
Hintergrund
Der Horrorfilm, der so schrecklich ist, dass du eine Schreck-Verzichtserklärung unterschreiben musst
von Dominik Bärlocher
Jason Statham versus Urzeithai verspricht Actionkino vom Feinsten. Der Film selbst ist zwar unterhaltsam, aber fällt flach. Spannender ist der Megalodon im Film. Denn The Meg ergibt evolutionär absolut keinen Sinn.
Das kleine Mädchen schaut aus dem Fenster der chinesischen Unterseebasis. Ein gigantisches graues Vieh blickt mit kalten Augen von draussen hinein: Der Megalodon. Der grösste Hai, der je existiert hat, aber seit zwei Millionen Jahren ausgestorben ist. Jetzt ist das Monster wieder da und frisst sich durch Badegäste und U-Boot-Besatzungen. Ihm gegenüber stellt sich Actionheld Jason Statham.
Eigentlich wäre der Film ein Rezept für den Erfolg. Denn nur schon die Idee «Jason Statham dropkickt einen Haifisch» ist Grund genug, ein Kinoticket zu kaufen. Dazu ein Bier und Popcorn. Perfekter Abend. Das Problem: Im fertigen Film dropkickt Jason Statham keine Haifische. Stattdessen gibt es da eine Menge Menschen im Film, die nicht Jason Statham sind und über irgendwelches Zeug reden anstatt irgendwen oder irgendwas zu dropkicken. Dazu die aggressive Chinesische Selbstvermarktung in Hollywoodfilmen.
Noch schlimmer aber ist das Verständnis der Drehbuchautoren Dean Georgaris, Jon und Erich Hoeber. Warum hat der Film drei Autoren und eine Buchvorlage? Besagte Buchvorlage macht übrigens all das richtig, was der Film falsch macht. Denn Georgaris und die Hoebers haben keine Ahnung von Natur, Evolution und der Realität. Buchautor Steve Alten hingegen hat sich tatsächlich Gedanken zur Zeit und zur Evolution gemacht.
In «The Meg» geht der Plot irgendwie so: Im Marianengraben, dem tiefsten Punkt der Erde, gibt es noch ein Tal, das von einer undurchdringlichen Wolke Schwefelwasserstoff überdeckt wird. Daher hat sich im Marianengrabental im Laufe der Jahrmillionen ein eigenes Ökosystem aufgebaut. Da die Viecher da unten keinen Bock auf Schwefelwasserstoff haben, bleiben sie in absoluter Dunkelheit da unten. Bis dann die Ozeanographen der chinesischen Unterseestation daherkommen und die Wolke mal schnell durchdringen.
Sie leuchten im Tal herum und machen natürlich all das auf sich aufmerksam, was seit Jahrmillionen kein Licht gesehen hat. Darunter den Megalodon.
Haie im uns bekannten Meer haben sich seit Millionen von Jahren nicht weiterentwickelt. Die Evolution hat aber keine Pause gemacht, denn gegen den Prozess der Evolution kann sich kein Lebewesen wehren. Im Laufe der Generationen passen sich Organismen ihrer Umwelt an. Menschen aus Nepal haben Lungen, die besser mit der dünnen Luft in den Bergen klarkommen. Blindschleichen haben auf ihre Beine verzichtet, da sie schlicht keine Verwendung mehr für sie hatten. Die Evolution fügt nicht nur Features zu einem Organismus hinzu, sondern nimmt sie auch weg, wenn kein Bedarf mehr besteht.
Genau das ist es, was den Megalodon in «The Meg» nicht getroffen hat. The Meg sieht im Wesentlichen aus wie ein grosser Hai. Falsch. Im Buch ist The Meg schneeweiss und leuchtet. Das ist es, was Evolution tut. Haie sind am Rücken grau und am Bauch weiss, da sie selten mit dem Bauch nach oben schwimmen und Pigmentierung nichts anderes ist als interner Sonnenschutz. Daher verbrennen blasse Menschen schneller als Dunkelhäutige. Graue Haie schützen sich so vor der Sonne. Tiefseefische wie der Gespensterfisch, die in 400 bis 2500 Metern Tiefe leben, sind teilweise oder gar ganz transparent.
Daher: Steve Altens Meg ist weiss. Dazu hat das Biest Biolumineszenz entwickelt und leuchet so im Dunkeln. Das natürliche Leuchten ist in der Tiefsee extrem verbreitet und dient nebst dem Anlocken von Beute auch der Kommunikation zwischen Tieren. Der Prozess übrigens wird von zwei Stoffen dominiert: Luciferin, einer lichtproduzierenden Substanz, und dem Enzym Luciferase. Die Stoffe werden bewusst oder unterbewusst vom Tier aktiviert und dann leuchtet es.
Einen ganz weissen Hai zu animieren, der auch noch im Dunkeln leuchtet, war laut einem Trivia Item im Filmlexikon IMDB zu komplex zu animieren. Daher ist der Megalodon grau. Dem widerspricht Visual Effects Supervisor Adrian de Wet im Fachmagazin VFXvoice:
Die Kreatur wird im Buch als Albino-Version eines gigantischen weissen Hais beschrieben. Aber das war überhaupt nicht das, was Regisseur Jon Turteltaub wollte. Er wollte etwas, das prähistorisch aussieht. Und auch wenn es Sinn ergibt, dass der Hai blind und albino ist nach all den Jahrtausenden in der totalen Finsternis 10 Kilometer unter Wasser, war Jon der Auffassung, dass das nicht zu seiner Vision passt. Er wollte etwas, das knorrig aussieht, mit Textur, aggressiv, mies gelaunt und finster – definitiv nicht einen weissen Hai.
Selbst wenn die Animatoren der Produktion die Evolution in grossen Teilen missachtet haben, haben sie dann doch daran gedacht, dass The Meg irgendwie da unten überleben muss. In der Tiefsee ist das Wasser weniger mit Sauerstoff gesättigt. Dazu ist im Film noch die lästige Wolke aus Schwefelwasserstoff.
Regisseur Jon Turteltaub gibt dem Filmmagazin Cinema Review gegenüber an, dass die Produktion darauf geachtet habe, nicht einfach nur einen grossen weissen Hai noch grösser zu machen. «Wir haben unserem Meg mehr Kiemen gegeben, da wir uns gedacht haben, dass die Evolution dem Tier in der sauerstoffarmen Tiefsee mehr Kiemen gegeben hat.»
Dann aber geht der Film direkt wieder gegen die Evolution. In Steve Altens Buch jagt The Meg nur bei Nacht. Der Grund: Da der Megalodon in der Tiefsee in beinahe absoluter Dunkelheit lebt und jagt, haben sich die Augen des Tieres an die Finsternis gewöhnt und sind extrem lichtempfindlich.
Im Film aber frisst sich der Megalodon durch einen Strand bei strahlendem Sonnenschein.
All das ist ja schön und gut, aber The Meg würde ohnehin platzen wie ein Luftballon. Das besagt zumindest eine Theorie. Denn Tiefseefische tun sich etwas schwer mit der Reise nach oben. Es gibt zwar Tiefseefische, die in flachem Wasser überleben und sogar gesund sind, aber Meeresbiologen haben grösste Schwierigkeiten, diese in unseren Gefilden zu halten. Schwimmblasen platzen, Zellen destabilisieren und was unter Wasser noch eine schöne rote Seegurke war, wird zu einer roten Suppe.
Am schwierigsten haben es Fische mit einer Schwimmblase. Dies betrifft aber im Wesentlichen nur Knochenfische. Denn wenn die keine Schwimmblase hätten, dann würden sie einfach sinken. Das Organ ist mit Luft gefüllt und sorgt für Stabilität im Wasser und eine stabile Tauchtiefe. Wenn der Fisch auftaucht, dann passt sich die Schwimmblase an, stösst Luft aus oder nimmt sie ein. Das braucht Zeit. Wenn das Auf- oder Abtauchen zu schnell geht, dann drückt die Schwimmblase, in der sich der Sauerstoff unkontrolliert ausdehnt, die Organe zur Seite. Das Herz hört auf zu schlagen. Der Fisch stirbt.
Haie aber gehören nicht zu den Knochenfischen. Sie sind Knorpelfische. Haie müssen immer in Bewegung bleiben, um nicht einfach zu sinken. Dazu haben sie keine beweglichen Kiemen, sondern Kiemenschlitze. Diese saugen kein Wasser ein, aus dem der Fisch Sauerstoff zur Atmung gewinnt. Sie müssen es durch die Schlitze spülen. Sobald ein Hai anhält, erstickt er.
Das Fehlen der Schwimmblase in Haifischen oder dem Megalodon heisst aber nicht, dass das Tier den schnellen Aufstieg zum Snack am Strand einfach so wegstecken würde. Denn auch ein Megalodon oder ein anderer Tiefseefisch hat Sauerstoff im Blut. Also würde beim Megalodon, einem theoretischen Fisch, die theoretische Möglichkeit bestehen, dass er beim Aufstieg theoretisch explodieren würde.
Am Ende wäre der Unterschied im fertigen Film klein: Jason Statham würde immer noch keinen Haifisch dropkicken und andere Leute würden nach wie vor über irgendwelchen Blödsinn quasseln und keine Haie treten.
Ich mache das selten, aber die See und Gewässer sind mir persönlich wichtig. Haie unter anderem auch, da sie nicht nur einen extrem schlechten Ruf geniessen, sondern auch noch vom Aussterben bedroht sind. Daher unterstütze ich gerne eine NGO namens Shark Trust. Die Organisation versucht, mit Aufklärung, Forschung, Influencing, Politik und direkter Aktion ein gesundes und ausgeglichenes marines Ökosystem zu schaffen, in dem Haie und andere Meerestiere nachhaltig leben können.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.