News & Trends

Ready Player One: Die verpasste Chance, die verdammt viel Spass macht

Die Romanverfilmung «Ready Player One» ist der neuste Film von Regisseur Steven Spielberg. Sie bietet jede Menge Spektakel und verspricht ein Fest für Film- und Game-Nerds. Das Versprechen hält sie ein, aber ihr fehlt der Mut, etwas Aussergewöhnliches zu wagen.

Mit «Ready Player One» versucht sich Steven Spielberg an der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ernest Cline: Eine Geschichte in einer virtuellen Welt über die Jagd nach Easter Eggs – versteckte Schätze in Video Games – gespickt mit wahnsinnig vielen popkulturellen Anspielungen der 1980er-Jahre und dem Versprechen, die Kontrolle über die Zukunft der Menschheit zu erlangen.

Apropos: «Ready Player One» macht dann am meisten Spass, wenn du ihn so unbelastet wie nur irgendwie möglich geniesst. Deshalb wirst du hier inhaltlich nichts erfahren, was nicht schon aus dem finalen Trailer ersichtlich ist.

Und darum geht’s

Die Menschheit hat es aufgegeben, sich zu retten versuchen.
Die Menschheit hat es aufgegeben, sich zu retten versuchen.
Quelle: Warner Bros. Switzerland

Columbus, Ohio, 2040: Die Welt steht am Abgrund. Die Menschheit hat sie ausgebeutet, Hunger und Armut bestimmen den Alltag. Es ist eine Welt, in der die Menschen es längst aufgegeben haben, Probleme zu lösen. Stattdessen finden sie sich einfach mit ihnen ab.

Die Oasis – eine virtuelle Realität, deren Ausmass der einer halben Galaxie angenommen hat – ist der Ort, an dem die Menschen jetzt leben. Hier kann jeder sein wer er will, und was er will. Es gibt Arbeit und Schulen, Kinos und Sportzentren. Man geht an den Strand, erklimmt den Mount Everest zusammen mit Batman und fährt auf den Pyramiden von Gizeh Ski. Und das Beste: Es ist kostenlos.

Dann stirbt James Halliday (Mark Rylance), der Erfinder der Oasis. Kurz vor seinem Tod hat er der Menschheit ein letztes, grosses Spiel vermacht: Die Jagd nach dem Easter Egg. Dieses kann nur von jenen gefunden werden, die drei scheinbar unmögliche Aufgaben bewältigen und als Belohnung drei magische Schlüssel erhalten. In bester Halliday-Manier sind die Hinweise, die zu den Schlüsseln führen, in dessen Begeisterung für die 1980er-Jahre versteckt.

Der Clou: Wer das Easter Egg als erstes findet, erbt Hallidays milliardenschweres Vermögen und die Kontrolle über die Oasis. Das ruft böse, von Profitgier getriebene Mächte auf den Plan. Fünf Jahre nach Hallidays Tod, im Jahr 2045, ist es aber der junge Wade Watts alias Parzival (Tye Sheridan), der endlich den ersten Hinweis entschlüsseln kann. Die Jagd um die Zukunft der Menschheit beginnt.

Die Welt der virtuellen Welten

Der Gigant aus dem All – sehr nice.
Der Gigant aus dem All – sehr nice.
Quelle: Warner Bros. Switzerland

«Ready Player One» ist eine furiose Achterbahnfahrt in einer virtuellen Realität, die ihresgleichen sucht. Dabei war die Erwartungshaltung durchaus hoch. Schliesslich kehrt Spielberg zu jenem Abenteuer-Genre mit fantastischen Elementen zurück, das er selbst mit Filmen wie «E.T.», «The Goonies» oder «Jurassic Park» so populär gemacht hat. Er fügt mit «Ready Player One» wohl nicht sein bestes Werk hinzu, aber es ist eine würdige Addition.

Blind auf den Erfolg gewettet hätte wohl niemand. Der Film spielt über die Hälfte seiner 140 Minuten Laufzeit in der Oasis, die komplett am Computer entstanden ist. Ähnlich wie in James Camerons «Avatar» soll sich der Zuschauer mit computeranimierten Figuren anfreunden und identifizieren – kein einfaches Unterfangen. Genau wie Gollum in «Herr der Ringe» wurde Motion-Capture-Technologie angewendet, um die Performance von realen Darstellern auf ein Computermodell zu übertragen.

Wie in «Avatar» sehen die computergenerierten Avatare wahnsinnig gut aus.
Wie in «Avatar» sehen die computergenerierten Avatare wahnsinnig gut aus.
Quelle: Warner Bros. Switzerland

Die Rechnung ist aufgegangen. Dem Trailer nach mochte der Look des Filmes noch etwas künstlich wirken – das hätte schnell zu einer emotionalen Distanz geführt. Aber das Setting ist atemberaubend, die Welten, die du im Laufe von «Ready Player One» besuchst, sind bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und verweisen auf bekannte und weniger bekannte Filme, Serien und Spiele der 1980er und 1990er wie etwa «Akira», «Gundam» oder «Space Invaders».

Geschickt: Wie schon in der Romanvorlage wird die Geschichte aus Parzivals sympathischer Sichtweise erzählt. So kann er die Zuschauer an die Hand nehmen und den Unwissenden erklären, was vor sich geht.

Meistens jedenfalls.

Wenn Figuren aus Blizzards «Overwatch» oder multiple Master Chiefs aus «Halo» kurz durchs Bild wuseln, werden auch die Herzen der Fans der späteren zweitausender Jahre höher schlagen. Aber sie stellen Anachronismen dar, die ziemlich alleine in der Gegend dastehen.

Lara Croft, Tracer aus «Overwatch», Diablo-Skelette – ja, es ist alles dabei, was Rang und Namen hat.
Lara Croft, Tracer aus «Overwatch», Diablo-Skelette – ja, es ist alles dabei, was Rang und Namen hat.
Quelle: Warner Bros. Switzerland

Natürlich spielt Nostalgie eine riesengrosse, geradezu omnipräsente Rolle. Allerdings im positiven Sinne. Manchmal zitiert sich Spielberg sogar selbst. Ein Beispiel: Wenn Parzival in seinem DeLorean dem gefrässigen T-Rex ausweicht, kann sich niemand ein vergnügtes Grinsen verkneifen, weil:

  • Parzival ist benannt nach dem Ritter der Tafelrunde, der den heiligen Gral findet. Irgendwie auch ein Easter Egg
  • Der DeLorean stammt aus «Back to the Future», wo Spielberg als ausführender Produzent mitwirkte
  • Der T-Rex stammt aus «Jurassic Park», einem der grössten Kinoerfolge von Spielberg

Aber wie gesagt – mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden.

Mal was Handfestes: Wie sind die Darsteller?

Spielberg hat für «Ready Player One» eine eher traditionelle Erzählstruktur gewählt. Soll heissen: Gut und Böse sind klar voneinander getrennt. Mit Ben Mendelsohn hat er einen Schauspieler gefunden, der perfekt in die Rolle des fiesen und skrupellosen Nolan Sorrento passt. Sorrento ist der Anführer des Techno-Konzerns namens Interactive Online Industries – kurz: IOI – und hat schon zu Hallidays Lebzeiten versucht, die Kontrolle über die Oasis zu übernehmen. Ihm ist klar: Wer die Oasis kontrolliert, kontrolliert die Zukunft der Menschheit.

Das rechtfertigt auch über Leichen zu gehen.

Im Wettlauf um das Easter Egg gehen manche über Leichen.
Im Wettlauf um das Easter Egg gehen manche über Leichen.
Quelle: Warner Bros. Switzerland

Mendelsohn spielt den zynischen Konzernchef, dem der ganze Nerdtum auf den Sack geht. Toll ist, dass er nicht einfach böse wirkt, weil Gründe. Dass Firmenchefs aufs Gemeinwohl pfeifen, wenn es um die Vervielfachung des eigenen Profits geht, ist kein neues Konzept. In jeder Szene ist Mendelsohns Charakter wild entschlossen und schreckt vor Nichts zurück. Eine Eigenschaft, die ihn schon als Orson Krennic in «Rogue One: A Star Wars Story» auszeichnet.

Auch Mark Rylance gibt den James Halliday so, dass der Zuschauer ihm sofort abnimmt, dass er sich lieber in seiner selbst geschaffenen, virtuellen Realität aufhalten würde. Stattdessen wird er von Milliarden von Nerd-Jüngern zu einer Tech-Gottheit und Legende gemacht. Halliday hat einen etwas sonderbaren Humor, was auch seine Easter Egg-Schnitzeljagd beweist, aber ein wohlwollendes Herz.

Tye Sheridan ist jüngst als Scott Summers in «X-Men: Apocalypse» aufgefallen, und darf nun als Wade Watts / Parzival zum ersten mal in einem Blockbuster die erste Geige spielen. Aber so richtig abnehmen will man ihm den Nerd, der vom Nobody zur weltweiten Berühmtheit aufsteigt, nicht. Zu cool und abgebrüht seine Darstellung. Aber unsympathisch wirkt er deswegen nicht, und seinen Zweck – dem Zuschauer zu erklären, wie die Oasis und seine virtuelle Realität funktioniert – erfüllt er zufriedenstellend.

Tye Sheridan ist sympathisch, aber wirkt wenig nerdig.
Tye Sheridan ist sympathisch, aber wirkt wenig nerdig.
Quelle: Warner Bros. Switzerland

Umso besser kommt sein weiblicher Konterpart, Olivia Cooke als Art3mis, rüber. Sie ist rotzfrech, aber strahlt Ehrlichkeit aus. Darüber hinaus ist sie Parzivals Hauptantreiber, wenn es darum geht, die Easter Egg Suche nicht zum eigenen Wohl, sondern zu jenem der Menschheit voranzutreiben. Dafür wirkt ihre kleine, schmüslige Romanze etwas gar gestelzt und stellt Nerd-Wish-Fulfillment der gehobenen Sorte dar.

Apropos: Es gibt ja noch das Buch

Parzival und sein bester Freund Aech.
Parzival und sein bester Freund Aech.
Quelle: Warner Bros. Switzerland

Spielberg hat sich einige Freiheiten in der Adaption erlaubt. Sehr viele sogar. Buchkenner werden schnell merken: Inhaltlich hat der Film nur wenig mit seiner Vorlage zu tun. Der Vorteil ist, dass der Film dadurch auch für Buchleser einige Überraschungen bereithält. Dafür wird im Film längst nicht mehr so viel gerätselt und geknobelt wie noch im Buch. Dadurch geht auch etwas Cleverness abhanden, weil bei Spielberg Aufgaben meist einfach der Aufhänger für die nächste, grosse Actionsequenz sind. Andererseits – erinnerst du dich an die Rätseleien aus «The DaVinci Code» oder «Angels and Demons»? Die sind in Buchform zwar sauspannend zu lesen, im Film kommen sie aber etwas mau daher. Spielberg tobt sich viel lieber auf der visuellen Ebene aus und feuert dabei aus allen Rohren. Ist vielleicht besser so.

Dafür fehlt praktisch jegliche Gesellschaftskritik, die Buchautor Ernest Cline geschickt in seiner Version der Geschichte eingewoben hat. Ein Beispiel: Im Buch ist Parzival zunächst unglaublich stolz auf seine Ausrüstung samt Laufband, Hebekran, haptischen Anzug und VR-Brille. Er hat sogar ein Gerät, das Düfte imitieren kann. Dann wird ihm bewusst, dass jede einzelne Komponente Teil der symbolischen Gefängniszelle ist, in die er sich freiwillig einsperrt. Denn eigentlich ist er einsam, hat keine menschlichen Kontakte und verschwendet sein Leben an ein besseres Videospiel.

So sehen coole Nerds aus, Mann!
So sehen coole Nerds aus, Mann!
Quelle: Warner Bros. Switzerland

Es sind genau solche kritischen Untertöne, die dezent, aber umso gezielter eingesetzt, die Buchvorlage nicht nur unterhaltsam, sondern auch relevant machen. Auch dank ausgiebigen Bad in der Nostalgie der 1980er-Popkultur.

Das geht Spielbergs Version abhanden. Zugegeben, im letzten Drittel gibt auch Hallidays virtuelles Antlitz zu, dass die Realität, so furchteinflössend und schmerzhaft sie auch erscheinen mag, der einzige Ort sei, an dem es eine vernünftige Mahlzeit gäbe. Das ist charmant gesagt, und soll dem Zuschauer augenzwinkernd zu verstehen geben, dass man das ganze virtuelle Zeugs ja schon nicht irgendwie uneingeschränkt super findet. Und das, während du im Kinosessel sitzt und am Computer geschaffenen Figuren zuschaust. Erkennst du die Ironie?

Aber das ist, verglichen mit der Vorlage, zu wenig. Viel zu wenig.

Das grandios inszenierte Rennen findet im Buch gar nicht statt.
Das grandios inszenierte Rennen findet im Buch gar nicht statt.
Quelle: Warner Bros. Switzerland

Grosses Plus: Die Macher rund um Spielberg und dessen Stamm-Drehbuchautor Zak Penn sind dem Geiste des Buches besonders treu geblieben. Gerade dann, wenn es darum geht, Anspielungen und Querverweise auf das Sammelsurium von Spiele- und Filmkultur der Achtziger zu pflanzen. Es ist unmöglich, bei der Erstmaligen Sichtung des Filmes alle versteckten Easter Eggs (Ha! Ironie!) zu entdecken. Das qualifiziert «Ready Player One» zur zweit- oder drittmaligen Ansicht.

Fazit: Verpasste Chance, die abartig viel Spass macht

Läuft da im Hintergrund tatsächlich jemand in Unterhose rum!?
Läuft da im Hintergrund tatsächlich jemand in Unterhose rum!?
Quelle: Warner Bros. Switzerland

«Ready Player One» ist ein zweischneidiges Schwert. Schauwerte bietet er mehr als genug. Und dank der grossen Portion Nostalgie ist das breite Grinsen im Gesicht kaum wegzukriegen.

Dann aber ist der Film zu Ende, und ausser ganz viel Spass hat er nicht wirklich viel mehr gebracht. Dabei bietet das Thema «Virtual Reality» mehr als genug Diskussionsstoff. Im Positiven wie auch im Negativen. Ernest Cline hat das in seinem Buch erkannt und angepackt. «Ready Player One», den Film, schert das nicht. Entweder fehlt Spielberg der Mut, dem Spass auch noch eine Portion Ernst beizugeben – oder es hat ihn schlicht nicht interessiert.

Eine verpasste Chance.

«Mommy's very angry.» – Ian Malcom in «The Lost World»
«Mommy's very angry.» – Ian Malcom in «The Lost World»
Quelle: Warner Bros. Switzerland

Dafür bleibt aber der grossartige Bombast und eine Meisterleistung bei der visuellen Umsetzung der Oasis. Die Charaktere sind durch die Bank sympathisch und selten langweilig. Es macht einfach verdammt viel Spass, «Ready Player One» zu gucken. Du kannst dir den Film getrost drei-, vier- oder sechzehnmal anschauen – es gelänge dir immer noch nicht, sämtliche Easter Eggs zu entdecken. Denn die schiere Anzahl an Verweisen und Anspielungen quer durch die Popkultur der 1980er ist überwältigend.

Daher: Go, see it!

Oder, um es wie James Halliday zu sagen: «Players, are you ready?»

24 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 

18 Kommentare

Avatar
later