Kritik

«Mission: Impossible – Dead Reckoning Part One»: Tom Cruise rockt das Kino noch immer

Luca Fontana
12.7.2023

Wer dachte, dass Tom Cruise im siebten «Mission: Impossible»-Film die Puste ausgeht, irrt. Denn «Dead Reckoning Part One» hat das Zeug zum Action-Event des Jahres.

Eines vorweg: In diesem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.


Noch hat Tom Cruise nicht genug von «Mission: Impossible». Selbst nach 27 Jahren nicht. Denn Cruise sieht sein «Opus magnum» noch nicht als beendet. «Dead Reckoning», der siebte Ableger jenes Franchises, das ihn 1996 zum Actionstar gemacht hat, ist nämlich nur Part One. Part Two kommt nächsten Sommer in die Kinos. Der soll dann nicht nur «Dead Reckoning» abschliessen, sondern gleich die gesamte Filmreihe. So zumindest das Marketing.

Kein Wunder. Cruise ist mittlerweile stolze 61 Jahre alt. Das sind nur vier Jahre weniger als Harrison Ford, als er 2008 in «Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull» den alternden Archäologen zum vermeintlich letzten Mal gab. Umso erstaunlicher der Körpereinsatz, den Cruise noch immer mit selbstmörderischer Selbstverständlichkeit auf die Leinwand bringt. Zum Glück nicht vergebens: «Mission: Impossible – Dead Reckoning Part One» mag zwar nicht der beste Teil der Reihe sein. Er verpasst den Spitzenplatz aber nur um Haaresbreite.

Darum geht’s in «Mission: Impossible – Dead Reckoning Part One»

Fast drei Jahrzehnte ist es her, seit Ethan Hunt (Tom Cruise) seine Seele an die IMF verkauft hat – der «Impossible Mission Force». Deren Eid verlangt ihren Mitgliedern nicht nur scheinbar unmögliche Missionen ab. IMF-Agentinnen und -Agenten haben auch «im Schatten zu leben und zu sterben, für die, die uns nahe stehen und die, die wir nie treffen». Hunt legte diesen Eid ab, als er mit dem Rücken zur Wand stand. Seitdem hat er die Welt mehr als einmal gerettet. Aber noch nie vor einem Feind wie diesem: der sogenannten Entity.

Die Entity ist nämlich kein Mensch, sondern eine KI. Überall und nirgends. Gottlos, staatenlos und amoralisch. Ihr Plan? Wer weiss das schon. Ihre nächsten Schritte? Undurchschaubar. Klar ist, dass sie mächtig genug ist, die Menschheit zu vernichten. Aber wer sie zu kontrollieren vermag, der hält auch den Schlüssel zu einer gänzlich neuen Weltordnung in Händen. So entbrennt unter den Supermächten der Welt nicht nur ein Wettrennen gegen ihre eigene Vernichtung, sondern auch eines um die ultimative Kontrolle.

Nur einer hat die Mission – sollte er sich entscheiden, sie anzunehmen –, die Entität ganz zu vernichten: Ethan Hunt.

Die Entity: Kommt jetzt die Roboter-Apokalypse?

Nein, noch bricht die Roboter-Apokalypse nicht aus. Zumindest nicht in Part One. So viel Science-Fiction hätte auch nicht zu «Mission: Impossible» gepasst. Schliesslich zeichnete sich die Reihe seit jeher durch ihre Bodenständigkeit aus – so bodenständig perfekte Gesichtsmasken, Drogenbarone mit Superviren oder Terroristen mit Atomsprengkörpern halt sind. Und dennoch: Eine KI, die die Fäden im Hintergrund zieht, ist gewagt. Gerade für «Mission: Impossible».

Tatsächlich gehören die Möchtegern-dystopischen Abstecher von «Dead Reckoning» zu den schwächeren Parts des Films. Vor allem in Dialogform. Das erinnert phasenweise an eine schlecht geschriebene Folge von «Black Mirror». Die Netflix-Serie ist bekannt dafür, düstere Zukunftsvisionen zu zeichnen, die erschreckend nahe an unserer Gegenwart sind – und darum gruselig realistisch. «Dead Reckoning» versucht dasselbe. Doof nur, stellt sich Regisseur und Drehbuchautor Christopher McQuarrie an, als hätte nicht er, sondern ChatGPT die Dialoge zur KI geschrieben – ausgerechnet.

«Was, das Ding hat ein Bewusstsein!?», fragt ein Anführer einer geheimen Organisation. «Ja, und es manipuliert Informationen so, dass die Wahrheit, wie wir sie kennen, in Gefahr sein könnte», antwortet ein anderer.

Ich muss fast laut auflachen. Aber es kommt noch besser:

«Die Entität hat sämtliche Hochsicherheitssysteme gehackt. Die CIA. Das FBI. Die Europäische Zentralbank. Einfach alles.» – «Und was hat sie getan?» – «Nichts, nur Spuren hinterlassen, die offensichtlich gefunden werden sollten. Sie wollte…» – «… uns eine Nachricht übermitteln: Ich komme wieder.»

Die Staatsagenten sind selten die Hellsten in «Mission: Impossible – Dead Reckoning Part One».
Die Staatsagenten sind selten die Hellsten in «Mission: Impossible – Dead Reckoning Part One».
Quelle: Paramount Pictures

Sätze, die alles und nichts bedeuten. Absurd. Nicht, dass «Mission: Impossible» je für einen Oscar in der Kategorie «Bestes Drehbuch» nominiert war. Aber auf so tiefem Niveau hatte ich die anderen «Mission: Impossible»-Filme nicht in Erinnerung. Beinahe hätte mich diese kurze Anfangsphase, in der die Super-Bedrohung auf super-lächerliche Weise eingeführt wird, aus dem Film gerissen. Zum Glück hat «Mission: Impossible» aber mehr zu bieten als das. Vor allem einen Tom Cruise in Bestform.

Stuntman: Tom Cruise

Tom Cruise macht seine Stunts selber. Immer noch. Was früher einer dieser Hinter-den-Kulissen-Wegwerf-Sätze im DVD-Bonusmaterial war, ist zu seinem Markenzeichen geworden. Ja, schon fast zu seiner Persona. Und ganz bestimmt zum festen Marketing all seiner «Mission: Impossible»-Filme. Das geht sogar so weit, dass IMAX-Trailer seiner Stunts veröffentlicht werden, bevor’s überhaupt einen Trailer zum Film selbst gab.

The hype is real.

Dem Studio war das früher ein Graus. Für sowas gibt es ja Stuntmänner. Cruise ist der Star des Films. Das Gesicht des Franchise. Was, wenn ihm etwas passiert, weil er beim x-ten Stunt von einem Bus überfahren wird – oder sich bei Sprüngen über Londons Dächern einen Karriere-beendenden Knöchelbruch zuzieht (bitte nur klicken, wenn du keinen sensiblen Magen hast)? Aber der 61-Jährige kennt kein Pardon. Mittlerweile selbst Produzent seiner Filme, würde er eher sämtliche Stuntmänner der Produktion feuern lassen, bevor er’s sich verbieten lässt, seine eigenen Stunts zu machen.

Für Cruise mag diese Art von Extremsport eine Frage des Egos sein. Oder auch einfach nur sein Hobby. Filmtechnisch gibt er dem Franchise aber etwas, das viele Actionfilme nicht bieten können: das Gefühl, dass die Gefahr echt ist. Schliesslich ist sie ja echt. Zumindest für ihn. Für den Film bedeutet das, dass die Kamera bei jedem Stunt voll auf Cruise halten kann. Etwa, wenn er bei einem Motorradsprung von einer Bergkante, der sich mitten in der Luft in einen Basejump verwandelt, ächzend in die Kamera schreit. Natürlich mit Gegenwind im Gesicht, dass ihm sämtliche Falten aus dem Gesicht bläst.

Als Zuschauer kann ich nicht anders, als vor Anspannung meine Fingernägel tief in den Kinositz zu pressen.

Ohne Greenscreen, und mit genau solchen Kameraeinstellungen, läuft es mir eiskalt den Rücken hinab.
Ohne Greenscreen, und mit genau solchen Kameraeinstellungen, läuft es mir eiskalt den Rücken hinab.
Quelle: Paramount Pictures

Atemberaubende Action dank bewährtem Regisseur

Zu verdanken ist das nicht nur Cruises Adrenalinsucht, sondern auch dem Regisseur. Seit «Rogue Nation» aus dem Jahr 2015, dem fünften Teil der Reihe, arbeitet der Star am liebsten mit Christopher McQuarrie. Eigentlich sogar seit «Jack Reacher», Cruises Actionfilm aus dem Jahr 2012. Oben noch für seine Dialoge gerügt, muss ich McQuarrie hier ein Lob aussprechen. Denn wenn’s um die Action in «Mission: Impossible» geht, haben er und Cruise ein ungemein gutes Gespür dafür, bekannte Elemente aus früheren Filmen in sich immer noch frisch anfühlender Verpackung zu inszenieren.

Irre Verfolgungsjagden durch die schönsten Metropolen Europas? Check. Waghalsige Stunts mit Motorrädern? Jep. Faustkämpfe inmitten klaustrophobischer Sets? Auch dabei. Tracking-Shots des sprintenden Tom Cruise? Wäre es überhaupt noch ein «Mission: Impossible»-Film, wenn’s die nicht gäbe?

Dabei verblüfft mich McQuarrie immer wieder mit seiner Cleverness. Mit seiner Effizienz. Denn anders als andere Regisseure greift er selten auf Computereffekte zurück, um die Action imposanter zu machen, als Menschen an Drahtseilen vor einer grünen Wand eigentlich sind. I’m looking at you, «Fast & Furious»-Franchise. Überhaupt: Vergleiche die Action von «Fast & Furious» mit jener der «Mission: Impossible»-Filme. Bei Vin Diesels Auto-Extravaganza wirkt sie je länger je «leichter». Typisch für Stunts, die vor allem am Computer entstehen; die Physik stimmt einfach nicht. Selbst, wenn der muskulöse Actionstar die Fratze verzieht.

In «Mission: Impossible» hingegen ist die Anstrengung hinter jedem Sprung, jedem Sprint und jedem Kampf zu spüren. Wenn die G-Kräfte während Cruises Basejump an dessen Gesicht zerren, oder er beim Kampf mit dem Antagonisten auf dem fahrenden Zug verzweifelt versucht, das Gleichgewicht nicht zu verlieren – dann nehme ich ihm das ab. Für den Zug etwa hat man offenbar extra eine eigene Strecke gebaut. Entsprechend echt sind die Stunts darauf. Die Schweissperlen. Und die vermeintliche Lebensgefahr. Es ist diese Authentizität, die selbst bei auf dem Papier «kleinen» Stunts den puren Nervenkitzel auslöst.

Genau das haben Cruise und McQuarrie verstanden, und genau das hat «Dead Reckoning» den meisten aktuellen Actionfilmen voraus. Vergleichbar, wenngleich brutaler, ist eigentlich nur die «John Wick»-Reihe.

Fazit: einer der besten Actionfilme des Jahres

Tom Cruise und Christopher McQuarrie sind auch beim dritten gemeinsamen «Mission: Impossible»-Film noch ein bewährtes Team. Vor allem, wenn’s um die Action geht. Oder die immer halsbrecherischer werdenden Stunts.

Ob «Dead Reckoning» der beste Film der Reihe ist? Nein, das nicht. Der Titel gebührt «Fallout», dem direkten Vorgänger. Denn «Fallout» ist in fast jeder Hinsicht perfekt. Von den irren Stunts über das Casting von Henry Cavill bis hin zum halsbrecherischen Tempo des Films. «Dead Reckoning» hingegen schwächelt, wenn’s um die Drehbuchqualität geht. Vor allem die mysteriöse Entität ist ein interessantes, aber letztlich voller Plattitüden umgesetztes KI-Konzept. Da hätte ich mehr Cleverness erwartet.

Die alte Gang um Simon Pegg, Ving Rhames, Tom Cruise und Rebecca Ferguson gehört noch immer zu den grössten Stärken des Franchise.
Die alte Gang um Simon Pegg, Ving Rhames, Tom Cruise und Rebecca Ferguson gehört noch immer zu den grössten Stärken des Franchise.
Quelle: Paramount Pictures

Dazu kommt plötzlich dieser Antagonist – Gabriel (Esai Morales). Uns Zuschauenden wird gleich zu Beginn gesagt, dass er unheimlich wichtig für Ethan sei, weil er der Hauptgrund ist, warum Ethan zur IMF musste. Das geht sogar so weit, dass allein Gabriels Gesicht bei Ethan so etwas wie eine posttraumatische Belastungsstörung auslöst. Nach sieben Filmen. Aus dem Nichts. Ja ne, ist klar. Da wurde einfach ein neuer Charakter nachträglich reingeschrieben. Das wirkt viel zu konstruiert.

Am positiven Gesamteindruck ändert das aber nicht viel. «Mission: Impossible – Dead Reckoning: Part One» punktet nämlich mit seinem restlichen Cast. Ist wunderschön abwechslungsreich gefilmt und die Action fantastisch inszeniert. So muss sich Event-Kino anfühlen.


«Mission: Impossible – Dead Reckoning: Part One» läuft ab dem 13. Juli 2023 im Kino. Laufzeit: 163 Minuten. Freigegeben ab 12 Jahren.

Titelfoto: Paramount Pictures

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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