Meinung

Mimimi: 20 Jahre Ärger mit Netzbetreibern

David Lee
16.8.2018
Bilder: Thomas Kunz

Achtung, dieses Mimimi ist ein Mimimimimimi, also recht lang. Aber es beschreibt auch eine Leidensgeschichte, die 20 Jahre umfasst. Leiden mit Mobilfunk- und Internetanbietern.

Meinen ersten WTF-Moment bezüglich Telcos habe ich Ende der 90er-Jahre. Als junger Student suche ich einen Teilzeitjob und bewerbe mich auf eine Anzeige der nicht mehr existierenden Firma diAx. Nach mehreren Wochen kommt die Antwort: Der dafür zuständige Heini sei grad im Militär, und sein Stellvertreter sei auch irgendwo, wo der Pfeffer wächst und überhaupt sei alles gerade ein bisschen schwierig und sie würden sich wieder melden. Es meldet sich aber niemand mehr, und ich weiss nicht, bei wem ich nachfragen muss, denn unterschrieben ist die Antwort mit meinem eigenen Namen.

Als ich 2002 Cablecom-Kunde werde, ist das administrative Chaos des Unternehmens bereits legendär. Ein Jahr später melde ich einen Umzug, und es passiert – natürlich – nichts. Nach längerem Herumtelefonieren stellt sich heraus, dass ein Cablecom-Mitarbeiter die Post eigenhändig in meinen vor-vorherigen Briefkasten geworfen hat, auf dem längst nicht mehr mein Name steht. Warum er das gemacht habe, will ich wissen. Antwort: Weil die Post die Briefe nicht mehr zustellt. Aaaaaaaaargh!

Dabei ist dieser Umzug noch vergleichsweise harmlos, weil ich ausnahmsweise nicht den Anbieter wechseln muss. Normalerweise pendle ich alle zwei Jahre zwischen Cablecom und Swisscom. Mal sind die TV-Anschlüsse der Wohnung nicht digitalfähig, mal ist per Telefonkabel kein Breitband-Internet möglich. Das Geschwätz von «mehr Wettbewerb» entlockt mir ein müdes Lächeln – ich muss das nehmen, was grad funktioniert. Nichtsdestotrotz werde ich ständig mit Werbung per Post, E-Mail, Telefon und an der Haustür belästigt – Werbung für Dinge, die ich gar nicht nutzen kann.

Ich bin natürlich kein Einzelfall. 2014 wird eine Arbeitskollegin von einer ganzen Armada von aufdringlichen, als Techniker getarnten Undercover-Verkäufern heimgesucht und macht den fatalen Fehler, den ersten davon nicht gleich wieder aus der Wohnung zu werfen. Das für Aussenstehende durchaus amüsante Drama ist hier festgehalten.

Unvergessen bleibt auch der an die Öffentlichkeit gelangte Geschäftsbrief an die Cablecom, der mit den Worten «Sie scheissen mich langsam an» beginnt. Er spricht den Menschen aus der Seele.

Nach diesem PR-Fiasko werden Support und Kundenfreundlichkeit beim Kabelanbieter zwar besser, aber besser heisst noch lange nicht gut. Im Kontakt mit unseren lieben Telcos haben wir uns längst an endlose Warteschlaufen am Telefon gewöhnt, bis dann irgendwann mal ein Support-Mitarbeiter abnimmt, der aber auch nur auf die häufigsten Probleme eine Antwort weiss. Ich lerne: solange es läuft, nie das Abo wechseln.

Wehe dir, wenn du zum Spezialfall wirst

Was dir blüht, wenn du mal ein etwas spezielleres Problem hast, erfahre ich ausgerechnet bei der Swisscom, deren Support als vorbildlich gilt. Ich teste im April 2014 das brandneue Swisscom TV 2.0. Dazu muss natürlich bei mir zu Hause das passende Abo freigeschaltet werden. Dieses Abo ist etwa doppelt so teuer wie mein bestehendes, und ich mache von Beginn an klar, dass ich nach dem Test wieder zurück zu meinem alten will. Aber alle meine Fragen, wie lange der Testzeitraum genau dauere und was danach genau zu tun sei, bleiben unbeantwortet. Rechnungen und Mahnungen zu meinem Test-Abo hingegen flattern pünktlich rein. Nach meinem etwa 30. Mail an die Swisscom versucht man plötzlich, mein Luxusabo abzuschalten und entschuldigt sich noch, dass man es nicht früher abschalten könne.

Keine Entschuldigung erhalte ich dafür, dass bei mir eine Woche lang weder Telefon, Internet noch Fernsehen funktioniert – einfach nur deshalb, weil jemand bei der Swisscom das falsche Datum in die Erfassungsmaske eingetragen hat. Inzwischen ist Juni und die Fussball-WM hat begonnen. Ausserdem arbeite ich temporär gerade nur von Zuhause und bin auf eine funktionierende Internetleitung dringend angewiesen.

Die können einem schon den letzten Nerv rauben (Symbolbild).
Die können einem schon den letzten Nerv rauben (Symbolbild).

Was in den folgenden Tagen passiert, ist sehr kompliziert und kaum im Detail zu beschreiben. Ich verbringe meine Zeit hauptsächlich mit dem Swisscom-Support, ich erhalte nochmal die Settop-Box für den TV, die ich schon habe, das Telefon funktioniert weiterhin nicht. Ich bekomme einen Mikrofilter, der das Problem beheben soll, es aber nicht tut. Mal heisst es, ich könne meinen Router weiterhin verwenden, dann wieder nicht, dann heisst es, ein Techniker müsse vorbeikommen. Der kommt, schneidet die alte Telefonleitung durch, erzählt ein bisschen Quatsch und geht wieder.

Jedenfalls können die Swisscom-Supporter mein Problem nur dadurch lösen, dass sie einen von Grund auf neuen Kundenaccount für mich eröffnen. Nun erhalte ich sämtliche Hardware nochmals (muss ich natürlich wieder zurückschicken), alle Einstellungen sind weg (SRF1 auf Sender 342, Rechnungen werden wieder per Papier gesendet), und mit dem alten Account kann ich mich weiterhin einloggen. Ein Riesenpuff. Ich kann – warum auch immer – nicht mehr auf E-Rechnung zurück.

Die Papierrechnungen erhalte ich immer erst wenige Tage vor Ablauf der Zahlungsfrist. Entweder verschickt Swisscom die Rechnungen als C-Post oder sie werden schlicht nicht am Rechnungsdatum verschickt. Die Zahlungsfrist ist dementsprechend verkürzt, und die Mahnung mit einer Strafgebühr von 20 Franken geht dann im Gegensatz zur Rechnung sofort raus. Seltsame Geschäftspraktiken.

Einmal bin ich am Telefon drauf und dran auszuflippen – und werde sofort an eine andere Stelle weiterverbunden, wo sich eine überaus freundliche Dame extrem verständnisvoll zeigt. Auch bei einer negativen Äusserung auf Twitter dauert es keine 10 Minuten, bis sich der Support bei mir meldet. Merke: Immer möglichst unfreundlich sein, dann wirst du freundlich behandelt.

Gelb-Rot für Orange, Pfefferspray für Salt

Bei den Mobilfunkanbietern herrscht das gleiche Chaos wie bei den Festnetzanbietern. Seit über 20 Jahren. Den gröbsten Katastrophen kann ich lange Zeit durch Prepaid-Angebote entgehen. Aber eben nur den gröbsten. Zum Beispiel führt Orange in den Nullerjahren ein neues, viel günstigeres Prepaid-Angebot ein – natürlich ohne die bestehenden Kunden darüber zu informieren. Warum auch, wenn man weiterhin zum alten Tarif abkassieren kann. Alle Betreiber locken Neukunden durch «Willkommensgeschenke» an, Kundentreue wird bestraft, zum Beispiel mit lächerlichen «Aufschaltgebühren». Intransparenz gehört zum Geschäftsmodell: Die Preismodelle sind absichtlich so kompliziert, dass kein Mensch durchblickt und es praktisch unmöglich ist, die Anbieter und ihre Abos direkt miteinander zu vergleichen. Gespräche über Handy-Abos füllen ganze Abende, obwohl das Thema todlangweilig ist.

Das Admin-Chaos bei Orange gipfelt 2014 darin, dass zahlreiche Kunden monatelang keine Rechnungen mehr erhalten. Schön, nichts mehr bezahlen zu müssen, nicht wahr? Leider zu früh gefreut, die Rechnungen kommen irgendwann doch noch – und sind fehlerhaft. Mir als Prepaid-Kunde kann das egal sein. Aber ich erhalte auf der Website keinerlei Informationen über meine Handynutzung, ich habe keinen Schimmer, was bei mir warum abgebucht wird.

Zu Orange bin ich ja eh nur gekommen, weil ich jemandem ein Handy mit SIM-Lock abkaufte – auch so eine Kundengängelei. Aber zur Konkurrenz wechseln bringt nichts, weil es überall der gleiche Mist ist. Also bleibe ich dem Anbieter auch unter dem neuen Namen Salt treu. Mittlerweile habe ich ein Smartphone, und für die regelmässige Internetnutzung (WhatsApp) ist das Prepaid-Modell von Salt unbrauchbar. Ich lasse mich durch eine Aktion telefonisch zu einem Abo überreden. Den Vertrag schliesse ich auch telefonisch ab, ich erhalte den Hinweis, der Betrag auf dem Vertrag sei dann nicht korrekt, aber das könne ich ignorieren. Salt verrechnet aber vom ersten Monat an das Doppelte des ausgemachten Betrags, der mündlich vereinbarte Rabatt war im Vertrag ja nicht vermerkt. Salt weigert sich nicht nur, den Rabatt zu gewähren, sondern auch, das Abo rückgängig zu machen, da ich ja bereits angefangen habe, es zu benutzen.

Während ich diesen Artikel abschliesse, schickt mir Salt per SMS eine Werbung für ein neues Abo.

Nun wechsle ich doch noch. Also nicht das Abo, sondern den Anbieter. Nicht dass ich mir davon eine Besserung verspreche, mehr aus Prinzip. Im April 2019 endet mein Knebelvertrag und eine 16-jährige Kundenbeziehung. In diesem Sinne: Tschö.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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