
Hintergrund
Alte Fotos digitalisieren – so hat es bei mir geklappt
von David Lee
Mit einem Makro-Objektiv und einer passenden Halterung kannst du Fotos auf Filmstreifen abfotografieren und so digitalisieren. Ich habe das ausprobiert und vergleiche die Methode mit dem klassischen Einscannen.
Mein Beitrag zum Einscannen von alten Fotos auf Negativen stiess auf ziemlich grosses Interesse. Ich benutzte damals den Flachbettscanner Epson Perfection V600. Der kostet weniger als 300 Franken, also habe ich ihn mir kurzerhand gekauft.
Der Scanner hat allerdings einen Nachteil: Er ist gross. Seit ich den auf dem Schreibtisch habe, habe ich ein Platzproblem. Und ich benutze ihn ausser für die Negative eigentlich nie. Daher bin ich hellhörig geworden, als ich von diesem Ding namens Nikon ES-2 erfuhr. Das ist eine Vorrichtung, die es ermöglicht, Foto-Negative oder Dias vor einem Makro-Objektiv zu fixieren und abzufotografieren.
Das Nikon ES-2 kann bei Nichtgebrauch zerlegt und in einer Schublade verstaut werden – das Platzproblem wäre gelöst. Daneben hat das Fotografieren auch den Vorteil, dass es viel schneller geht. Ein Scan dauert mehrere Minuten pro Foto. Einen 36er-Film komplett einzuscannen beansprucht mehrere Stunden.
Doch auch das Scannen hat seine Vorteile. Die «Digital ICE»-Technologie» verdoppelt zwar die ohnehin schon lange Scanzeit, eliminiert aber sehr sauber und zuverlässig Kratzer und Staub auf dem Negativ. Ausserdem liefert der Scanner bereits eine Software mit, welche Farben, Schärfe und Kontrast der Negative automatisch optimiert.
Es gibt auch Negativ-«Scanner», die eigentlich keine Scanner sind, sondern Kameras. Auch sie brauchen wenig Platz. Doch die Qualität dieser teilweise sehr günstigen Produkte soll nicht die beste sein. Mit einer Spiegelreflexkamera dürfte das deutlich besser herauskommen.
Hier noch ein Hinweis von Captain Obvious: Der Adapter von Nikon ist für dich nur nützlich, wenn du eine Nikon-SLR hast und ein passendes Makro-Objektiv.
Das Set Nikon ES-2 besteht aus:
Die Anleitung ist ein sehr knapp gehaltener Faltprospekt, der mich etwas ratlos zurücklässt. Ich erfahre darin, wie ich das Set zusammenschraube, was ich aber auch ohne Anleitung geschafft hätte. Eine Angabe, welcher Adapter wofür ist, welche Objektive wie benützt werden können oder auch nur der leiseste Hinweis, mit welchen Einstellungen eine solche Aufnahme gemacht werden sollte? Nö.
Meine Erkenntnisse bislang:
Nun versuche ich herauszufinden, wie ich vorgehen muss beim Abfotografieren der Negative. Der Faltprospekt hüllt sich wie gesagt in vornehmes Schweigen.
Ich fotografiere nun also Fotos. Absurd wäre dies nur, wenn ich dazu meine Filmkamera nehmen würde (was theoretisch ginge). Hier hingegen bin ich auf sinnvoller Mission. Hallo, mein Name ist David, und beruflich fotografiere ich Fotos.
Aber mit welchen Einstellungen? Ich nehme mal 100 ISO und F8, da diese Werte die beste Bildqualität bieten. Die Belichtungszeit stelle ich auf automatisch. Verwackler sind auch ohne Stativ praktisch ausgeschlossen, weil sich die (sehr leichte) Halterung ja mit der Kamera mitbewegt. Die Blende sollte sicherlich nicht allzu weit offen sein, weil die Filmstreifen nie hundertprozentig flach in der Halterung liegen. Auf diese kurze Distanz wäre die Schärfentiefe bei offener Blende so gering, dass das ein Problem geben könnte.
Die Kamera-Automatik ist nicht für Negative ausgelegt und neigt dazu, zu wenig lange zu belichten. Je nach Stärke der Lichtquelle setze ich die automatische Belichtungskorrektur auf +1.0 bis +2.0 EV. Das Histogramm zeigt mir, ob ich noch im grünen Bereich bin.
Vor dem Test wurde ich gewarnt, dass ich ein Leuchtpult oder einen Blitz mit Streulichtblende benötige. Die ES-2 hat allerdings ein Milchglas vorne dran, welches das Licht meiner Meinung nach genügend diffundiert. Es genügt eine regelmässige, helle Lichtquelle. Neonröhren sind weniger geeignet, weil sie flimmern. Wenn schon, dann musst du den Flimmer-Ausgleich aktivieren. Im Menü der Nikon D7500 findest du das unter Aufnahme > Flimmerreduzierung.
Deaktiviert habe ich auch das «Active D-Lighting». Das dient dazu, Schattenpartien aufzuhellen, was beim Fotografieren in der Sonne praktisch ist, hier aber nicht. Das verringert nur den Kontrast der Negative.
Dass die Fotos scharf werden, sehe ich schon auf dem Kamerabildschirm. Aber ich habe keine Ahnung, ob die Farben okay sind. Ich sehe ja nur das Negativ und muss erst die Farben am Computer umdrehen.
Die Nikon D850 hat als bislang einzige Kamera eine Funktion, die Negative schon in der Kamera korrekt darstellen kann. Das ist vor allem zu Beginn ein grosser Vorteil, weil dann gleich bei der Aufnahme ersichtlich ist, ob alles korrekt ist. Diese in der Kamera korrigierten Fotos lassen sich dann aber nur in JPEG speichern.
Ich musste mein Test-Exemplar der D850 längst zurückgeben, und die Dinger sind generell schwierig zu bekommen. Daher konnte ich die automatische Farbkorrektur nicht ausprobieren.
Weil ich dem Foto in der Kamera nicht ansehe, ob der Weissabgleich stimmt, fotografiere ich im RAW-Format. Da kann ich den Weissabgleich später verlustfrei ändern.
Dieses Bild – hier in der Version des Scanners – dient zum Vergleich der Schärfe beziehungsweise der realen Auflösung. Denn an den Baumzweigen lässt sich das sehr gut ablesen.
Dieser Ausschnitt ist von der Bildmitte. Das Bild des Scans ist klar weniger scharf und zeigt weniger Details.
Der Ausschnitt unten stammt von der Ecke des Bildes. Denn es könnte ja sein, dass die Kamera da Schwächen zeigt wegen der Randunschärfe. Tut sie aber nicht.
Beim Scanner kann ich zwar viel höhere Auflösungen wählen als die hier gezeigte, doch schon mit der jetzigen Pixelmenge hat das Bild mehr Pixel und trotzdem weniger Details als das Bild von der Kamera. Eine noch höhere Scan-Auflösung würde nur die Datei grösser machen, aber nicht die reale Auflösung (Schärfe) des Bildes erhöhen.
Und wie sieht es bei den Farben aus? Nun, beim Scanner habe ich das einfach die Software machen lassen und das hat prima funktioniert. Mit dem Nikon ES-2 geht das natürlich nicht. Daher hängt alles davon ab, wie gut es gelingt, die Farbgebung am Computer richtig einzustellen.
Bei einem Filmnegativ sind nicht nur einfach die Farben umgedreht, sondern das Bild hat einen sehr starken Farbstich ins Orange – die sogenannte Orangemaske. Beim Invertieren der Farben wird daraus ein Blaustich. Ich kann also nicht bloss in Photoshop Ctrl-I drücken und gut ist. Ich muss diesen Farbstich wegbringen. Mein Plan ist, das über den Weissabgleich zu tun.
Wie der Weissabgleich an der Kamera eingestellt ist, spielt im RAW-Format keine Rolle. Beim Öffnen der RAW-Datei setze ich den Wert jeweils aufs Minimum (2000 Kelvin). Das nimmt so viel Orange wie möglich heraus. Auf der Grün-Magenta-Skala empfiehlt sich zudem nach meinen Erfahrungen ein Wert von etwa –20.
Nun öffne ich das Bild und invertiere die Farben. Erst jetzt sehe ich, ob die Farben so ungefähr stimmen. Im RAW-Dialog von Photoshop oder Photoshop Elements ist keine Farbumkehrung möglich.
In Photoshop Elements wähle ich nun einfach die automatische Korrektur für Farbe, Kontrast und Tonwert. Vor allem die Tonwertkorrektur ist wichtig. Das kommt in den meisten Fällen gut. Allenfalls ist noch etwas Feinjustierung nötig. Vorher schneide ich noch die Ränder ab, denn die würden die automatische Korrektur beeinflussen.
Manchmal ist selbst der tiefste Kelvin-Wert immer noch zu hoch, und das Bild immer noch zu bläulich. In diesem Fall speichere ich die Datei als Tiff ab, damit die Farbtiefe erhalten bleibt und öffne es danach im Raw-Konverter (in Photoshop Elements heisst der Befehl dazu «In Camera RAW öffnen»). Nun ist der Farbtemperatur-Regler wieder in der Mitte und ich kann noch weiter in Richtung Gelb steuern.
So bringe ich die Farben also einigermassen schnell einigermassen gut hin. Wenn ich immer die gleichen Weissabgleich-Werte wähle, ist die Farbgebung auch ziemlich konsistent.
Zum Vergleich: dies ist die Farbgebung, die aus dem Scanner gekommen ist.
Wenn ich das bei mehreren hundert Fotos machen muss, drängt sich die Frage nach der Automatisierung auf. Mit Lightroom und Photoshop Elements kann ich fast alle Arbeitsschritte automatisieren, sprich, auf mehrere Dateien anwenden. Nur das Beschneiden der Bilder muss ich bei jedem Foto einzeln machen. So geht's:
Für den Weissabgleich wählst du in Lightroom einfach alle betreffenden Bilder aus und stellst die Regler ein. Um die Farben umzukehren, stellst du die Gradationskurve auf «linear», so, dass sie nur aus einer diagonalen Linie besteht. Nun fasst du den Nullpunkt (unten links) an und ziehst ihn nach oben. Dann greifst du zum Punkt oben links und ziehst den nach unten. Die diagonale Linie ist nun umgekehrt. Falls es bei dir nicht auf Anhieb klappt: das ist leider normal. Gib nicht auf und probier weiter! Wenn du es geschafft hast, speichere die Gradationskurve.
Mit dieser verkehrten Kurve verhalten sich nun die Schieberegler nicht so, wie du das intuitiv erwarten würdest. Es bringt hier auch nichts, mit der Auto-Tonwertkorrektur zu arbeiten. Ich exportiere darum alle Fotos im Tiff-Format (16 Bit). Dadurch erhält das Bild eine normale Gradationskurve.
In Photoshop Elements wähle ich dann Datei > Mehrere Dateien verarbeiten. Im Dialog wähle ich die Auto-Tonwertkorrektur und Konvertierung in JPEG. Du kannst hier auch Kontrast und Farbe korrigieren lassen. Ich finde allerdings, dass gewisse Fotos ohne Farbkorrektur besser aussehen. Nachträglich ausführen kann ich die Farbkorrektur in Einzelfällen immer noch. Rückgängig machen dagegen geht nicht. Drum lasse ich diese Option deaktiviert.
Damit das Bild nicht noch mehr ins Orange dreht als es durch die Filmmaske eh schon tut, schiesse ich die Fotos bei Tageslicht. Tageslicht ist bläulich. Lampenlicht geht jedoch auch, das Orange lässt sich durch die Nachbearbeitung gut herausfiltern. Beachte aber, dass das Ergebnis nicht ganz dasselbe ist, wenn du völlig unterschiedliche Lichtquellen verwendest.
Zwei Vorteile des ES-2 gegenüber dem Scannen waren schon vor dem Test klar: Diese Halterung braucht weniger Platz als ein Flachbettscanner und digitalisiert die Fotos viel schneller. Die Nachbearbeitung ist jedoch aufwendiger als beim Digitalisieren mit dem Scanner. Der produziert dir ein fixfertiges Foto, an dem du nichts mehr ändern musst.
Den Scanner kannst du einfach so verwenden, ohne weiteres Equipment. Für das Nikon ES-2 brauchst du eine Nikon-SLR, ein kompatibles Makro-Objektiv, einen Raw-Konverter und eine brauchbare Bildbearbeitungs-Software. Daher ist auch der Preis nicht direkt mit dem des Scanners vergleichbar. Unabhängig davon finde ich 170 Franken für ein paar Plastikteile recht viel.
Mit der Halterung von Nikon bekomme ich Fotos mit einer höheren realen Auflösung, also mit mehr Detailreichtum. Die Farbgebung bringst du mit wenig Aufwand passend hin. Gegenüber dem Scanner hat die Fotomethode aber den Nachteil, dass Kratzer und Fusseln nicht automatisch entfernt werden.
Für mich wäre darum die Scan-Methode bei alten Fotos die erste Wahl, die Abfotografier-Methode für neue Negative.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.