
Hintergrund
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von Debora Pape
Hast du schon mal von Solarpunk gehört? Das ist ein Genre, bei dem wir uns eine Zukunft vorstellen, in der Technologie und Naturnähe ein gutes Leben für alle ermöglichen. Utopie zwar, aber vielleicht auch gar nicht völlig unrealistisch.
Kriege, Überschwemmungen, Dürren, schmelzende Polkappen und aussterbende Arten – besonders optimistisch habe ich in den vergangenen Jahren nicht in die Zukunft geschaut. Stattdessen sah ich uns alle unvermeidlich mit einem One-Way-Ticket direkt in eine Dystopie à la «Mad Max» oder Cyberpunk-Kapitalismus brausen. Bis ich dieses Jahr erstmals über den Begriff Solarpunk stolperte. Und auf einmal sehe ich durchaus Licht am Horizont.
Solarpunk ist Utopie, Science-Fiction-Genre und auch Ziel einer Bewegung. Dabei geht es ganz und gar um Optimismus: Wir überspringen ein paar Jahrzehnte und stellen uns eine Zukunft vor, in der das Leben für alle – Mensch, Tier und Umwelt – besser geworden ist. In einer Solarpunk-Welt gibt es keine verschmutzten Ozeane mehr, der Klimawandel wurde aufgehalten und das Artensterben gestoppt.
Dazu hat sich das Denken der Gesellschaft verändert. Prioritäten wurden neu gesetzt, die Energiegewinnung komplett umgestellt und wir Menschen haben es geschafft, eine Lebensweise zu entwickeln, die die Vorteile der Natur einbezieht, ohne diese zu zerstören – und trotzdem gut zu leben.
«-punk» liegt im Trend: Alles begann mit Steampunk. Das ist ein literarisches Genre und eine Kunstform, die eine alternative Realität, die mit Dampf, also Steam, befeuert wird. Ästhetisch ist die Welt im viktorianischen Zeitalter stehen geblieben: Gehüllt in Zylinder, Rüschchen und Reifrock baut die Menschheit dampfbetriebene Flugzeuge, Computer und Roboter. Das Genre basiert auf Geschichten von Jules Verne und H.G. Wells. Etwas unbekannter sind Dieselpunk und Atompunk, die in eine ähnliche Kerbe schlagen.
Dann gibt es noch Cyberpunk. Das ist ein eher dystopisches Genre. Hier dreht sich alles ums liebe Geld: Wer es hat, kann seinen Körper mit Chips und Prothesen aufrüsten. Nicht aufgerüstete Menschen werden abgehängt, Roboter sind oft wertvoller als Menschenleben. Neonfarbene Reklame begleitet den Menschen auf Schritt und Tritt. «Blade Runner» und «Altered Carbon» passen gut in die Cyberpunk-Welt.
Solarpunk ist dagegen eine Vision der Verschmelzung von Nachhaltigkeit und smarter Technik. Der Mensch lebt im Einklang mit der Natur, unterstützt von KI. Stell dir Gebäude aus Glas, Holz und Stein vor, umrahmt von blumiger Vegetation, hier und da leise Fahrzeuge – und über hochtechnisierten, aber schadstofffreien Anlagen lacht die Sonne, ihre Strahlen von Sonnenkollektoren in Energie umgewandelt.
Solarpunk-Häuser sind gut gedämmt und auf ihre Umwelt abgestimmt. Sie nutzen Sonnen- oder Windkraft für Energie und Wärme, selbst die Fensterscheiben können Strom aus Sonnenlicht herstellen. Vollständig automatisierter Pflanzenanbau in vertikalen Agrartürmen ermöglicht bisherigen Ackerflächen Erholung und Wildtieren wieder eine Heimat.
Viele Großstädte sind heutzutage Betonwüsten mit fußballfeldgroßen Parkplätzen und mehrspurigen Straßen für Autos, in denen durchschnittlich nur rund 1,5 Menschen sitzen. In einer Solarpunk-Stadt wäre das nicht denkbar. Dort gibt es viel mehr Bäume und Grünstreifen, die Schatten spenden und Vögel und andere Tiere beherbergen.
Ineffiziente Transportmittel wie Autos, die selten vollständig ausgelastet sind, wurden verbannt. Öffentliche Verkehrsmittel sind schnell zu Fuß erreichbar, angenehm in der Nutzung und nahezu kostenlos. Wer nicht auf das eigene Transportmittel verzichten möchte, könnte ein passendes Elektrofahrzeug, angepasst auf den tatsächlichen Bedarf, nutzen. Oder stattdessen ein Flugtaxi? Träumen ist erlaubt!
Stell dir nur vor, wie viel Platz wir ohne große Parkplätze und mehrspurige Straßen hätten. Parks mit Wildblumenwiesen, Bächen und Seen sowie Aussichtsplattformen und verschiedenen Freizeitangeboten würden die Stadt nicht nur attraktiver machen, sondern auch für mehr Artenvielfalt sorgen. Eine Stadt, die bisher vor allem auf Autos ausgelegt war – in den USA noch deutlich mehr als in Europa –, stellt jetzt den Menschen in den Mittelpunkt und lässt auch Platz für Tiere.
Auch, wenn das alles aktuell eher unwahrscheinlich klingt: Mir machen Solarpunk-Träume Spaß. Auf Reddit gibt es viele weitere Inspirationen. Hier tauschen sich Menschen zu unterschiedlichsten Aspekten des Themas aus.
Und falls du gerne Videospiele spielst: Demnächst soll ein Spiel namens «Solarpunk» erscheinen, in dem du zusammen mit Freunden eine eigene Solarpunk-Welt aufbauen kannst.
Was sagst du zu diesem Utopie-Genre? Glaubst du, eine solche Zukunft ist möglich?
Titelbild: iurii/ShutterstockFühlt sich vor dem Gaming-PC genauso zu Hause wie in der Hängematte im Garten. Mag unter anderem das römische Kaiserreich, Containerschiffe und Science-Fiction-Bücher. Spürt vor allem News aus dem IT-Bereich und Smart Things auf.