
Meinung
«Stalker 2» schafft es, den alten Zauber neu zu entfachen
von Philipp Rüegg
«Portal 2» ist eines der wegweisendsten Spiele überhaupt und eine perfekte Fortsetzung. Pünktlich zum zehnjährigen Jubiläum werfen Simon und ich einen Blick zurück auf das legendäre Puzzle-Game mit der verrückten Killer-KI GLaDOS. Heute 11:00 Uhr geht's los.
Eine selbst designte Umhängetasche im «Portal 2»-Look. Dafür habe ich mal über 300 Dollar hingeblättert. In meinem Büro hängt bereits die zweite Version eines «Portal 2»-Posters. Das erste war ausgebleicht. Buchstützen mit den ikonischen orangen und blauen Portal halten meine Spielesammlung zusammen. Und irgendwo klebt bestimmt noch der eine oder andere Sticker mit Aperture-Science-Logo. Der geheimnisvollen Firma, die für die verrückten Experimente in Valves Kult-Rätsel-Serie verantwortlich ist.
«Portal» von 2007 und «Portal 2», das fast taggenau vor zehn Jahren am 18. April 2011 auf den Markt kam, hat in meinem Gamer-Herz einen festen Platz eingenommen. Dabei begann alles ganz unaufgeregt mit einem Indiespiel namens «Narbacular Drop». Valve-Chef Gabe Newell war so beeindruckt vom Spielprinzip, dass er der gesamten Belegschaft einen Job anbot, um unter seinen Fittichen an einem spirituellen Nachfolger zu arbeiten. Aus dieser Zusammenarbeit entstand eines der herausragendsten Werke des «Half-Life»-Studios, mit dem es auch das Universum teilt.
Wie in «Portal 1» übernimmst du in «Portal 2» die Rolle von Chell. Einer stummen Protagonistin, die sich in einem menschenverlassenen Testlabor wiederfindet, das von GLaDOS regiert wird. Wer könnte jemals die durchgedrehte künstliche Intelligenz vergessen, die dich im Verlauf des Spiels mit ihrem zynisch, trockenen Humor piesackt, während du immer abstrusere Rätsel lösen musst. Ihre fröhlich scheppernde Synthesizer-Stimme, gesprochen von Ellen McLain, hallt für immer in meinen Ohren. Bei den Rätseln kommen die namensgebenden Portale zum Einsatz, die Chell mit ihrer Portal Gun kreieren kann. Die Erinnerung an die gehirnzermanternden Physik- und Logikrätsel zaubern mir noch heute ein Lächeln ins Gesicht und Schmerzen in den Kopf.
Keine Schmerzen sondern geniale Ideen im Kopf hatten die gewieften Damen und Herren bei Valve. Die Mischung aus kniffligen Rätseln, geheimnisvoller Welt und humorvollen Charakteren erwies sich als Geniestreich. Im zweiten Teil stösst zu GLaDOS die faselnde Roboter-Drohne Wheatley hinzu, die vom britischen Schauspieler Stephen Merchant perfekt vertont wird. Die witzigen Wortwechsel oder besser gesagt Monologe der beiden Maschinen – Chell spricht ja nie – machen aus «Portal 2» eine regelrechte Komödie. Dazu steuert auch J. K. Simmons wesentlichen bei, der als Stimme des exzentrischen CEO von Aperture Science deine Experimente begleitet.
Und überhaupt überzeugt die geheimnisvolle Welt – das gigantisches Test-Labor, das primär über geschickte Design-Sprache, kurze Schulungsvideos und verstaubte Informationsplakate mit Leben gefüllt wird. Inspiriert ist das Leveldesign von Industrieanlagen der NASA, von CERN und dem sowjetischen Raumfahrtprogramm. «Portal 2» kommt ohne Erzählstimme, Tonbänder oder irgendwelche Dokumente aus, die dir fein säuberlich alles erklären. Durch das bewusste Weglassen von Informationen entsteht eine einzigartige Welt im Kopf, die mich bis heute fasziniert.
«Portal 2» übertrifft «Portal 1» in jeglicher Hinsicht. Die Rätsel sind komplexer, ohne komplizierter zu werden. Den Charakteren wird mehr Raum gegeben, sich zu entfalten. Und das Leveldesign punktet dank verbesserter Engine mit riesigen, abstrakten Räumen, wodurch sich die Rätsel noch epischer anfühlen. «Portal 2» ist für mich ein perfektes Spiel. Kein Wunder, fürchtet sich Valve so vor der Nummer drei.
Wer nach der packenden Kampagne noch nicht genug vom Rätseln hat, für den liefert Valve noch einen Co-op-Modus mit Zusatzleveln. Dort übernimmst du und ein weiterer Spieler die Roboter ATLAS und P-Body, die für GLaDOS Tests absolvieren und sich schliesslich mit der künstlichen Intelligenz in die Schaltkabel kommen. Das gemeinsame Lösen der Rätsel macht das Ganze noch verzwickter, denn nun kommt auch noch gute Absprache hinzu. Perfekt für zwei Chaoten wie Simon und mich. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläum haben wir uns nämlich noch mal in das Testlabor gewagt.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.