Hintergrund

Warum sind Android Updates so eine Katastrophe?

Samsung hat sein neues One UI gezeigt. Das Update darauf lässt aber auf sich warten. Ein Erklärversuch, weshalb Android nicht mehr wie Apple sein kann.

Tim Cook, seines Zeichens CEO Apples, steht auf einer Bühne. Er erzählt von einer neuen Software Version für seine iPhones. Stunden später leuchtet weltweit die rote 1 neben den Einstellungen auf iPhones und iPads auf. Update Time. Auf allen Generationen iPads und iPhones, wohlbemerkt, nicht nur auf den Neuesten.

Derweil drüben bei Android. User rätseln: Kommt das Update? Selbige Updates holpern irgendwie, irgendwann rein, mehr zufällig als koordiniert. Sogar die monatlichen Sicherheitspatches sind so eine Sache. Sätze wie «Da läuft Android 8.1. mit Patch vom August 2018 drauf» fallen in der digitec-Redaktion öfter. Selbst brandneue Phones werden mit veralteten Software-Versionen ausgeliefert.

Samsungs One UI sieht schon mal sehr schick aus
Samsungs One UI sieht schon mal sehr schick aus

«Warum ist das eigentlich so», fragt mich Videoproduzentin Stephanie Tresch vor einem Dreh.

Denn sie will eigentlich Samsungs neues User Interface mit dem Namen One UI testen. Kann das aber nicht, da die Software erst im Beta Stadium ist. Und dann erst in ausgewählten Nationen ausgerollt ist. Für sie als Journalistin mit ewigem Wissensdrang ist so eine Situation unerträglich.

Der Grund: Geld.

Hardware, Software und Geld

Android ist ein offenes Betriebssystem. Das bedeutet, dass du dir den Source Code Androids gratis herunterladen kannst und dann tun und lassen kannst, was du willst. Für dich als Privatnutzer ergibt das vielleicht wenig Sinn, aber Unternehmen haben sich darauf gestürzt.

Ein kostenfreies Betriebssystem bedeutet, dass weniger Geld in die Entwicklung gesteckt werden muss.

Trotzdem haben sie Anpassungen gemacht, denn Android ist mehr als Plattform denn als fertiges Betriebssystem zu verstehen. Android kann alles Mögliche und lässt Nutzer viel beeinflussen. Firmen drücken allem gerne ihren Namen auf. Hinten auf dem Red Hydrogen One leuchtet gross das rote Logo des Kameraherstellers. Wenn du ein Huawei Phone aufstartest, dann siehst du aktuell drei verschiedene Animationen, wo die Buchstaben H, U, A, W, E und I auf dem Phone Screen erscheinen. Brand recognition nennt sich das.

Die modulare Kamera des Essential PH-1 braucht besonderen Code und besondere APIs
Die modulare Kamera des Essential PH-1 braucht besonderen Code und besondere APIs

Kombinierst du das mit der gelegentlichen Idee, die etwas besser oder anders macht oder dem Bedarf mit einer Non Standard API zu kommunizieren – das Essential PH-1 mit seiner modularen Kamera, zum Beispiel –, dann muss der Hersteller der Hardware manchmal signifikante Änderungen am Source Code vornehmen.

Änderungen am Source Code bedeutet Engineering, Validierung und Testing. Das bedeutet, dass mehr Geld in die Entwicklung gesteckt werden muss.

Dann gibt es noch die Fälle, wo ein Hersteller, zusätzlich zu den Optimierungen am Code, einfach Dinge verändert hat, weil sie können. Benutzeroberflächen gehören dazu. Samsung ist da historisch Spezialist. Auf alten Versionen ihrer Android ROM, so werden die angepassten Software-Versionen genannt, sind Kernfunktionen Androids und Standard APIs manuell aus dem Code gerissen oder dem User nicht zur Verfügung gestellt worden. Zudem ist die Benutzeroberfläche radikal angepasst worden, damals noch in Blau und Neongrün, heute in Weiss und Blau. Zudem führe ich seit etwa zwei Jahren einen Kampf gegen Huaweis Emui, das die einzige Schwachstelle in ihren diesjährigen Phones und einfach nur hässlich und klobig ist.

Anpassungen der Benutzeroberfläche bedeuten, dass mehr Geld in die Entwicklung gesteckt werden muss.

Use Cycle vs. Development Cycle vs. Budgetziele

Wenn Google ein Android-Update veröffentlicht, dann ist die Industrie in Zugzwang. Denn Nutzer wollen das neueste des Neuen auf ihren Phones. Immerhin hast du bis zu 1000 Franken in dein neues Phone ausgegeben.

Als erstes müssen die Hersteller darauf warten, dass die Chiphersteller wie Qualcomm – deren Snapdragon Systems-on-a-Chip (SoC) den de facto Standard der Industrie darstellen – den Code ihrer Hardware anpassen, damit sie mit der neuen Software kompatibel ist. Sobald das geschehen ist, können die Coder aus dem Hause des Phone-Herstellers ans Werk.

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Je nachdem, wie stark der Hersteller seine Android ROM angepasst hat, dauert es länger, bis Anpassungen an die APIs gemacht werden können. Jedes bisschen, das nicht standardmässig unterstützt wird, muss neu in den Code geschrieben werden. Dann wieder Validation und Testing, denn kein Hersteller will einem Käufer Software geben, die nicht funktioniert. Das PR-Desaster wäre nicht auszudenken. Dieser Prozess geht nicht immer gleich lang, aber er dauert halt.

API-Anpassungen und all die anderen Edits am Code kosten Geld.

Wenn du dir ein Phone kaufst, dann gehst du davon aus, dass du dir etwa zwei Jahre lang kein neues mehr kaufen wirst. Es sei denn du hast «catastrophic failure», was Fachsprech für «Das Scheissteil ist mir runtergefallen und kaputtgegangen» ist.

Ein Hersteller aber hat kein Interesse daran, wirtschaftlich gesprochen, dass du dein Phone lange behalten wirst. Huawei hat im laufenden Jahr zwei Flaggschiffe veröffentlicht, Samsung ebenfalls, Sony hat das XZ3 Tage nach der Markteinführung des XZ2 angekündigt und LG hat gefühlte 27 Versionen seines V30 auf den Markt geschmisssen.

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Da du aber bereits ein Phone besitzt, wirst du viele dieser Phones ignorieren. Warum solltest du die auch beachten? Denn zweimal im Jahr 1000 Franken für ein Handy auszugeben, ist idiotisch. Ausser «catastrophic failure». Dann kannst du dir das mal überlegen, auch wenn es weh tut.

Software Updates sind gratis. Daran verdient keiner Geld. Eine der Spielregeln Androids ist sogar, dass du kein Geld für die Distribution Androids verlangen darfst.

Geld macht der Hersteller also nur mit Hardware.

Engineering kostet Geld. Updates bringen aber kein Geld und neue Geräte, mit denen Geld gemacht werden kann, sind nur wenige Monate entfernt. Daher insvestieren Hersteller so wenig wie möglich in Code-Anpassungen für alte Geräte, selbst wenn du meinst, dass dein zwölf Monate altes Handy noch topmodern ist.

Hersteller schmeissen ihre hellen Engineers-Köpfe lieber an die Anpassung des Codes für neue, schöne Geräte, die dann wieder Geld in die Kassen spülen. Denn jedes Unternehmen, egal wie gross, hat Budgetziele, die sie am Ende des Jahres erreichen müssen.

Darum wartest du auf deine Updates.

Google hat die Schnauze voll davon

Android-Mutterkonzern Google, oder dessen Holding Alphabet, findet das mittlerweile nicht mehr so cool. Denn Google bringt neue Versionen der Software nicht auf den Markt, damit Hersteller mit ihr User erpressen. Wenn einer irgendwen erpresst, dann Google. Dazu hat der Konzern, dessen Motto schon länger offiziell nicht mehr «Don't Be Evil» ist, drei Initiativen ins Leben gerufen. Denn neu ist das Motto «do the right thing», was auch immer das sein mag.

So haben die grossen Konzerne mit Google sogenannte Original-Equipment-Manufacturer-Verträge abgeschlossen, OEM-Verträge genannt. Darin verpflichten sich die OEMs, gewisse Richtlinien einzuhalten. Darunter ist die Anforderung, zwei Buchstaben-Upgrades zu gewährleisten. Sprich, Huawei muss, sollte der Konzern den Vertrag unterzeichnen, auf einem Handy, das mit Android P ausgeliefert wird, auch Android Q und R, also die zwei Folgeversionen der Software, ausliefern.

Dazu hat Google im vergangenen Jahr versucht, Android komplett zu restrukturieren. Das ganze nennt sich Project Treble und macht Schluss mit den Anpassungen der Hardware. Sprich: Die Chiphersteller sind aus dem Schneider. Diese APIs laufen einfach mit Android mit, komme was wolle. Daher kann der OEM dann sofort wüten. Das hat den Vorteil, dass du als Nutzer schneller zu deinem Update kommst und der Chiphersteller Geld sparen kann, wenn er Treble bedient.

BQ ist aktiv an der Entwicklung Android Ones beteiligt
BQ ist aktiv an der Entwicklung Android Ones beteiligt
Quelle: Stephanie Tresch

Variante drei nennt sich Android One, ehemals Android Go. Google hat eine Version Androids geschaffen, die in den Grundfesten an Apples Betriebssystem iOS erinnert. Im Wesentlichen hat Google eine Android Distro gebaut und gesagt «Wer will die?» Alle Hersteller, die mit «Hier! Ich!» geantwortet haben müssen beim Hardware Design nur bestimmte Schnittstellen bedienen und dann läuft Android One. Mit Treble Support sind die Updates hier schnell und unkompliziert, bedürfen keiner längeren Geschichte, bis das Update kommt, sondern können wie bei Tim Cooks Softwareschmiede, sofort global ausgerollt werden. Hersteller, die sich Android One verschrieben haben, sind unter anderem Nokia und BQ. Letzterer aber macht sich einen Namen dadurch, dass sie eng mit Google an der Weiterentwicklung Ones arbeiten.

So. Fertig. Ich will übrigens gar nicht über die Idee nachdenken, dass die Upgrades in kaufstärkeren Gegenden zurückgehalten werden könnten, nur weil dort die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sich User ein neues Phone kaufen.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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