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VCF: Lochstreifen, Plotter und piepsende Flimmerkisten
Meine Eindrücke des Vintage Computer Festival in Zürich, Ausgabe 2023 – auf Lochstreifen gespeichert. Naja, fast.
Ist Retro en vogue? Oder lag es am trüben Novemberwetter? Oder gar an Kollege Martin Juds Vorankündigung? Jedenfalls war das Vintage Computer Festival (VCF) Ausgabe 2023 gut besucht. Es wurde eng im Kraftwerk Selnau in Zürich.
Zurecht – die Ausstellung gab einiges her und bot eine gute Mischung. Erwartungsgemäss sah ich Vintage-Klassiker wie den Commodore C64, den Amiga 500, Atari- und IBM-PCs oder den guten alten Würfelmac. Aber auch Rechenmaschinen aus dem 19. Jahrhundert, die Chiffriermaschine Enigma und viele Computer, von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Etwa das an der ETH Zürich entwickelte System Lilith. Oder «portable» Computer mit Tastatur, Röhrenbildschirm und Drucker. Portabel können sie sich nur deswegen nennen, weil sie in einen riesigen Koffer eingebaut sind.
Vieles davon konnten die Besucherinnen und Besucher selbst ausprobieren. Am Eingang standen eine Reihe kleiner Aufgaben zur Wahl, sogenannte Challenges. Jeder A5-Zettel enthielt eine leichte, eine mittlere und eine schwere Aufgabe.

Quelle: Armin Tobler
Arbeiten mit einem IBM-PC
Also rein ins Getümmel. Ich versuche mich an einer mittelschweren Aufgabe, die sich leicht anhört: «Erstelle mit Lotus 1-2-3 eine Grafik der geschätzten Besucherzahl des VCF in den letzten fünf Jahren und bring sie zu Papier mit einem Pen-Plotter.»
Ich setze mich also an einen IBM-PC von 1981 und starre eine grüne Tabelle auf schwarzem Hintergrund an. Nur schon das Ausfüllen der Zellen kostet mich mehrere Minuten. Danach komme ich nicht mehr weiter. Ich erfahre von einem der Aussteller, dass ich die Backslash-Taste drücken muss, um einen Befehl eingeben zu können. So kann ich aus den eingegebenen Daten ein Balkendiagramm erstellen lassen. Dieses muss ich dann abspeichern und Lotus verlassen. Denn ausgedruckt wird die Grafik mit einer anderen Anwendung. Ohne Anweisungen hätte ich das nie geschafft.

Quelle: Armin Tobler
Ausgedruckt ist nicht das richtige Wort für das, was jetzt kommt. Der Pen-Plotter zeichnet die Grafik fast wie ein Mensch das tun würde – bloss etwas schneller und präziser. Es macht Spass, ihm zuzuschauen. Bis alle Balken fertig schraffiert sind, dauert es eine ganze Weile. Am PC kann ich währenddessen nichts tun, was aber egal ist – ich wüsste sowieso nichts damit anzufangen.

Quelle: Armin Tobler
Lochstreifen: What you see is what you stored (WYSIWYS)
An einem anderen Stand tippe ich einen Text auf einem Terminal ein, der nicht am Bildschirm angezeigt, sondern als Code auf einen Lochstreifen gestanzt wird. Der Streifen wird anschliessend an einer anderen Maschine wieder eingelesen, und danach erscheint mein zuvor getippter Text auf dem Bildschirm.

Quelle: Armin Tobler
Auf dem Streifen ist die extrem wichtige Information «digitec was here» gespeichert. Jede Spalte ist ein Buchstabe, oder besser gesagt: ein Byte. Bestehend aus 8 Bit: ein Loch ist ein 1, kein Loch ist eine 0.

Quelle: Armin Tobler
Nostalgie kommt bei mir keine auf, für Erinnerungen an Lochstreifen bin ich zu jung. Faszinierend finde ich es trotzdem: Ich sehe die gespeicherten Daten und kann sie sogar erfühlen. Es heisst ja immer, digital sei nicht sinnlich, aber hier stimmt das nicht.
Apple Lisa war zu interessant
Ein weiteres Highlight des Festivals: der Apple Lisa. Er ist der Vorläufer des Ur-Macintosh, die Desktop-Oberfläche sieht ähnlich aus. Kommerziell war er ein Flop, weil viel zu teuer, aber technisch ein Meilenstein. Die Challenge kann ich nicht machen, weil das Gerät ständig besetzt ist. Stattdessen setze ich mich an den Macintosh nebenan mit einem Bildschirm im A4-Hochformat. Diese Konfiguration war in den 80er-Jahren das Non-Plus-Ultra des Desktop-Publishings. Ich spiele darauf Crystal Quest. Im Querformat.
2024 hole ich den Rest nach
Das waren nur drei von vielen Erfahrungen, die möglich gewesen wären. Ich hätte eine Webseite im Stil der 90er-Jahre basteln oder wie an einer 90er-LAN-Party gamen können. Oder mich an C64-Synthesizer-Musik heranwagen. Vieles davon braucht aber neben Zeit auch Vorwissen – oder persönliche Betreuung. Letzteres war bei den vielen Besuchern nicht immer möglich. Vielleicht kann ich einiges davon 2024 nachholen. Vintage Computer veralten schliesslich nicht – sie reifen.
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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.