
Hintergrund
30 Jahre Netscape und warum in allen Browsern ein bisschen Mozilla steckt
von Debora Pape
Opera Neon sollte die Browser-Welt generalüberholen und Internet-Nutzern eine komplett neue Experience bringen. Ein Blick zurück auf eine gescheiterte Revolution und ihre Erben.
Opera ist ein Browser mit verschwindend kleinem Marktanteil. Denn dieser wird von Google Chrome beherrscht. Laut Branchendienst Statista haben 70 Prozent der Internet-Nutzer mit Chrome gearbeitet, nur 2.38 Prozent aber nutzen Opera.
Opera ist dennoch ein wichtiges Element in der Geschichte und der Entwicklung des Internets wie wir es kennen und nutzen. Features, die User als komplett normal und alltäglich ansehen wie die Omnibox – Die Adressleiste oben, in der du auch Suchbegriffe eingeben kannst – sind zum ersten Mal in einer Opera-Version aufgetaucht.
Ein Blick auf ein Browser-Konzept von vor zwei Jahren zeigt: Opera ist zwar nicht mehr so stark wie in der Vergangenheit, aber arbeitet dennoch an kleinen Revolutionen.
Januar 2017: Opera kündigt gross Opera Neon an. Neon sei ein Konzept-Browser, vergleichbar mit Concept Cars. Sprich: Viele neue Ideen auf einem Haufen, die vielleicht nicht in dieser Form auf den Markt kommen. Speziell an Neon aber ist, dass jeder den Browser ausprobieren kann. Das Nachrichtenportal PCWorld nennt Neon eine «radikale Vision der Zukunft der Web Browser».
Gleich nach der Installation bemerkst du aber, dass Opera nicht ganz mit alten Gewohnheiten abschliesst. Denn der Browser installiert sich nicht nur als Software, die irgendwo in deinem Computer lebt, sondern generiert automatisch eine Kachel in deinem Startmenü. Wenn du wie ich ohne die Kacheln lebst und arbeitest, dann ist das etwas erschreckend.
Das ist definitiv unelegant, zieht sich aber durch alle Versionen des Browsers, also auch die produktive, aktuelle Version 60.0.3254.0 der Developer-Version. Geltungsdrang bei einem Browser oder bei Software allgemein wirkt immer so verzweifelt.
Dann aber wird schnell klar, dass Neon einiges anders macht, aber viel, das wir von moderneren Browsern her kennen. Zwei Jahre Internetzeit sind halt eben doch eine lange Zeit. Der Startbildschirm ist gefüllt von runden Blasen, die als Speed Dial funktionieren. Sie ermöglichen dir den einfachen Zugang zu deinen meistbesuchten Websites. Das kennen wir von so ziemlich jedem Browser, sei es Firefox, Chrome oder Microsoft Edge.
Zu Beginn sind diese Blasen noch automatisch kuratiert, basierend auf nichts Offensichtlichem ausser dem Geschmack der Coder des Browsers. Youtube hier, T-Shirt Shop da, etwas News von The Verge und so weiter. Funktional unbemerkenswert, aber visuell interessant.
Wirklich spannend wird es dann bei den Tabs. Denn wo andere Browser die Tabs oben als eine Art Karteikartenreitersystem anordnen, bricht Opera Neon komplett damit. Die Tabs sind rechts am Bildschirmrand in Blasen ähnlich denen der Startseite angeordnet.
Dazu hat Neon einige wirklich nette Features. In einer Gallery kannst du Screenshots oder Ausschnitte von Screenshots abspeichern.
Und, ganz nett: Du kannst Youtube im Hintergrund laufen lassen und der Browser hat einen Menüpunkt, der in einer Blase aufgeht, wo du siehst, was du dir grade anhörst. Das Feature ist wirklich cool.
Die Browsing Experience aber ist manchmal etwas schwierig. Auf digitec.ch mag Neon die Anzeigebilder der Artikel und Aktionen nicht wirklich.
Das ist wohl eine Frage des integrierten Adblockers, der die Bilder als Werbeelement klassifiziert. Einfach mit Ausnahmen arbeiten und gut ist.
So weit der kleine Überblick aus User-Sicht über einen Browser, den es so nie geben wird. Denn vom Konzept ist nicht viel übrig geblieben. Die Spuren des Neon sind aber in der aktuellen Version Operas erkennbar, wenn du genau hinsiehst. Die Startseite gleicht derer aller anderen Browser.
Die Tabs haben den Rutsch nach rechts leider nicht überlebt. Hat wohl zu viel Bildschirmfläche gekostet. Sie sind wieder oben von links nach rechts.
Geblieben ist die Sidebar mit den Features, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob die in Opera Neon erfunden worden ist. Weiss das jemand?
Die Blasen sind komplett verschwunden. Dafür haben wir Rechtecke, die die gleiche Funktion übernehmen. Schade. Die sahen noch nett aus. Da Neon aber zu fest aufmuckt in meinem Alltagsbedarf, habe ich das nicht lange genug getestet, um abschliessend sagen zu können, ob die Blasen besser als die Rechtecke sind. Die Tabs rechts mag ich, auch wenn sie ziemlich gross sind und viel Bildschirmfläche kosten. Aber andererseits: Wie viele wichtige Dinge passieren am rechten Rand im normalen Browser-Betrieb?
Die grosse Revolution des Browsers ist gescheitert. Vorerst. Opera Neon ist nicht zum Standard geworden, egal, wie interessant die Design- und Funktionsentwürfe sein mögen. Doch das heisst nicht, dass die Revolution nie kommen wird. Sie sieht vielleicht nicht wie Neon aus, aber so lange Leute wie die Mädels und Jungs von Opera dann und wann mal wieder Neues ausprobieren und einfach mal fragen «Hey, User, was meint ihr dazu?», bin ich optimistisch.
So. Fertig. Ich werkel auf meinem Büro-PC wieder mit Chrome und Firefox. Schade, Opera ist nach wie vor spannend. Und wenn du Neon runterladen willst, dann mach dich auf Speeds aus den 1990ern gefasst.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.