«Tekken 8»: Mein Beat-em-up-Comeback nach 20 Jahren
Bandai Namco hat den offiziell achten Teil der legendären «Tekken»-Reihe vorgestellt. Fast zwanzig Jahre ist es her, seit ich zuletzt ein Spiel der Reihe zockte – abgesehen von einer gelegentlichen Nostalgie-Runde in einer Arcade-Halle am ungarischen Plattensee. Darum frage ich mich jetzt: Macht das heutzutage echt noch Spass? Ich probiere es aus.
Wir schreiben das Jahr 2004. «Trainergott» Otto Rehagel führt Griechenland zur Fussball-Europameisterschaft, Roger Federer erobert Platz 1 der Herren-Tennis-Weltrangliste und dank der Osterweiterung bin ich plötzlich EU-Bürger. Ich sitze in der Gemeinschaftsküche eines Studi-Wohnheims im Londoner Stadtteil Newham und mache meinem Mitbewohner Neil in bestem «Schwenglisch» klar, dass ich ihm gleich den Allerwertesten versohle – in «Tekken 4» auf der Playstation 2.
Wie schon in den vorherigen Teilen spiele ich, als «Tekken»-Kind der ersten Stunde, mit «King», respektive «King II». Der «Leopard» mit stahlharten Muskeln verspricht mir Speed und kräftige Angriffe. Was kann da schon schiefgehen? Einiges. Ich führte zwar nie genau Buch über meine Statistiken, aber ich verlor deutlich häufiger, als ich gewann. Auch deshalb blieb «Tekken» für mich ein Beat-em-up für zwischendurch und musste später dauerhaft den RPGs weichen.
Das jähe Ende in der Beziehung Flo vs. «Tekken» führte dazu, dass sich mir eine Frage aufdrängt, als mein Kollege Domi mir «Tekken 8» zum Ausprobieren anbot:
Macht das heute echt noch Spass?
Ich starte meine erkenntnisreiche Rückreise ins «Tekken»-Verse.
Ich unterschätze den Tiefgang des Spiels
Weil ich die alten Titel der «Tekken»-Reihe zockte, bildete ich mir ein, «Tekken» zu kennen. Weit gefehlt. Zum Beispiel war mir nie klar, dass dem Game eine riesige Story zugrunde liegt. Vielleicht auch deshalb, weil im Cast des 1998 erschienenen «Tekken»-Films Schauspieler-Namen wie Jean-Claude Van Damme fehlten – im Gegensatz zum vier Jahre älteren «Street Fighter»-Epos.
Macht aber nichts – das Spiel fasst in sieben kurzen Clips die bisherigen Geschehnisse rund um die Mishima-Familie zusammen. Auch als blutiger «Tekken»-Rookie wirst du hier kurz und spannend ins Universe eingeführt. Die Story erspare ich dir an dieser Stelle, denn ich will weder spoilern, noch langweilen.
Der Ansatz, eine Geschichte zu erzählen und sie mit interaktiven Kampf-Elementen anzureichern, dürfte dir vermutlich nicht fremd sein. Mir hingegen schon – und ich habe Blut geleckt. Die Geschichte ist spannend und auch die absurden, übertriebenen Elemente der Story, die mir früher nur Augenrollen entlockt hätten, gehören dazu. Das verstehe ich jetzt. Schon nach den ersten zwei Kapiteln brenne ich darauf, die Geschichte durchzuzocken. (Und Kazuya Mishima nachhaltig aufs Maul zu hauen).
Der Mishima-Kampfstil passt zu mir
Ich treffe in der Folge auch auf alte Bekannte, etwa Yoshimitsu, Hwoarang oder Law. Dennoch war zum Beispiel nie klar, dass jeder Kämpfer und jede Kämpferin aus dem «Tekken»-Universum eine eigene Background-Story mitbringt. Hätte ich diesem Umstand mehr Aufmerksamkeit gewidmet, wäre mir klar gewesen, dass zum Beispiel Kazuya Mishima vom Moveset viel besser zu meinem brachialen Spielstil gepasst hätte. Übrigens lässt sich die Background-Story aller Charaktere im Single-Player durchspielen.
Mein mässiger Erfolg in den alten «Tekken»-Spielen lag auch daran, dass ich mir nie die Mühe gemacht habe, Combos zu lernen und mir Strategien zurechtzulegen. Vielmehr hackte ich wie ein Berserker auf dem Controller herum – in der Hoffnung, dass dies zufälligerweise in krassen Combo-Moves resultieren und mich zum Sieg führen würde. Kreiskreiskreiskreis, Dreieckdreieckreieck, XXXX, R1, R1 – und so weiter.
Spezialstil – macht zu Beginn irren Spass
Den «Tekken»-Pros wirds vermutlich die Zornesröte ins Gesicht treiben. Aber ich finde es wirklich nice, dass mich «Tekken» die «Spezialstil»-Funktion aktivieren lässt. Sodass ich bei neuen Kämpfern und Kämpferinnen spektakuläre Kombos ausführen kann, ohne mir die Daumen zu brechen.
Jenseits der Hauptstory verlängert dies eindeutig die Motivation, länger zu zocken und so Erfahrung und Erfolgserlebnisse mit neuen Figuren zu sammeln. So gelingt es mir beispielsweise, dass mein früherer Liebling «King» seine Spezialmoves auspackt. Das ist insofern cool, als ich alle Moves benennen kann: LEGDROP! BACKBREAKER! POWERBOMB! 15 Jahre WWE-Fantum haben sich gelohnt.
Auch die vielen abwechslungsreichen Szenarien bereiten mir Freude. So etwa mein Kampf als Yoshimitsu gegen Nina in einem edlen Mansion und absurderweise klassischer Musik im Hintergrund – inklusive der teuer aussehenden Einrichtung, die nun von uns zu Klump gehauen wird.
Die Grafik, die auf der Unreal-5-Engine beruht, tut das Ihrige dazu.
Heat-Mode und mehrteilige Chip-Health
Elementare Neuerungen im Kampfsystem ist der Heat-Mode und Chip-Health. Ersterer siehst du in einer zweiten Anzeige in Blau, die sich mit der Zeit mehr und mehr füllt. Wenn du den Heat-Mode aktivierst, verstärkt er die Wirkung bestimmter Moves für zehn Sekunden und fügt deinem Gegner sogenannten Chip-Schaden zu.
Du hast dabei die Wahl, ob du Heat Burst oder Heat Engager einsetzt. Heat Burst resultiert darin, dass dein Charakter den Gegner sofort schlägt. Sitzt der Schlag, kannst du eine Kombo folgen lassen, der dein Gegner hilflos ausgeliefert ist. Heat Engage hingegen befreit dich, wenn du in der Klemme steckst und stark defensiv agieren musst. Aktivierst du Heat Engage, wird dein Gegner auf die andere Seite geschleudert und dein Charakter stürmt auf den Gegner zu. Wenn du also schnell genug bist, kannst du dank Heat Engage einen Gegenangriff folgen lassen.
Chip-Health wird übrigens weiss angezeigt. Es handelt sich dabei um einen Teil deiner Health-Anzeige, die du, wenn du sie verlierst, selbständig wiedererlangen kannst. Nämlich, wenn du erfolgreich Angriffe startest. Angriffig und offensiv zu sein, wird also belohnt – ganz im Gegensatz dazu, wenn du die ganze Zeit nur blockst und auf einzelne Gelegenheiten wartest, deinen Gegner zu treffen.
Arcade Quest: Noch mehr Hilfe für Newbies
Ebenfalls neu ist die Arcade Quest. Sie erzählt die Geschichte rund um die «Tekken» World Tour und integriert auch die Arcade-Szene, wo alles seinen Anfang nahm. Hier erfährst du alles über das «Tekken»-Ranglistensystem, die Kombos und Kampf-Mechanismen, die du vielleicht nicht weisst, wenn du nur die Story zockst. Ausserdem kriegst du Goodies für dein Profil, respektive deinen Avatar, wenn du die Story durchspielst. Eine Mischung zwischen Tutorial und Spielmodus.
Flicke nichts, was nicht kaputt ist
Natürlich kann ich nicht wirklich eine Expertise abgeben. Aber wenn ich nach 20 Jahren Abwesenheit nur zwei Minuten brauche, um wieder im Game drin zu sein, spricht das Bände. Bandai Namco besinnt sich auf die Stärken des Spiels und belässt sie so, wie sie waren – alles, was gut war, wird aufpoliert, aber nicht grundlegend geändert. Zudem baut die Spieleschmiede viele kleine Anspielungen und Referenzen auf vorherige Spiele in die Story ein. Damit holen sie auch «Tekken»-Veteranen ab. Auch viele legendäre Charaktere sind dabei, einige geben ihr Comeback – und drei sind komplett neu:
- Azucena Milagros Ortiz Castillo: eine peruanische MMA-Kämpferin und Barista
- Victor Chevalier: französischer Kriegsveteran und Gründer der Raven Unit
- Reina: eine auf den ersten Blick arglose Frau, die jedoch eine geheimnisvolle Verbindung zum Mishima-Clan hat und auch in ihrem Stil kämpft
Dazu kommen einige komplett neue Modi, die man aber einfach ignorieren kann, wenn man sie nicht mag.
Fazit: 20 Jahre fühlen sich an wie zwei Wochen
Ich war lange weg von der «Tekken»-Reihe. Ich fand: Alles hat sich verbessert. Man wird viel besser und intensiver in die Story rund um das «Iron Fist Tournament» hineingezogen. Es gibt mehr und spannende Charaktere. Dass man die Background-Story dieser Figuren durchspielen kann, verlängert den Spass im Single-Player-Modus erheblich und macht noch mehr Bock aufs Spiel. Zudem machen die anderen Modi, wie «Tekken» Ball und die neue Arcade Quest, Laune.
Auch wenn die Fights gegen Menschen, ob online oder mit Freunden vor dem TV, noch immer am meisten Spass machen, kann ich alles in allem sagen: I’m back!
Titelbild: Florian BodokySeit ich herausgefunden habe, wie man bei der ISDN-Card beide Telefonkanäle für eine grössere Bandbreite aktivieren kann, bastle ich an digitalen Netzwerken herum. Seit ich sprechen kann, an analogen. Wahl-Winterthurer mit rotblauem Herzen.