weste bei der Schussabgabe oder bei einem Treffer vibriert. In einem Spiel, bei dem ich auf jedes Geräusch lausche, erschrecke ich doppelt, wenn ein plötzlicher Kugelhagel die Stille durchschneidet. Dann schlägt mein Puls bis zum Hals und genau das ist «PUBG».

Die steifen Vibrationselemente sind nicht förderlich für den Tragekomfort.
Die steifen Vibrationselemente sind nicht förderlich für den Tragekomfort.
Quelle: Philipp Rüegg

«Boltgun» wiederum, ein Retro-Shooter, indem ich einen legendären Space Marine spiele, bietet kaum Mehrwert mit der Weste. Wenn der Schlächter des Imperators durch majestätische Hallen rennt, höre ich deutlich das Stampfen seiner massiven Rüstung. Spüren tue ich hingegen nichts. Auch beim Abfeuern der namensgebenden Boltgun spüre ich nicht die Wucht, die der Sound suggeriert. Hier surrt die Weste lieblos vor sich hin. Möglicherweise ist das Soundprofil zu flach, um die einzelnen Elemente richtig spürbar zu machen.

Witzig sind auch Rennspiele wie «Forza Motorsport». Allerdings habe ich mir mehr Feedback erhofft. So ist kaum etwas von der Beschleunigung oder den Fliehkräften in Kurven zu spüren. Aber die Kraft des Motors, wenn ich das Gaspedal durchtrete oder wenn ich mal wieder den Rasen touchiere, werden mir sofort mitgeteilt.

Keine Sommerweste

Wirklich lange kann ich die Weste nicht tragen. Bereits nach einer halben Stunde wird sie unbequem. Dafür ist sie zu steif. Selbst die bequeme Polsterung meines Sofas oder Bürostuhls nützen nichts. In stehenden VR-Spielen fällt es weniger auf. Ausprobiert habe ich «Half-Life Alyx», das zwar keine Haptik auf «Battlefield 2042»-Niveau erzeugt, aber ebenfalls Spass macht. Und weil ich mir dafür ohnehin ein VR-Headset anziehen muss, fällt die Weste sprich- und wortwörtlich nicht gross ins Gewicht.

In Verbindung mit VR stört das Tragen der Weste abgesehen von der Hitze am wenigsten.
In Verbindung mit VR stört das Tragen der Weste abgesehen von der Hitze am wenigsten.
Quelle: Philipp Rüegg

Was hingegen bei den aktuellen Temperaturen sofort auffällt, ist die Hitze. Nach zehn Minuten habe ich riesige Schweissflecken unter den Armen. Im Sommer ist die Weste kaum erträglich. Selbst mit eingeschalteter Klimaanlage ist mir noch zu heiss darin.

Noch vibriert die Weste kopflos

Die Woojer Vest kann auf überraschend vielfältige Weise vibrieren. Sie schafft feine Abstufungen – von leichtem Surren bis zu starken, kurzen Vibrationen, die einen Aufprall simulieren können. Mit dedizierten Soundprofilen könnte das noch viel besser sein.

Aktuell wandelt die Weste jeglichen Sound in Vibrationen um. Wie stark und wie lange bestimmen alleine die Frequenzen. Tiefe Klänge sorgen für stärkere Vibrationen als hohe. Zum Vergleich: Game-Controller vibrieren nur an bestimmten Stellen. Game-Entwicklerinnen und Entwickler erstellen dafür spezielle Vibrationsprofile. Solche gibt es für die Woojer Vest nicht. Das soll sich im nächsten Jahr ändern, wie mir das US-israelische Unternehmen auf Rückfrage hin erklärt. Anfang 2024 ist ein Update geplant, das es Game-Studios erlaubt, dedizierte Vibrationsprofile zu erstellen. Wie viele Studios tatsächlich Arbeit für ein solches Nischenprodukt aufwenden werden, ist fraglich. Daneben soll 5.1- oder 7.1-Surround-Sound für gezieltes haptisches Feedback verwendet werden können.

Fazit: Nur für echte Enthusiastinnen und Enthusiasten

Die Woojer Vest 3 hat mich überrascht. Für Action-Games ist sie eine echte Bereicherung. Die Vibrationen machen besonders Shooter wie «Battlefield 2042» oder «PUBG» lebendiger. Ich tauche mehr ins Spiel ein und es macht schlichtweg Laune, wenn ich ein ganzes Magazin verballere und dabei mein ganzer Körper rüttelt. Spiele ich das gleiche Spiel anschliessend ohne Weste, fühlt es sich geradezu leblos an. Dann fehlt mir etwas. Als ob ich ohne Sound spielen würde.

Eine Weste zum Zocken ist schon etwas bekloppt.
Eine Weste zum Zocken ist schon etwas bekloppt.
Quelle: Philipp Rüegg

Nicht in jedem Spiel funktioniert die Weste gleich gut. Grundsätzlich gilt: Je besser das Soundprofil des Spiels, desto besser vibriert die Weste. Weil es noch keine dedizierte Vibrationsprofile gibt, musst du meist die Musik herunterschrauben. Sonst vibriert die Weste ständig. Für mich eignet sich die Weste primär für Shooter- und Renn-Games. Selbst bei Spielen wie «Cyberpunk 2077», wo ebenfalls viel geballert wird, bietet sie mir zu wenig Mehrwert. Dafür gibt es zu viele Dialoge. Solche langatmigen Spiele sind ohnehin nicht ideal für die Woojer Vest. Schliesslich ist sie immer noch ein zusätzliches Gerät, das ich anziehen muss. Ausserdem schwitze ich schnell damit und die steifen Vibrationselemente sind für den Tragekomfort auch nicht zuträglich.

Die Woojer Vest erinnert mich stark an Virtual Reality. Es ist ein tolles Erlebnis, das Spiele intensiver macht, als es ein flacher Bildschirm je schaffen könnte. Aber es ist auch umständlich und anstrengend, sodass ich mir nur selten das Headset überstülpe. Und im Gegensatz zu VR-Titeln kann ich alle Spiele auch ohne Weste zocken. Die Woojer Vest 3 ist ein Spielzeug für Enthusiastinnen und Enthusiasten. Wenn du weisst, worauf du dich einlässt und du das nötige Kleingeld hast, dann wirst du definitiv Spass daran haben.

Titelfoto: Philipp Rüegg

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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