
Hintergrund
Antutu Benchmark Manipulation mit einer Küche und etwas Motivation
von Dominik Bärlocher
Oppo ist auf Invasionskurs. Nach dem Reno 5G bringt der chinesische Hersteller das Oppo Reno 2 in der Schweiz auf den Markt. Zum Kampfpreis. Mit gut klingender Kamera. In London habe ich das Phone angetestet und kann sagen: Das könnte gut kommen. Sehr gut.
Oppo ist scharf auf Europa. In China ist die Marke aus Dongguan, Guangdong, der drittgrösste Hersteller von Smartphones. In Europa sind die Chinesen beinahe unbekannt. Wohl nicht zuletzt wegen der sich stetig wandelnden Situation im Handelskrieg zwischen den USA und China sucht sich das Unternehmen, das stetig wachsen will, neue Märkte.
Ich bin scharf auf das Oppo Reno 2. Denn nicht nur sind die Smartphones von der Hardware her ziemlich vielversprechend, sondern die aggressive Preispolitik der Chinesen macht die Marke interessant.
Heute Morgen habe ich das Oppo Reno 2 in London im Rahmen des offiziellen Launch Events angetestet. Wenn du jetzt ein vollständiges Review erwartest, dann hast du hier kein Glück. Innerhalb von wenigen Stunden ein Phone vollständig zu testen, ist schlicht nicht möglich. Aber so erste Features kann ich dir schon mal vermitteln. Insbesondere die Kamera, mit der Oppo im Marketingmaterial prahlt, hat es mir angetan.
Da ist zwar noch ein Presse-Event am Nachmittag, mit Keynote und allem, aber wenn du ein Phone bei Kaffee und Doc Martens Boots antesten kannst, dann schlägt das doch jede Laborumgebung oder Presse-Hands-on-Area. Denn wenn alles gesagt und gedrückt ist, ist die Chance höher, dass du in Camden ein Bild machst als in einer Ausstellung des Herstellers.
Damit wären wir schon bei der Kamera. Die sieht hinten recht auffällig aus. Die vier Kameras sind prominent untereinander angeordnet. Darunter ein dekorativer Knubbel, der allem Anschein nach keine Funktion hat. Und wenn, dann ist diese nicht wirklich offensichtlich. Aber im Kontext meiner Arbeit ist so ein Knubbel höchst faszinierend. Denn Hardware Design ist wichtig. Zwar betrifft das in der Regel die Kanten und deren Design – und die sind beim Reno 2 recht flach und angenehm gehalten –, aber so ein Knubbel kann der Haptik viel zutun oder absprechen.
So liegt das Reno 2 gut in der Hand. Nichts Herausragendes, aber verglichen mit den zugegebenermassen allesamt langweiligen Phones dieses Jahres kann das Oppo Reno 2 in Punkto Haptik und Gewicht mithalten. Es wiegt ohne SIM-Karte etwa 189 Gramm.
Kaffee ist leer. Leider. Zeit für den Kameratest.
Das soll nicht nur für Fotos gut sein, sondern auch für Video. Mit der Stabilisation hat Oppo sogar separat Werbung gemacht. Denen ist das wirklich ernst.
Nichtssagend. Okay, dann testen wir das doch mal. Leider filmt das Reno 2, anders als das Reno 5G, nur in 1080p/60fps. 4K/60fps wäre definitiv netter gewesen. Die Stabilisation schaltet sich per AI ein und dann kannst du doch ziemlich gut zittern und das Bild bleibt stabil. Eine Vermutung: Wenn der Stabilisator aktiv ist, dann schneidet dir das Phone dein Video ein bisschen zu und sucht sich Fixpunkte im Video. Diese Fixpunkte bewegen sich dann im Video, bleiben aber im Bild am Ort verankert, an dem sie die AI festpinnt.
Das sieht schon mal ordentlich aus. Aus Zürich meldet sich Videoproduzentin Stephanie Tresch, die das Video oben zusammengeschnitten hat. Sie sagt, dass die Bildqualität merklich zu leiden scheint, wenn sich die Kamera bewegt. Von einem Flimmern spricht sie. Zudem sei der Ton weit unter dem Durchschnitt im Vergleich mit anderen Smartphone-Kameras. Dazu zieht Oppo mit den Grossen des europäischen Marktes mit und hat eine Art Richtmikrofon verbaut. Das heisst, dass wenn du filmst und zoomst, dann zoomt das Mikrofon mit. In etwa so.
Mehr Kaffee. Schwarz. Kein Zucker. Und eine Banane in Makro.
Abscheulich. Warum ist es eigentlich so schwierig, eine gute Tasse Kaffee zu finden? Können wir ein Presse-Event in Reykjavik haben? Da gibt's Reykjavik Roasters. Das Bild ist aber ganz gut gelungen. Die leichten, feinen Unebenheiten des Metalls der Telefonkabine und der Lichteinfall werden ganz ordentlich wiedergegeben und die Banane sieht auch nach wie vor scharf aus.
Nur mit der Kamera ist es nicht getan, denn Oppo hat sich mit dem Nicht-Nachfolger des Oppo Reno, dessen 5G-Variante ich vor einigen Monaten getestet habe, mehr Mühe gegeben. Gespart hat der Konzern am System-on-a-Chip. Aktuell ist der Qualcomm Snapdragon 855, das Oppo Reno 2 läuft auf dem Qualcomm Snapdragon 730. Der Prozessor ist zwar im laufenden Jahr erschienen und Oppo ist mit dem Reno 2 eines der ersten Phones mit dem SoC, aber ganz mit dem grossen Bruder kann es nicht mithalten. Du merkst das aber nur dann, wenn du das System so richtig anstrengst.
Habe ich versucht, ist mir nicht gelungen. Natürlich werden dir Benchmarks wie Antutu tiefere Werte als bei der grossen Konkurrenz auswerfen, aber theoretische Werte sind in der täglichen Benutzung mehr oder weniger wertlos.
Ferner ist da das Ding mit dem Schnellladen. Im Volksmund heisst das Quick Charge. Aber Quick Charge ist eigentlich eine spezifische Technologie, die natürlich nicht an alle Hersteller von Smartphones verkauft wird. Da gibt es Quick Charge, Fast Charge, Dash Charge und Oppo hat VOOC. VOOC steht für Voltage Open Loop Multi-step Constant-Current Charging. Eigentlich würde das dann VOLMSCCC sein, aber da das keiner aussprechen kann oder will, hat Oppo die zwei Os aus dem Wort «Loop» genommen und das dann VOOC genannt.
Stellt sich die Frage, wie du VOOC aussprichst? Ein englisches hartes V wie in «Village», das fast wie ein «F» klingt? Ein «OO» wie in «Cool»? Dann ein «C». Sprich das mal aus. Viel Spass.
Haha.
VOOC lädt den 4000mAh-Akku des Reno 2 laut Angaben mit 20W innerhalb von 30 Minuten von Null auf 75%. VOOCing awesome.
Das ganze werkelt hinter einem 6.5 Zoll, also 16.6cm, diagonalen AMOLED Screen, der mit 2400×1080 Pixel auflöst. Das ist ordentlich, aber jetzt nichts, weswegen du das Phone unbedingt kaufen solltest.
Spannend wird es in der Bedienung. Die Software mag User, wie es scheint. Ich bin ja kein grosser Fan von irgendwelchen Custom Launchers auf Phones, da diese meist alles langsamer und hässlicher machen. Huaweis Emui ist da das Paradebeispiel für hässlich, Xiaomis Miui das für «fucked up beyond all repair». Und das, obwohl die Hardware bei beiden Herstellern eigentlich stimmt. Oppos Color UI ist zwar auch hässlich, aber immerhin kannst du Icons auf dem Home Screen en masse verwalten. Das ist mal ein gutes Feature, das hoffentlich in Core Android übernommen wird.
Daher ist das Oppo Reno 2 faszinierend in Sachen Marketing. In der Regel bleiben Smartphones, die nicht zu den Flaggschiffen gehören, so bitzli unter dem Radar. Ein Samsung Galaxy S kriegt ein fancy Presse-Dingens irgendwo in London, ein Huawei P wird in Paris vorgestellt. Ein Mid-Range Phone, wie das Oppo Reno 2 es ist, erscheint in der Regel einfach mal und vielleicht eine Pressemitteilung dazu. Oppo aber macht das anders und sagt klar, dass ihnen die Mittelklasse genauso wichtig ist, wie die Flaggschiffe. Das darf sich gerne so durchsetzen, denn die Mittelklasse ist da, wo neue Features in einem vergleichsweise harmloseren Kontext getestet werden. Wenn da etwas scheitert, dann gibt es wenigstens keinen Skandal, der die Verkäufe eines Top-of-the-Line-Geräts versaut und allenfalls zu Rufschädigung führt. Keiner wird je das Note 7 vergessen. Oder das Galaxy Fold.
Zeit, an den Presse-Event zu gehen. Eine letzte Tasse Kaffee noch, ein absurd süsser Donut und dann wieder an die Arbeit. War spassig mit dem Oppo Reno 2.
Unter diesen Artikeln kommt immer die Frage, wann wir das Phone anbieten werden. So als Faustregel: Wenn Kollegin Andrea Jacob das bereits vor dem Event weiss, dann lässt sie es mich wissen und ich lasse es dich wissen. Denn ich finde es etwas unanständig, dir alle Informationen zu einem Device zu geben und dann dir das eine Ding zu verheimlichen. Daher: Wenn nichts steht, dann weiss ich das nicht.
Andrea Jacob hat sich aber extra zu Wort gemeldet und mich im Video des Live Streams gesucht um mir folgendes Statement zu geben: Ja, es kommt. Sie sei dran. Aber ein Datum ist noch unbekannt.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.