

Werde ich dank ausgefallener Steuerung endlich Fan von Simulationen?

Was gibt es langweiligeres als virtuell Felder zu bestellen? Simulationen finde ich absolut öde. Der Markt dafür ist allerdings riesig. Darum gibt es auch etliches Zubehör dafür wie beispielsweise das «Saitek Heavy Precision Control System for PC». Ob das reicht, um mich zum Hobbybauer zu bekehren?
Das Gaspedal drücke ich voll durch. Mit waghalsigen neun Stundenkilometern fetze ich mit dem Mähdrescher übers Feld. Bei diesem Tempo ist das Ende des Ackers schnell erreicht. Es heisst wenden. Ganze eineinviertel Mal drehe ich das Steuer, um möglichst schnell die Kurve zu kriegen. Zum Glück ist der Mähdrescher breit, sonst würde die Maschine bei diesem halsbrecherischen Manöver umkippen.

Irgendwie spassig meine ersten Fahrversuche mit dem «Saitek Heavy Precision Control System for PC». Nicht spassig, sondern sperrig, ist hingegen der Name des Eingabegeräts, weshalb ich es liebevoll «Farmy» getauft habe.
Die Steuerung
Bereits seit einigen Monaten haben wir den Farmy bei uns auf der Redaktion rumliegen. Da ich es schade finde, bei dem schönen Wetter Ende Juni drinnen zu sitzen, entschliesse ich mich zumindest virtuell etwas an die frische Luft zu kommen. Die Steuerung ist da eine willkommene Ausrede. Farmy besteht aus:
- Lenkrad mit integriertem Gamepad
- Gas- und Brems-/respektive Rückwärtsfahrpedal
- Seitenkonsole mit diversen Tasten und Joystick
Erste Schritte
Die Steuerung teste ich mit dem «Landwirtschafts-Simulator 17». Auf der Packung steht zwar: «Works great with Farming Simulator 15 Gold Edition». Mag sein, aber mir egal. Ich will die neuste Version des Spiels spielen, das wird ja wohl auch funktionieren.
Da ich noch nie einen «Landwirtschafts-Simulator» gespielt habe, wähle ich als erstes mal das Tutorial. Ich weiss; einfach zu behaupten, dass ich Simulationen langweilig finde, ohne jemals den «Landwirtschafts-Simulator» gespielt zu haben, ist nicht sonderlich unvoreingenommen. Darum versuch ich’s jetzt.
Also los! Nach dem Starten des Tutorials sagt mir das Spiel, dass ich die linke Maustaste zum Fortfahren klicken soll. Jetzt bin ich verwirrt. Sollte sich das Spiel nicht mit Farmy steuern lassen? Gefrustet haue ich auf die Tasten. Plötzlich ändert sich die Eingabeanweisung. Jetzt soll ich die «2» drücken. Toll, das Spiel registriert, mit was ich steuere. Das nenne ich intuitiv.

Jetzt kann’s richtig losgehen. Zu Beginn sitze ich noch etwas angespannt vor dem Spiel. Mit der Zeit werde ich lockerer. Die Tutorials zeigen: Hier ist wirklich jede Taste und jeder Stick für etwas gut. Und das Ganze funktioniert einwandfrei. Das lässt meine anfängliche Skepsis doch etwas schwinden.
Ein paar Worte zu Farmy
Damit ich nachträglich mein schlechtes Gewissen fürs Gamen während der Arbeitszeit etwas beruhigen kann, muss ich trotzdem noch was zur Verarbeitung von Farmy schreiben. Das Lenkrad und die Steuerkonsole lassen sich am Tisch festschrauben. Dort angebracht sitzen sie fest. Die Pedale sind mit Antirutsch-Füssen bestückt. Auf Teppich, Parkett und Linoleum halten die ganz ordentlich. Für noch mehr Halt lässt sich eine Fussvorlage ausklappen.

Die Verarbeitung der Tasten trübt den guten Eindruck. Sie wirken etwas billig verarbeitet. Die Kippschalter sind nur Attrappen und funktionieren wie die anderen Tasten. Das Lenkrad ist schwabbelig mit der Basis verankert. Cool ist zwar, dass es jeweils automatisch zurückdreht, aber das tut es mit zu viel Effet und schlingert dadurch. Die Pedale müssen für volle Kontrolle von oben statt von vorne gedrückt werden. Etwas nervig ist auch, dass zwei USB-A-Anschlüsse für die Verbindung gebraucht werden.
Aufmerksamkeitsdefizit
Nach den Tutorials weiss ich Bescheid und wage meinen ersten richtigen Tag auf dem Bauernhof. Da ich mich nach wie vor als blutigen Anfänger bezeichne, wähle ich den Schwierigkeitsgrad «Einfach». Eigentlich sollte ich der geborene Bauer sein. Mein Nachname «Hofer» bedeutet so viel wie «der vom Hof».
Glücklicherweise erklärt mir das Spiel zu Beginn kurz, was ich tun soll – trotz passendem Nachnamen habe ich keine Ahnung von Landwirtschaft. Also dresche ich zu Beginn das Feld, fahre mit dem Ernteertrag zum Händler zwecks Verkauf, Grabe ein Feld um und säe Weizen auf einem weiteren Acker. Das macht mit der Steuerung Laune. Alles geht ganz fix, da ich jeweils Helfer anstellen kann, die die Arbeiten für mich beenden. So muss ich nicht x-Stunden die Felder auf und abfahren. Nach der Einführung kann ich tun und lassen, was ich will.
Als «GTA»-Gamer der ersten Stunde schnappe ich mir logischerweise als Erstes das schnellste Gefährt, das ich finden kann und mache damit die Strassen und Felder unsicher. Nicht der Sinn des Spiels, aber meine Aufmerksamkeitsspanne ist nicht die Grösste. Das ist mit ein Grund für meine Abneigung gegenüber Simulationen. Ich mag lieber etwas Action. Mit dem Pickup geht’s aber endlich mal richtig ab und ich kann die Qualität des Lenkrads testen. Nicht dass der «Landwirtschafts-Simulator» realistisches, waghalsiges Fahren gut simulieren würde.

Nachdem ich versucht habe, Menschen zu überfahren – was leider nicht geklappt hat, ich bin durch sie durchgefahren – setze ich das Fahrzeug mangels Fahrkünsten in den Fluss. Schadenssimulation gibt’s leider auch nicht. Erstaunlich für ein Game, das sich Simulation schimpft. Da der «Landwirtschafts-Simulator» leider definitiv kein «GTA» ist, muss ich mir nun eine neue schnittige Kiste kaufen. Landet das Fahrzeug im Fluss ist es futsch. Und klauen geht leider nicht.
Zurück zur Simulation
Ok, ausser Bauern gibt’s nicht viel zu tun. Eigentlich logisch, das Spiel heisst nicht umsonst «Landwirtschafts-Simulator». Es geht mehr um die Sehnsucht nach einem ruhigeren Leben und einem Zurück zur Natur. Entschleunigung ist hier das Stichwort. Also gehe ich zurück auf meinen Hof und schaue mich nach neuen Bauern-Abenteuern um.

Mangels weiteren Hinweisen was ich tun soll, gehe ich zu einem anderen Bauern und nehme einen Auftrag an. Ich soll sein Feld düngen. Dafür habe ich knapp sechs Minuten Zeit. Zeit die Steuerung weiter zu testen. Zunächst muss ich vorne ein Gewicht ankoppeln und dann hinten das Düngegerät. Mit der Steuerung geht das ganz einfach und schnell. Nach etwa drei Minuten bin ich bereits fertig mit düngen. Für meinen Einsatz werde ich fürstlich mit knapp 3000 Euro belohnt. Da soll mal einer sagen, die Landwirtschaft lohnt sich nicht mehr.
Lang hat die Düngerei zwar nicht gedauert, aber irgendwie wurde mir bereits langweilig. Und das Düngegerät ist sehr breit, die Arbeit geht verhältnismässig schnell. Beim Dreschen im Tutorial konnte ich innert kurzer Zeit einen Helfer einstellen. Ich kann mir nicht vorstellen, ein gesamtes Feld zu dreschen. Da sitze ich ja 20, 25 Minuten vorm Notebook und mache im Grunde genommen nichts. Wie öde!
Todesstoss
Auch mit der an sich coolen Steuerung würde ich es nicht aushalten, längere Zeit ein Feld zu bearbeiten. Trotzdem mache ich mich auf zum nächsten Bauern, um einen etwas längeren Auftrag anzunehmen. Dieses Mal soll ich das Feld ernten. Dafür gibt mir mein netter Nachbauer über 220 Minuten Zeit. Ich bin sprachlos! Soll ich jetzt tatsächlich über dreieinhalb Stunden mit der Erntemaschine das Feld auf und abfahren?

Ich soll! Schliesslich bin ich im Selbstversuch und muss meinen inneren Schweinehund überwinden. Also setze ich mich ans Steuer der Erntemaschine. Obwohl ich erklärter Gegner von Foodwaste bin, nehme ich es mit der Ernte nicht so ernst. Wenn ich das Feld ausnahmsweise nicht so exakt abfahre und was auf dem Boden bleibt, ist mir das egal. Digital Foodwaste ist glücklicherweise noch kein Thema.

Nach dem vierten Mal Feld abfahren, stütze ich mein Kinn bereits auf dem Lenkrad ab. Gerade mal zehn Minuten bin ich dran. Wie können das Menschen nur? Anstatt mich meinen Gedanken hinzugeben und abzuschalten, werde ich nervös. Entschleunigung geht anders. Mein Bein beginnt von selbst zu wippen. Restless-Legs-Syndrom und so. Habe ich sonst eigentlich nicht, ich kann sehr gut ruhig sitzen und mich dem Nichtstun hingeben. Zusammennehmen und weiter ernten, denke ich mir. Nach weiteren fünf Minuten gebe ich auf.
Einmal Simulation, nie mehr Simulation
Ich kann nicht mehr. Lange habe ich nicht gespielt. Wohl maximal zwei Stunden. Es fühlt sich aber an wie eine Ewigkeit. Simulationen waren und sind einfach nichts für mich. Langeweile ist da Programm. Und ich spiele leidenschaftlich gerne JRPGs. Ich weiss also was Langeweile in Videospielen bedeutet.
Vielleicht liegt's daran, dass ich in Computerspielen in eine andere Welt eintauchen und etwas erleben will, das mir sonst verwährt bleibt? Zugegeben, dass ich mal Traktorfahre, ist ziemlich unwahrscheinlich. Viel unwahrscheinlicher ist aber, dass ich mit einer Laserwaffe auf Alienjagd gehe oder auf dem Spielplatz in Sektor 6 das Höllenhaus mit meinen Feuerzaubersprüchen reize. Es gibt wohl zwei Arten von Menschen: Jene die Simulationen mögen und jene, die einfach nichts damit anfangen können. Ich gehöre definitiv zum zweiten Typ – auch mit ausgefallener Steuerung.


Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.