
Hintergrund
Uncanny Valley: Wenn dich computeranimierte Fratzen in deine Alpträume verfolgen
von Luca Fontana
Der zweite Trailer zu «Pokémon: Detective Pikachu» wirft Fragen auf. Wie lang ist das Fell eines Pikachus? Muss ein Pummeluff nicht kahl sein? Und wer zum Teufel hat einen Höllenaffen in den Trailer gepackt?
Im Sommer wird das gelbe Pokémon Pikachu sich als Meisterdetektiv auf der Leinwand verdient machen. Die Stimme der Blitzratte spricht Schauspieler Ryan Reynolds und verleiht ihm so einen leicht anrüchigen Touch, nicht zuletzt da sein Pikachu offensichtlich koffeinabhängig ist. Er könnte jederzeit aufhören, versteht sich, er will einfach nicht. Das hat uns der zweite Trailer zum Film gelehrt.
Beim Morgenkaffee auf der Digitec-Redaktion entbrennt eine Diskussion. Editor Luca Fontana und ich sind uns nicht sicher, wie Pokémon fotorealistisch aussehen sollen. Wir kennen die ersten 150 Monster, die in der fiktiven Gegend Kanto leben, noch aus der roten und blauen GameBoy-Edition. Damals sah das so aus.
Jetzt so:
What the fuck?
«Pikachu hat doch ein Fell wie eine Europäische Kurzhaarkatze», sagt Luca. Da bin ich nur bedingt damit einverstanden, denn von allen Pokémon aus dem Film komme ich am ehesten mit Pikachus Look klar.
Einzig die roten Bäckchen, aus denen Pikachu gerne Blitze schiesst, machen mir Sorgen. Die sind einfach zu rund, um die Felllänge zu rechtfertigen. Der weisse Bauch aber steht dem Pokémon mit der Ursprungsnummer 25 gut zu Gesicht.
«Dieses Vieh geht komplett an mir vorbei», sage ich, denn alle Pokémon, die aus Ären stammen, in denen ein Stuhl als Modell für Pokémon herhalten musste, ignoriere ich geflissentlich.
Luca hingegen hat eine Meinung: «Vielleicht Donald Trump‘s liebstes Pokémon mit seinem mexikanischen Sombrero. Kappalores erfüllt sämtliche Klischees». Damit kann ich leben, das Vieh soll hinter einer Mauer verschwunden bleiben.
Eigentlich wissen wir nicht so recht, wie wir uns Glurak im echten Leben vorstellen sollten. Doch jetzt, wo wir den Drachen mit dem flammenden Schwanz sehen, sind wir uns einig: In etwa so sieht Glurak aus.
«Vielleicht etwas ledriger», fügt Luca an, mit vielen «Ähm…» zwischen den Wörtern des Satzes, «aber als Drachen-Echsen-Dings macht es durchaus Sinn, dass er Schuppen hat.»
Entweder müsste Relaxo komplett haarlos sein oder dann Moos im Fell haben, denn das Pokémon schläft nur. Einige Faultiere auf dem Planeten Erde haben Moos im Fell, da sie sich zu wenig bewegen und so den Wuchs der Vegetation ermöglichen.
«Der sieht doch gemütlich verpennt aus. Ich mag sein Design», sagt Luca.
Machomei sieht genau so aus, wie ein Bodybuilder mit vier Armen auszusehen hat. Denn das Kampfmonster – in der ersten Generation eines der Aushängeschilder des Typs «Kampf» – ist Bodybuildern im echten Leben nachempfunden. Nur halt eben in blaugrau.
Sonst gibt‘s hier nicht viel zu sagen.
Genau so muss ein Snubbull aussehen. Wie so ein flauschiges Hündchen mit permanent mieser Laune. Denn Snubbull ist so lose auf einer französischen Bulldogge basierend: Hässlich und grimmig, aber irgendwie doch niedlich.
Aber Snubbull hat ein Fell, das einem Rock gleicht. Bevor wir das sehen, erlauben wir uns kein abschliessendes Urteil.
Bisasam ist ein Frosch, der eine Pflanzenknospe auf dem Rücken trägt. Und genau so sieht Bisasam im Trailer aus. Das Grünzeug auf dem Rücken hat Textur, Bisasams Haut weniger.
Nettes Detail am Rande: Sogar die roten Augen wurden übernommen.
Schlurp war schon immer ein seltsames Pokémon, das generell jedem Vergleich spottet. Was hat die Designer da geritten? Im Film ist dann laut mir die designtechnische Verstauchung komplett, denn irgendwie fällt Schlurp schon fast ins Uncanny Valley. Da hat doch einer einen 50jährigen Menschen gehäutet und die Haut einem Tier übergezogen. Gruslig. Vielleicht würde etwas Flaum helfen.
Luca aber fällt etwas auf: «So habe ich mir in etwa Glurak vorgestellt. Leicht ledrig und mit wenig bis gar keinem Fell». Die schwarzen Augen sähen gfürchig aus, aber ansonsten sei er recht zufrieden mit dem Filmdesign.
Im Game sieht Schlurp aber definitiv besser aus. Denn in Pixelform stellt sich die Frage nicht, ob er jetzt Babyhaut oder Runzeln hat.
Das Ding ist ein Ballon, kein flauschiger Ball. Der Pokédex, das offizielle Lexikon aller Pokémönner, sagt sogar, dass Pummeluff mit Luft gefüllt ist. Klar, da ist eine Haartolle, aber das war‘s dann mit Haaren an Pummeluffs Körper. Grässlich. Das geht nun wirklich gar nicht. Designer, ihr müsst da nochmal drüber. Sowas kann keiner auf der Leinwand ertragen.
Eine Frage noch: Wo verstaut Pummeluff das Mikrofon? Und wie funktioniert ein Mikrofon, das zum Stift wird? Hat das Vieh irgendwo eine Körperöffnung, in dem der Mikrostift verstaut werden kann? Warum denken wir über sowas nach?
Kennen wir nicht. Räudiges Biest. Moving on.
Designtechnisch ein Volltreffer. Die Bewegungen passen voll zum Design, und dass Quajutsu sich wie ein Ninja aus den Shaw-Brothers-Filmen durch die Bäume schwingt, verleiht ihm zusätzlich Stil.
Einzige Frage: Warum muss die Zunge als Schal herhalten? Das ist doch evolutionär komplett sinnlos und irgendwie eklig.
Mewtwo muss so aussehen, als ob er ein verrecktes genetisches Experiment sei. Denn genau das ist er laut dem ersten animierten Film auch. Er muss böse, bedrohlich, halbfertig und angepisst wirken. Genaue das schaffen die Filmemacher im Trailer mit 62 Frames.
Hoffentlich hat Mewtwo eine grössere Rolle im Film, denn dann wäre die Nostalgie-Bombe gelungen.
Oh Gott. Ich bin mir sicher, dass jede Sekunde im Leben des Pantimos eine Qual ist und es daher von besagter Qual erlöst werden sollte. Die Proportionen sind biologisch verantwortungslos, der Kopf ist der eines ganz anderen Tiers auf einem Körper, den Puppenspieler Gepetto aufgrund qualitativer Mängel in den Container geschmissen hat und des Pokémons Blick weist auf akute Selbstmordgefahr hin.
Nein.
Zugegeben, Pantimos sieht im Game und im Zeichentrickfilm genauso aus. Auch dort: Lieber schnell mit dem Häslitöter hinter den Schopf.
So. Fertig. Luca geht aus dem Sitzungszimmer und sucht einen GameBoy. Er muss die Games nochmal spielen. Als Vorbereitung für den Film, versteht sich. Denn ein echter Pokémon-Trainer ist nie unvorbereitet.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.