
Hintergrund
Game of Thrones: Geologie, Astronomie und White Walker
von Dominik Bärlocher
Ein fetter Paketbote, der mit seinem Job die Welt verändern will. Eine ambitionierte Schönheit, die in Manhattan nach den Sternen greift. Und ein alter Mann im Keller, der diese Träume mit Füssen tritt. Das ist die Basis für die Königin aller Serien.
Humor ist Geschmackssache. Doch spätestens, wenn sich Doug Heffernan und Arthur Spooner beim Znacht wegen der Aussprache von Ketchup zerfleischen, gibt’s keine zwei Meinungen mehr. Vergiss «The Office», «How I Met Your Mother», «Friends» und «Brooklyn Nine-Nine» – gegen die Serie aller Serien in der Comedy-Sparte haben sie keine Chance. Ich beweise dir, warum «King of Queens» besser war, ist und sein wird als alles andere.
Du nimmst ein T-Shirt der New York Jets, lässt es auf Grösse XXXL anschwellen und füllst es mit einer Riesenportion Hot Dogs, Chicken Wings und Pizza. Was kriegst du? Den Durchschnittsami aus dem Lehrbuch. Viele der 328 Millionen Einwohner der USA mögen mich jetzt etwas weniger. Aber hey, was kann ich dafür, wenn's stimmt? Übergewichtig, faul und nur in Shorts vor dem TV anzutreffen, gibt sich Doug mit dem zufrieden, was er hat.
Dieser Extraportion Junkfood stellst du eine zierliche, schlanke und sexy Brünette zur Seite, die als Anwaltsgehilfin im trendigen Manhattan ihr Glück versucht. Motiviert, engagiert und fokussiert strebt sie nach mehr. Sie sorgt für Ordnung, schmeisst den Haushalt und kümmert sich ums Finanzielle. Die ehrgeizige Carrie ist zu bemitleiden: Während sie alles versucht, um sich und ihren Liebsten ein besseres Leben zu ermöglichen, bremst sie Doug bei jeder Gelegenheit aus.
Als wäre ein erwachsenes Kind im Haus nicht genug, stellt sich ihr auch noch Arthur in den Weg. Ihr Vater, der seine eigenen vier Wände abfackelt und darum im Keller einquartiert wird, findet immer neue Gelegenheiten, Carries Geduld zu strapazieren. Nicht, dass er sich mit Doug verstehen oder die beiden gar am selben Strang ziehen würden, nein. Abwechslungsweise oder gleichzeitig rauben sie der umsichtigen Dame des Hauses den letzten Nerv.
Was bitte soll daran aussergewöhnlich oder witzig sein?
Einfach alles. Jeder einzelne Charakter. Denn auch wenn die Figuren überzeichnet scheinen, sind sie es nicht.
Alleine Dougs Bequemlichkeit, die Carrie pausenlos zur Weissglut treibt, hätte die Serie am Leben halten können. Ich kaufe dem Dicken jeden einzelnen seiner Sprüche und jede abschätzige Geste bedenkenlos ab. Wenn ich Kevin James in einem Film sehe, switched mein Verstand automatisch zu «King of Queens».
Ich bin der festen Überzeugung, dass Kevin James schauspielert, wenn er sich als Kevin James ausgibt. Doug Heffernan ist seine wahre Identität, Kevin James sein Alias. Denn kein anderer Schauspieler könnte mich besser davon überzeugen, Doug zu sein. James spielt seine Rolle nicht, er lebt sie.
Carrie ist dank Kevin James' perfekter Verkörperung von Doug ein Selbstläufer. Sie ist das pure Gegenteil von Doug, Ärger ist vorprogrammiert. Ehefrau und -mann geraten öfters aneinander, als ich meine Unterhosen wechsle. Und trotzdem wirken die Reibereien nicht aufgesetzt. Die Gags sind vorhersehbar und dennoch lache ich auch beim siebenundzwanzigsten Mal herzhaft. Weil Doug in ebenjenem Moment von sich gibt, was 98 Prozent der Zuschauer sagen würden. Der Rest hat den Joke entweder nicht verstanden oder soll sich zum Teufel scheren.
Doug hätte eine eigene TV-Show verdient. Doch Carrie passt, wie das Beigemüse bei einer fleischlastigen Mahlzeit. Und Arthur bringt das Comedy-Fass schliesslich zum Überlaufen. Der alte Mann schafft es, nicht nur seine Tochter und seinen Schwiegersohn um den Schlaf zu bringen, sondern treibt auch mich in den Wahnsinn. Wie er Carrie manipuliert, um zu kriegen, was er will, ist einfach teuflisch. Arthur Spooner als Dougs Mitstreiter um Carries Aufmerksamkeit gibt der Serie die letzte Würze, die sie eigentlich gar nicht mehr nötig hätte.
Arthur und Carrie sorgen dafür, dass ich mich als Zuschauer noch tiefer in Doug hineinfühlen kann. Er verkörpert den Helden, der gar keiner ist, den aber dennoch alle gerne wären.
Es ist ebenjenes Klischee, das zieht. Doug ist ein liebenswerter, dicker Arbeiter, der brav seine Pakete ausliefert und keiner Fliege was zu Leide tun könnte. Nicht nur, dass ich ihn sofort ins Herz geschlossen habe, er tut mir oft auch leid. Meine Sympathie für den tollpatschigen Fleischklops kennt keine Grenzen.
Die aufgetakelte Anwaltssekretärin, die jeden Tag von Queens nach Manhattan pendelt, bedient die Klischee-Schublade ebenfalls. Bei Carrie habe ich jedoch am meisten Mühe, mich mit ihr anzufreunden – ihre Rolle ist mir zu extrem, zu übertrieben. Dank ihrer Beziehung zu Doug lässt sich dies allerdings verschmerzen. Sie sollte zwar den beiden faulen Herren Feuer unter dem Hintern machen – doch so wenig wie ihr das in der Serie gelingt, so wenig überzeugt sie auch mich. Und dennoch braucht es sie, damit Doug in seiner Rolle aufgehen – no pun intended – kann.
Last, but not least: der Schwiegervater im Keller, welcher eigentlich Dougs Man Cave hätte werden sollen. Auch hier mussten die Macher der Serie nicht lange überlegen: Einem Mann wird sein einziger Rückzugsort genommen – Konfliktpotential hoch zehn. Dass der alte Griesgram in einer anderen Folge Doug auch noch den Spass am Essen nimmt, ist zwar vorhersehbar, aber halt einfach auch witzig. Der korpulente Pöstler tritt mit seiner gewohnt charmanten Art in jede Klischeefalle, um auch die letzten Kritiker verstummen zu lassen.
Auch wenn die Episoden, Dialoge oder Szenen unterhaltsam sind. Es sind die kleinen, feinen Details, die dem Zuschauer den Rest geben. Hierbei spreche ich nicht von Dougs Grimassen, von Arthurs Wutanfällen oder Carries Verzweiflungstaten. Es sind einzelne Sätze, die in jede Hall of Fame gehören.
Doug: «Why fart and waste it, when you can burp and taste it?»
Doug: «Friends keep you away from TV.»
Doug: «Thanksgiving, man. Not a good day to be my pants.»
Hier ist insbesondere auch Deacons – Dougs bester Freund – Reaktion erwähnenswert: «Is there any good day to be your pants?»
Doug: «No longer being Mastercard's bitch? Priceless!»
Doug: «Salsa dancing? That's got 'split my pants' written all over it.»
Doug: «There's no better feeling in the world than a warm pizza box on your lap.»
Arthur: «Ah, Paris. I haven't been back there since we liberated her in '44. The City Of Lights knew peace once more. I also got the clap, but that's another story for another time.»
Arthur: «You rode the frog to the top, but lady luck can be a fickle whore.»
Carrie: «It's me. Listen, real quick, there's a pie in the fridge. It's for my book club, please don't touch it. Doug... please.»
Carrie: «Doug, Nobody's last name is penis.»
Weshalb «King of Queens» besser ist als «The Office»? Ich mag Steve Carell unglaublich, aber ich kaufe ihm Michael Scott nicht ab. Keine Frage, Carell macht nicht viel falsch. Aber er kann nicht mit Doug mithalten. Obwohl ich ein grosser «The Office»-Fan bin, kommt die Serie nicht an «King of Queens» ran. Wenn ich bei «King of Queens» in eine Folge reinzappe, folgt spätestens nach 20 Sekunden der erste Lacher. Ausserdem kann ich jederzeit in jede beliebige Episode reinschauen, weiss sofort, worum es geht und verstehe jede Anspielung. Bei «The Office» ist das nicht möglich.
Und was ist mit «How I Met Your Mother»? Barney Stinson ging mir schon nach der zweiten Staffel auf den Sack – again, no pun intended. Auch wenn ich weiss, dass viele Männer sich gerne mit ihm identifizieren, seinen Bro-Code zu imitieren versuchen und sich sein Leben wünschen. Er ist zu weit entfernt von der Realität. Daher entlocken mir seine Sprüche jeweils kaum mehr als ein müdes Lächeln. Und wie Ted verzweifelt Staffel für Staffel versucht, Robin wieder und wieder für sich zu gewinnen, ist nicht nur auf Dauer langweilig, sondern bereits nach wenigen Episoden.
Auch im Vergleich zu «Friends» hat «King of Queens» die Nase vorne. Obwohl ich die sechs Freunde aus Manhattan ins Herz geschlossen habe und mir ab und zu genüsslich eine Folge zu Gemüte führe, werde ich auch damit nie richtig warm. Auf jeden Fall kommt nie dieselbe Wärme und Zufriedenheit auf, welche ich bei «King of Queens» empfinde. Nachdem Joey zum 500. Mal sein «How you doin'» zum Besten gibt, vergeht selbst einem im Vergleich eher anspruchslosen Humoristen wie mir das Lachen. Und – analog zu HIMYM – treibt die ewige On-Off-Romanze zwischen Rachel und Ross sogar den lebensbejahendsten Optimisten in den Freitod.
Am ehesten mit «King of Queens» aufnehmen kann es «Brooklyn Nine-Nine». Sobald Jake Peralta loslegt, gibt's für mich kein Halten mehr. Wenn er mit seinem hilflosen Partner Boyle um die Häuser zieht, die Anweisungen von Captain Holt absichtlich missachtet und selbst Muskelprotz Terry machtlos dabei zuschauen muss, wie er den nächsten Fall in den Sand setzt, brennen bei mir die Sicherungen durch.
Allerdings ist mir der Einstieg in die Serie äusserst schwergefallen. Erst ab der vierten, fünften Folge begann ich, das Ganze zu verstehen. Sobald ich zudem eine Folge auslasse, geht vieles verloren. Schade eigentlich, denn es sind am Ende dann auch die kleinen Details, die den grossen Unterschied gegenüber «King of Queens» machen. Dort hat mich bereits der Pilot Tränen lachen lassen.
Das ist ja alles schön und gut, aber was nun? Auf neue Folgen warten «King of Queens»-Jünger nun schon seit über 12 Jahren. Genau hier punktet die Serie erneut. Klar wären neue Folgen für mich wie Weihnachten und Geburtstag zusammen, aber das wird nicht passieren – da bin ich Realist genug. Aber die Comedy-Serie ist ein Klassiker und schafft es, auch beim 23. Mal noch, lustig zu sein. Obwohl ich jede Szene, jeden Witz und jede Location bereits auswendig kenne sowie von Zeit zu Zeit mit meinen zwei Bürogspändli und wandelnden «King of Queens»-Lexika Natalie und Severin in Erinnerungen schwelge, ist jede Szene, jeder Witz und jede Location noch so witzig wie beim ersten Mal.
«King of Queens» ist Kult und es wird niemals wieder eine Serie geben, die auch nur ansatzweise mithalten kann.
Aber halt, einen Moment – da war doch was? Richtig. Ein schwarzer Tag in der Geschichte aller «King of Queens»-Fans. Als sich Kevin James dazu entschloss, einige seiner Freunde aus dem damaligen Cast zusammenzutrommeln und eine neue Serie auf die Beine zu stellen. 2016, just an meinem Geburtstag, strahlte CBS die erste Folge von «Kevin Can Wait» aus. Als Kevin-James-Groupie durfte ich das Ganze natürlich nicht verpassen. Auch wenn ich mir ein, zwei Lacher nicht verkneifen konnte, war ich nach den gut zwanzig Minuten am Boden zerstört. Der Figur von James fehlt es an Inhalt, Charakter und Charme. Die Nebenfiguren sind plump und die Schauspieler wirken, als wären sie selbst nicht überzeugt. Ein totaler Reinfall. Immerhin haben sich die Macher, zu welchen leider auch Kevin James selbst zählt, im Titel nicht vergriffen: Ja, Kevin kann tatsächlich warten.
Während mein «King of Queens»-Herz blutet, frage ich mich... nein, frage ich dich, Kevin James: Wieso machst du das? Das bist nicht du. Das ist – abgesehen vom ganzen Scheiss, den du mit Adam Sandler abgezogen hast – nicht dein Niveau. Das ist ein billiger Imitationsversuch, den du nicht nötig hast. Doch damit nicht genug: Du lässt deine TV-Frau sterben, damit Carrie wieder etwas Screen Time bekommt? Nein, lieber Kevin, das gehört sich nicht. So nicht. Das hast du alles nicht nötig.
Denn für mich es gibt nur einen Kevin James: Douglas «Doug» Steven Heffernan.
Wenn ich nicht gerade haufenweise Süsses futtere, triffst du mich in irgendeiner Turnhalle an: Ich spiele und coache leidenschaftlich gerne Unihockey. An Regentagen schraube ich an meinen selbst zusammengestellten PCs, Robotern oder sonstigem Elektro-Spielzeug, wobei die Musik mein stetiger Begleiter ist. Ohne hüglige Cyclocross-Touren und intensive Langlauf-Sessions könnte ich nur schwer leben.