

Labo VR: Nintendos Karton-VR-Lösung überrascht und enttäuscht zugleich

Nintendo steigt ins VR-Business ein – nicht zum ersten mal. Ein Flop wie der Virtual Boy vor 25 Jahren ist Labo VR zum Glück nicht geworden. Trotzdem gibt es einige unverständliche Ähnlichkeiten.
Als Nintendo mit Labo Kartonspielzeug für die Switch vorstellte, schüttelten die einen ratlos den Kopf, während andere den Erfindergeist feierten. Das Ergebnis hat viele positiv überrascht. Die Bastelsets machen enorm Spass beim Zusammenbau, bieten danach aber wenig Wiederspielwert. Dass Nintendo ausgerechnet dafür ein VR-Set anbietet, überrascht nicht besonders. Was mich hingegen überrascht hat, ist, dass die Japaner offenbar nichts aus dem Debakel mit dem Virtual Boy gelernt haben. 1995 gab es nämlich bereits eine VR-Brille von Nintendo. Die war ein solcher Flopp, dass sie nach nur einem Jahr wieder eingestampft wurde. Recycling-technisch wäre Labo prädestiniert zum Einstampfen. Ganz so schlimm ist die Sache dann aber doch nicht.
Der erste Eindruck ist überraschend positiv
Die Skepsis gegenüber Labo VR kommt nicht von irgendwo. Die Switch besitzt ein Display mit 1280 × 720 Pixel. Jedes Budget-Smartphone hat die höhere Auflösung. Zum Problem wird das erst, wenn das Switch-Display für VR benutzt wird: So müssen zwei Bilder gleichzeitig dargestellt werden. Die Switch liefert dann pro Auge noch ein Bild von 640 × 720 Pixel. Mit solchen Auflösungen haben wir vor 20 Jahren auf dem Nintendo 64 gespielt. Hinzu kommt eine weitere Hürde. VR erfordert viel Leistung. Empfohlen werden ausserdem Bildwiederholraten zwischen 90 und 120 Hertz. Die Switch schafft nur 60.
Mit diesen Einschränkungen mache ich mich an die ersten Minispiele. Beim grossen Toy-Con-Set sind neben der eigentlichen VR-Brille vier Bastelsets enthalten. Ein Elefant, eine Kamera, ein Vogel mit Windpedal und ein Blaster. Das Starterset enthält nur VR-Brille und den Blaster. Der Zusammenbau macht nach wie vor am meisten Spass. Die interaktive Anleitung ist schlichtweg genial und äusserst intuitiv. Die Minispiele, die mit den jeweiligen Konstruktionen gespielt werden können, sind wie schon bei früheren Sets sehr kurzweilig. Spassig, aber nach ein zwei mal, hast du es gesehen.
Das VR-Erlebnis überzeugt jedoch. Durch den einfach gehaltenen Grafikstil und das ruhige Gameplay, ist mir nie schlecht geworden. Dafür konnte ich jede noch so kleine Unreinheit auf meiner Switch sehr genau ausmachen.
Ein Problem ist das Gewicht der Switch. Bei allen Spielen steckst du die sie in die VR-Vorrichtung und danach in einen der vier Bausätze. Zum Spielen musst du das ganze Konstrukt vor dein Gesicht halten. Es gibt kein Kopfband, nichts. Wenn ich nach wenigen Minuten schwere Arme kriege, macht das Kindern garantiert noch weniger Spass. Ausser sie sind BamBam von den Flintstones. Das Erlebnis erinnert mich stark an den Virtual Boy. Dort war das Headset ebenfalls viel zu schwer. So schwer, dass es Stützbeine hatte, damit du es auf den Tisch stellen konntest.
Zelda und Mario: Hier gibt es nichts zu sehen – ausser Pixel
Noch etwas erinnert an den Virtual Boy: Die Bildqualität in den VR-Modi für «Super Mario Odyssey» oder «Zelda Breath of the Wild». Keine Angst, die Spiele sind in Farbe und nicht eine laserpointerrote Ausgeburt der Hölle. Das macht es aber nur minimal besser.
Durch Gratis-Updates wurden beide Spiele für Labo VR nachgerüstet. «Super Mario Odyssey» erhält zusätzliche Minispiele, in denen du verschwundene Instrumente finden musst. Mit dem Kopf steuerst du die Kamera und mit den Controllern, die an der Labo-VR-Brille montiert sind, kontrollierst du Mario. Das ist genauso unbequem, wie es klingt. Ausserdem sieht das Spiel in VR schrecklich verpixelt aus. Und anders als «Astro Bot» für die PSVR, welches ein Paradebeispiel ist, wie 3D-Jump-’n’-Run-Games in VR sein können, bietet «Super Mario Odyssey» keinerlei Mehrwert.
«Zelda Breath of the Wild» liefert zwar keine Minispiele, lässt sich dafür komplett in VR durchspielen. Aber glaub mir, das willst du nicht. Zum einen ist auch hier die Auflösung absolut unterirdisch. Die Kollegen von Digital Foundry haben in der Bildmitte 480p gemessen. Link hat damit ein so zermatschtes Gesicht als ob er den finalen Bosskampf mit Ganon nicht überstanden hätte. Die Framerate knickt teilweise auf 20 fps ein. Kommt hinzu, dass es kein richtiges Headtracking gibt. Wenn du wie ich ohne Bewegungssensoren gespielt hast, dann passiert gar nichts, wenn du den Kopf bewegst. Das heisst, etwas passiert schon: Es wird dir schlecht. Das schlimmste an VR ist die Dissonanz zwischen Bewegungen und dem, was im Spiel passiert. Aktivierst du die Bewegungssteuerung zum Zielen wird es auch nicht besser. Mit Kopfbewegungen steuerst du zwar die Kamera, aber nicht wie du es dir vorstellst. Sie dreht sich nicht mit dir, sondern schwebt hoch und runter, sodass dir noch viel schlechter wird.
Der ganze Motion-Mist schadet also mehr als dass er hilft. So oder so bringt der VR-Modus nicht viel. Zelda sieht zwar etwas plastischer aus, aber durch den verwaschenen Look und die schlechte Framerate macht das Spiel überhaupt keinen Spass. Obendrauf habe ich bereits nach fünf Minuten keine Lust mehr, mir dieses schwere Kartonkonstrukt vors Gesicht zu halten. Schlechte Voraussetzung für ein 80-Stunden-Spiel.
Fazit: Besser und schlechter als erwartet
Labo VR hat mehrere Seiten. Zum einen ist da das bewährte und geniale Bastelerlebnis. Es macht grossen Spass, die ausgefallenen Konstruktionen zusammenzusetzen. Auch die dazugehörigen Minispiele sind unterhaltsam und funktionieren überraschend gut in VR. Hier straft Nintendo alle voreiligen Kritiker Lügen, die überzeugt waren, dass VR mit der Switch ein Reinfall wird.
Sobald du allerdings «Super Mario Odyssey» und besonders «Zelda Breath of the Wild» startest, sieht die Welt anders aus. Beide Titel sehen aus als würden sie auf einem 20 Jahre alten Röhrenbildschirm laufen. Und während «Super Mario Odyssey» immerhin ein paar halbgare Minispiele liefert, ist «Zelda Breath of the Wild» in jeder Hinsicht unspielbar. Die Auflösung und die Framerate sind schrecklich und ohne Headtracking kriegst du kein echtes VR-Erlebnis. Unzumutbar, was Nintendo da abgeliefert hat.
Ich rate dir, bleib bei den im Set enthaltenen Spielen und geniess das Zusammenbauen. Denn das ist und bleibt das Highlight von Labo.


Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.