Kritik

«Strange World»: Wunderschöne Animation trifft auf moralischen Zeigefinger

Luca Fontana
21.11.2022

Der neueste Animationsfilm von Disney, «Strange World», hätte ein Abenteuerfilm mit emotionalem Vater-Sohn-Kern sein können. Er verkommt aber zum überladenen Abfeiern politischer Botschaften. Schade um das verschenkte Potenzial.

Eines vorweg: In diesem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.


Darum geht’s in «Strange Worlds»

Searcher Clade (Jake Gyllenhaal) ist nicht nur Entdecker. Er ist eine lebende Legende. Der Sprössling seines nicht minder legendären Vaters Jaeger Clade (Dennis Quaid) – der wird sogar als grösster Entdecker aller Zeiten gerühmt. Denn die Clades, die haben das Entdecken und Erforschen halt einfach im Blut, jawoll.

Zumindest sieht es Jaeger so. Denn Searcher will eigentlich gar kein Entdecker sein. Genau das führt zur ultimativen Entzweiung: Als sich Vater und Sohn auf ihrer letzten gemeinsamen Expedition streiten, trennen sich ihre Wege. Jaeger gilt seitdem als verschollen. Searcher hingegen kehrt mit Pando, einer energiegeladenen Pflanze, von der Expedition zurück. Die führt seine Heimat Avalonia in ein neues technisches Zeitalter. Das macht Searcher zur Legende.

Grosses Lob an die Animations-Künstlerinnen und -Künstler

Da sind abstrakte Langhälse, die sich wie Hunde schütteln und kleine gelbe «Blobs» vom Rücken regnen lassen. Die heilen bei Berührung Wunden – auch die der Umwelt. Schwebende rote Kissen, die ähnlich wie Schwarmfische durch die Luft düsen, werden als Schnellstrasse genutzt. Bäume haben Stämme, die sich weiten und wieder einengen, als ob sie atmen würden. Böse Schleimwesen mit Tentakeln machen Jagd auf bizarre Vögel. Und, und, und.

Das sind die Momente, in denen der Film am stärksten ist. Dann, wenn «Strange World» nur ein Abenteuerfilm ist. Ein Film, der sich um eine Gruppe von Entdeckern dreht, die in eine neue, fremdartige Welt voller Wunder und Gefahren vordringen. Langsam aber sicher dem Mysterium um sie herum näher kommend. Nur war das den Regisseuren und Autoren Don Hall und Qui Nguyen leider nicht genug.

«Strange World» ist alles andere als subtil

Sicher, ein reiner Abenteuerfilm à la «Jungle Cruise» mag zwar spassig sein, aber auch flach, wie ich in meinem Review schrieb. «Strange World» versucht darum, einen draufzusetzen. Im Zentrum steht also nicht das blosse Entdecken neuer Welten, sondern auch das zerrüttete Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen. Das soll dem Film mehr Tiefe geben.

Subtil gehen Hall und Nguyen aber nicht vor. Im Gegenteil. Von der ersten wunderschön handgezeichneten Sekunde an prügeln sie diese wichtige Lektion in uns Zuschauende ein. Dadurch verpufft die Wirkung. Irgendwann wirkt die Botschaft repetitiv. Streich das. Belehrend. Hätten sich Hall und Nguyen doch nur mehr Zeit genommen, den emotionalen Kern dieser Dreiecksbeziehung sorgfältig auszuschälen – nicht gleich mit Hammer und Beil. Zeit genug wäre in 102 Filmminuten.

Die Sache mit der politischen Korrektheit – um jeden Preis

In «Strange World» ist genau das offensichtlich. In den ersten Filmminuten wird Ethans Clique eingeführt, samt männlichem Schwarm. Später im Film lässt sich Ethan immer wieder mit seinem Vater oder Grossvater beraten, wie er seinen Schwarm am besten beeindrucken und für sich gewinnen könnte. Ethans Homosexualität stellen weder Searcher noch Jaeger infrage. Das finde ich gut. Aber…

Und mich reisst es aus dem Film heraus.

Zum Schluss wird dann – völlig aus dem Nichts – noch eine Öko-Botschaft eingestreut. Das an sich ist nichts Schlechtes. Aber sie überrumpelt uns Zuschauende, weil sie nie richtig eingeführt und vorbereitet wird. Genau darum fühlt sie sich alles andere als organisch an. Eher so, als ob jemand im Writers Room einfach «Yep, nehmen wir auch noch mit» gesagt hätte. Noch etwas, das mich aus dem Film reisst.

Fazit: Ja, unterhaltsam und so, aber viel zu überfrachtet


«Strange World» läuft ab dem 24. November im Kino. Laufzeit: 102 Minuten. Freigegeben ab 6 Jahren.

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Ich schreibe über Technik, als wäre sie Kino, und über Filme, als wären sie Realität. Zwischen Bits und Blockbustern suche ich die Geschichten, die Emotionen wecken, nicht nur Klicks. Und ja – manchmal höre ich Filmmusik lauter, als mir guttut.


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