20th Century Studios
Kritik

«The Amateur»: erstaunlich abgeklärt für einen «Hobby-Spion»

Patrick Vogt
10.4.2025

«The Amateur» mit Rami Malek in der Hauptrolle ist ein Rache-Thriller im Spionage-Kleid. Entgegen dem Titel sind hier lauter Profis am Werk, sowohl hinter als auch vor der Kamera. Das lässt den Film etwas gar routiniert wirken – um nicht zu sagen, generisch.

Disclaimer: Die folgende Filmkritik enthält keine Spoiler. Ich verrate dir nicht mehr, als ohnehin schon bekannt und in den Trailern zu sehen ist.

Action, Spionage, Rache – Filme mit einer oder mehreren dieser Zutaten liefen früher zuhauf im Kino. Inzwischen hat sich der Kampf ums Publikum aufs Sofa im Wohnzimmer verlagert. Heute buhlen Netflix, Prime Video und Konsorten mit Eigenproduktionen wie «The Electric State» oder «The Gray Man» um möglichst gute Streamingzahlen.

Vor diesem Hintergrund mag es fast schon etwas überraschen, dass «The Amateur» den Kinostart wagt. Und auch wenn mich der Film nicht restlos zu überzeugen vermag, hat er die grosse Leinwand meines Erachtens durchaus verdient.

Darum geht’s in «The Amateur»

Charlie Heller (Rami Malek) arbeitet als Decoder für die CIA. So schlafwandlerisch sicher er Daten entschlüsselt, so ungelenk ist er im Umgang mit anderen Menschen. Ausser mit seiner Frau Sarah (Rachel Brosnahan), die er über alles liebt. Als Sarah in London von Terroristen getötet wird, bricht Charlies heile Welt zusammen. Für ihn ist klar: Ihre Mörder müssen aufgespürt und zur Rechenschaft gezogen werden. Weil seine Vorgesetzten bei der Aufklärung der Tat nicht wirklich in die Gänge kommen oder vielmehr kommen wollen, nimmt Charlie die Sache selbst in die Hand. Die Starthilfe dafür erpresst er sich von der CIA mit Dokumenten, die er nie hätte sehen dürfen. Und so heftet sich Charlie schon bald an die Fersen derer, die für den Tod seiner Frau verantwortlich sind. Doch wer ist in diesem Katz-und-Maus-Spiel überhaupt die Katze und wer die Maus? Und wie viele Katzen gibt es überhaupt?

Charlie liefert Beweise, doch sein Vorgesetzter zögert.
Charlie liefert Beweise, doch sein Vorgesetzter zögert.
Quelle: 20th Century Studios

Wer hatte noch nie Rachegelüste?

Rache als Triebfeder für Handlungen ist ein allseits beliebtes Motiv, auch im Kulturschaffen. Davon zeugen unter anderem griechische Tragödien («Orestie»), Romane («Der Graf von Monte Christo«), Serien («Revenge») oder eben Filme («Death Wish»). Warum ist das so? Ich behaupte, der Gedanke daran, ein erlittenes Unrecht zu sühnen, ist grundsätzlich tief in uns allen verankert, wenn wir Moral und Ethik mal aussen vor lassen. Deshalb stehen wir emotional viel näher bei der Figur, die sich rächt, als bei derjenigen, die das Unrecht begangen hat.

Diesem zutiefst menschlichen Archetyp bedient sich nun also auch «The Amateur». Doch so sehr ich Charlies Antrieb für seine Handlungen nachvollziehen kann, so spärlich wird er mir von seinem Darsteller Rami Malek vermittelt. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen wirkt Charlie auf mich betont gefühlsarm. Und so verfolge ich seine Handlungen lediglich mit, ohne mitzufiebern, geschweige denn mich emotional verbunden zu fühlen. Liegt es daran, dass er inselbegabt ist, eine Autismus-Spektrum-Störung hat? Dieser Eindruck drängt sich mir zumindest auf. Eine Antwort darauf liefert der Film nicht. Was vielleicht besser ist. Denn so würden womöglich nur noch mehr Fragen aufkommen.

Hier sind Sarah und Charlie noch glücklich vereint.
Hier sind Sarah und Charlie noch glücklich vereint.
Quelle: 20th Century Studios

So viele Möglichkeiten, so wenig daraus gemacht

Das heisst nicht, dass Oscargewinner Rami Malek («Bohemian Rhapsody») einen schlechten Job macht. Er trägt den Film und ist praktisch in jeder Einstellung sehr präsent. Dass er nicht sein gesamtes Schauspieltalent entfalten kann, ist wohl einfach seiner Rolle als Charlie geschuldet. Dem restlichen Cast ergeht es nicht viel besser, hier wurde tonnenweise Talent vergeudet.

Rachel Brosnahan («The Marvelous Mrs. Maisel») als Charlies Frau Sarah und Julianne Nicholson («Paradise») als CIA-Director sind bestenfalls Randfiguren, Jon Bernthal («Punisher») wird komplett verschenkt. Am ehesten zur Geltung kommen noch Laurence Fishburne («The Matrix») und Holt McCallany («Mindhunter»). Doch auch ihre Protagonisten erhalten kaum oder keine Tiefe. Das macht es schwer, ihr Tun und ihre Motivation nachzuvollziehen. Schade.

Nein, ich will meine Krankenkasse wirklich nicht wechseln!
Nein, ich will meine Krankenkasse wirklich nicht wechseln!
Quelle: 20th Century Studios

Drehbuch und Inszenierung

Verantwortlich für die mangelnde Schärfe der Charaktere ist in der Regel das Drehbuch. Dass dieses die Tiefe generell scheut, offenbart «The Amateur» auch an anderen Stellen. So tun sich im Handlungsverlauf doch einige Plot Holes auf, die mich fragend zurücklassen. Konkreter kann ich nicht werden, weil ich sonst spoilere. Raum für etwas mehr Tiefgang und Erklärung wäre auf jeden Fall vorhanden gewesen, dauert der Film doch gute zwei Stunden (123 Minuten). So kommt mir das etwas gar lang vor.

Handwerklich kann man Regisseur James Hawes nichts vorwerfen. «The Amateur» ist nach «One Life» mit Anthony Hopkins erst sein zweiter Kinofilm. Zuvor hatte der Brite bei Fernsehproduktionen wie «Slow Horses» Regie geführt.

Das gab’s doch schon mal

«The Amateur» ist ein Remake, basiert wie das Original von 1981 auf dem gleichnamigen Spionage-Thriller des US-amerikanischen Schriftstellers Robert Littell. Ich habe weder das Buch gelesen noch das Original gesehen. Ausgehend vom Trailer kann ich nur sagen: Das sieht schon schwer nach 1981 aus.

So finden sich auf Anhieb einige Parallelen zwischen Original und Remake, sei es bei der Grundhandlung oder einigen Namen. Ein grosser Unterschied ist zweifellos, dass «The Amateur» im Hier und Heute angesiedelt ist. Die zeitgenössische Inszenierung tut dem Plot gut und eröffnet dem Hauptprotagonisten viele neue Möglichkeiten (ich sage nur YouTube-Tutorial …).

Die Action in «The Amateur» mag für manche etwas zu kurz kommen, ich empfinde sie als wohldosiert und stimmig. Sie passen auch zu einem Protagonisten, der zwölfmal nachdenkt und plant, bevor er etwas tut. Ich sag’s mal so: Es kracht nicht ständig. Aber wenn es kracht, dann ordentlich und effekttechnisch einwandfrei! Nur schon die Pool-Szene aus dem Trailer in voller Länge und auf der grossen Leinwand zu sehen, ist für mich den halben Kinoeintritt wert.

Besagte Pool-Szene hat es wirklich in sich.
Besagte Pool-Szene hat es wirklich in sich.
Quelle: 20th Century Studios

Fazit

Solider Spionage-/Rache-Thriller mit Längen und Löchern

«The Amateur» erfindet das Rad nicht neu, weder im Rache- noch im Spionage- oder Action-Genre. Aber muss er das überhaupt? Irgendwie haben wir doch sowieso alles schon mal gesehen (denken wir zumindest). Genau da knüpft dieser Film an, indem er Altbekanntes mit einigen neuen Einfällen verwebt. Und so kommt am Schluss doch wieder etwas Eigenständiges heraus, das sich durchaus sehen lassen kann.

Das klingt so durchschnittlich wie «The Amateur» ist. Nicht auszudenken, was mit diesem brillanten Cast, einem besseren Drehbuch und einer etwas kürzeren Laufzeit möglich gewesen wäre.

Im Film wird Charlie gesagt, dass er kein Killer sei. «The Amateur» ist es auch nicht. Leider.

Titelbild: 20th Century Studios

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Ich bin Vollblut-Papi und -Ehemann, Teilzeit-Nerd und -Hühnerbauer, Katzenbändiger und Tierliebhaber. Ich wüsste gerne alles und weiss doch nichts. Können tue ich noch viel weniger, dafür lerne ich täglich etwas Neues dazu. Was mir liegt, ist der Umgang mit Worten, gesprochen und geschrieben. Und das darf ich hier unter Beweis stellen. 


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