«Return to the Monkey Island»: Als wäre Guybrush nie weggewesen
Der Möchtegern-mächtige Pirat Guybrush Threepwood ist zurück und es fühlt sich an, als wäre er nie weg gewesen.
Ich will doch nur auf das Schiff von Zombie-Pirat LeChuck. Aber dafür brauche ich eine Verkleidung und einen Mopp. Aber dafür brauche ich spezielles Wischmopp-Holz. Aber das ist im düsteren Wald, wo ich mich immer verirre. Aber ich habe keine Karte, weil ich für dessen Herstellung ein Stück Wischmop-Holz brauche. Ahhhhhh. Es dauert keine 15 Minuten und ich bin wieder komplett in die Welt von «Monkey Island» eingetaucht und renne von einer Aufgabe zur nächsten.
Die Erfinder sind zurück
«Return to Monkey Island» stammt aus der Feder von Ron Gilbert und Dave Grossman. Die beiden Entwickler gelten zusammen mit Tim Schaefer als Schöpfer der Kult-Adventure-Serie. Gilbert hat sich jedoch nach dem zweiten Teil «Monkey Island 2: LeChuck’s Revenge» von der Serie abgewandt und wenig Interesse an einer Fortsetzung bekundet. Eine solche wurde 2012 mit der Übernahme von LucasArts – dem damaligen Herausgeber der Spiele – durch Disney nicht realistischer. Entgegen allen Erwartungen kam es in den letzten Jahren doch zu einer Übereinkunft und Gilbert und Grossman entschieden sich, ihre wohl berühmteste Spielfigur Guybrush Threepwood auf ein weiteres Abenteuer zu schicken.
Gilbert sagte immer klar, dass er die Serie nur fortsetzt, wenn es etwas Neues zu erzählen gibt. Dass es das gibt, kann ich nach den ersten Spielstunden definitiv bestätigen. Erfreulich ist, dass Gilbert nicht wie ursprünglich geplant daran festhielt, alle Ereignisse nach Teil Zwei zu ignorieren. Besonders «The Curse of Monkey Island» zählt für mich als Highlight der Reihe mit legendären Charakteren wie dem sprechenden Totenkopf Murray. Dieser hat auch seinen Weg nach «Return to Monkey Island» gefunden.
(Wieder) dem Geheimnis von Monkey Island auf der Spur
Das Spiel knüpft nahtlos an den zweiten Teil an. Im Vergnügungspark Big Whoop werden zwei Kinder, die aussehen wie LeChuck und Guybrush Threepwood von zwei Erwachsenen konfrontiert, ob sie wieder Unsinn angestellt haben. Spielerinnen und Spieler diskutieren seit Jahrzehnten über die Bedeutung dieser Szene und ob das ganze Spiel nur der Fantasie dieser Kinder entsprungen ist.
Die Rolle des Mini-Guybrush dient in «Return to Monkey Island» primär als Aufwärmübung. Das eigentliche Abenteuer beginnt dort, wo alles angefangen hat: auf Mêlée-Island. Als ich das ikonische Bild dieser Karibik-Insel erblicke und dazu der Soundtrack erklingt, wird es mir gleich warm ums Herz. Ach, was habe ich «Monkey Island» vermisst.
Das Spiel zieht mir ordentlich eins mit der Nostalgie-Keule über. In der ersten Szene befinde ich mich wie schon vor 30 Jahren auf dem Aussichtspunkt der Insel und werde vom selben alten Piraten veräppelt. Schön. Ziel dieses Abenteuers ist es, endlich das Geheimnis von Monkey Island zu lüften. Denn entgegen dem Titel des ersten Teils ist dies Guybrush bisher nicht gelungen. Weil Nemesis und Zombie-Pirat LeChuck das Gleiche vor hat, heisst es Nägel mit Köpfen machen. Ich brauche ein Schiff und eine Crew, um zur geheimnisumwobenen Insel zu segeln.
Dabei begegne ich schon in den ersten Minuten zahlreichen bekannten Gesichtern. Meine Geliebte Elaine kämpft für Aufklärung gegen Skorbut, Halsabschneider Stan ist im Knast für seine Betrügereien und die Voodoo-Lady muss den Laden dicht machen, weil ihr Dunkle Magie das Geschäft vermiest.
Es dauert nicht lange und mein Inventar ist voll mit kuriosen Gegenständen und ich eile von einem Ort zum nächsten für völlig absurde Aufträge.
Clevere Rätsel und toller Humor
«Return to Monkey Island» zu spielen, fühlt sich an wie einen Jugendfreund wiederzutreffen. Irgendwie ist es ja auch so. Vor dem Mikrofon standen in den meisten Fällen die englischsprachigen Original-Sprecher. Und Michael Land hat zusammen mit Peter McConnell und Clint Bajakian wieder einen schaurig schönen karibischen Soundtrack beigesteuert. Auch der neue Grafikstil passt perfekt zur skurrilen Piraten-Welt mit ihren kauzigen Bewohnern.
«Return to Monkey Island» sieht nicht nur aus und klingt wie die (guten) Vorgänger, es spielt sich auch so. Nach wie vor geht es primär darum, die richtigen Gegenstände am richtigen Ort einzusetzen. Ich brauche eine Verkleidung, um auf LeChucks Schiff zu kommen. Aber die geeignete Verkleidung ist eingesperrt. Den Schlüssel bekomme ich nur, wenn ich die winzige Seriennummer ablesen kann. Also wie verbessere ich meine Sicht? Ich verrate dir jetzt nicht die Lösung, denn das ist der eigentliche Spass des Spiels. Die kannst du ohnehin selber nachschlagen, denn erstmals gibt es eine integrierte Lösungshilfe. Im Inventar hast du ein Buch, das dir nach und nach Tipps gibt, falls du feststeckst – bis hin zur kompletten Antwort. Das ist nur eine von verschiedenen Annehmlichkeiten, die das Adventure-Spiel zugänglicher machen, ohne dem Spielprinzip zu schaden.
Statt mit der Maus Objekte danach abzusuchen, ob du damit interagieren kannst, ist nun alles, das sich anklicken lässt, mit einem Kreis umrandet. So lässt es sich sogar komfortabel mit Controller spielen. Gegenstände lassen sich nur noch auf eine Art verwenden. Lästiges Ausprobieren, ob es nun mit Drücken, Ziehen, Anschauen oder Abbeissen klappt, fällt weg. Sogar rennen kann Guybrush – und das nicht nur, wenn ihn eine Meute wütender Affen verfolgt. Ein Logbuch mit den aktuellen Aufgaben gibt es ebenfalls. Und wenn ich mal wieder zu schnell einen Dialog übersprungen habe, kann ich auf Tastendruck die letzten Zeilen wieder anzeigen lassen. Es sind kleine Dinge, die «Return to Monkey Island» zu einem zeitgemässen Adventure machen.
Das zweite Herzstück neben den Rätseln sind die Dialoge. Die sind noch genauso einfallsreich und witzig wie früher. Sei es beim Beleidigungs-Fechten mit der ehemaligen Schwertmeisterin Carla, die nun Gouverneurin ist und bei der ich mich mit einem Frosch für ein vergessenes Buch entschuldigen muss. Oder bei der guten alten Voodoo-Lady, die für mich mal wieder etwas in ihrem giftig-grünen Topf brauen muss. Bei meinen improvisierten Zutaten schüttelt sie nur den Kopf und meint: «Du warst schon immer der Typ: gut genug». Das trifft nicht aufs Spiel zu. Das ist nach meinem mehrstündigen ersten Eindruck: grossartig!
Was will man mehr?
Wenn mich jemand nach der perfekten «Monkey Island»-Fortsetzung gefragt hätte, hätte ich geantwortet: Ich will eine interessante Geschichte, bekannte Gesichter, Anspielungen an frühere Teile, unterhaltsame, aber faire Rätsel und lustige Dialoge. «Return to Monkey Island» liefert genau das und noch viel mehr. Es wird nicht einfach die gleiche alte Leier gespielt. Das Spiel wirkt frisch und zeitgemäss, obwohl viele alte Charaktere auftauchen, Orte von früher besucht und alte Gags ausgegraben werden. Es verlässt sich nicht allein auf die Nostalgiebrille, um Retro-Fans wie mich um den Finger zu wickeln. Die Rätsel sind clever und bisher nie zu schwer. Ich rate allen, auf dem schweren Schwierigkeitsgrad zu spielen, sonst fehlt die Hälfte der Rätsel und damit die Essenz des Spiels. Die Dialoge sprühen so sehr vor Witz und Charme, dass ich auch die allerletzte Dialogoption ausschöpfen will. Ich kann es nicht erwarten, wieder in diese wundersame und liebevolle Welt zurückzukehren.
«Return to Monkey Island» ist erhältlich für PC und Switch sowie Mac und wurde mir für diesen Test von Devolver zur Verfügung gestellt.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.