
Hintergrund
Wir müssen schon wieder reden, Thermomix
von Luca Fontana
Digitec-Galaxus-Fotograf Thomas Kunz hat sich mit Leben und Werk von Peter Lindbergh auseinandergesetzt. Zusammen mit Filmer Armin Tobler ist daraus eine Serie von vier dokumentarischen Episoden geworden. Wie es dazu kam und was sie gelernt haben, erzählen sie im Interview.
Der eine ist Fotograf und Protagonist der Dokumentation, der andere ist der Mann hinter der Kamera, Regisseur und Cutter. Thomas Kunz und Armin Tobler sind Mitglieder der 28-köpfigen Redaktion von Digitec Galaxus, die täglich News, Inspiration und Information liefert für die Besucherinnen und Besucher in den Online-Shops.
Meistens geht es für die beiden, ich nenne sie einfach mal Kunz & Tobler, in ihrem Alltag um authentische Fotografien bei Reportagen von Herstellern oder um den Videoschnitt von Produkttest-Videos. In den vergangenen Monaten allerdings haben sie sich auch die Zeit genommen für ein ganz besonderes Projekt, das sie vor besondere Herausforderungen stellte.
Fotograf Thomas liess sich von Filmer Armin bei der Frage begleiten, ob und wie ein grossartiger Fotograf – Peter Lindbergh – Inspiration sein könnte, einen eigenen Stil zu entwickeln. Der Grossmeister der Fotografie ist 2019 gestorben.
Thomas, wenn Peter Lindbergh heute noch leben würde und Du ihn treffen könntest, aber nur Zeit für eine einzige Frage hättest – wie würde die lauten?
Thomas: (überlegt lange) Puh, gute Frage. Er ist ja viel gereist als junger Mann, hat viel gearbeitet. Ich würde ihn wohl fragen, an welchem Punkt er sich entschieden hat, Fotograf zu werden. Also wo es für ihn «Klick» gemacht hat. Wo hat für ihn die Leidenschaft begonnen.
Dass die Person Euch fasziniert, wissen die Leserinnen und Leser ja bereits. Aber erzählt doch einmal, wie man auf so eine Idee kommt.
Thomas: Eigentlich fast aus der Not heraus. Im ersten Lockdown waren plötzlich nicht mehr viele Foto-Aufträge für mich da. Und da habe ich überlegt, was ich jetzt mache. Zuerst haben wir Fotografie-Tipps für die User verfasst und publiziert.
Wie fanden die User das?
Thomas: Das hat gut funktioniert. Aber ich habe dann schon auch zu Armin gesagt, dass können wir ja nicht ein Leben lang machen. Es kratzt ja doch nur an der Oberfläche. Und zur gleichen Zeit kam dann Tommy (Teamlead fürs Social- und Video-Team und damit Chef von Thomas und Armin; Anm. d. Red.) mit dem Wunsch nach einem neuen Format. Letztlich hat mich dann Armin auf die richtige Spur gebracht.
Armin: Dazu kann ich noch ergänzen, dass es ja kein richtiger Dokumentarfilm ist. Früher waren die Leute vielleicht noch bereit, sich für so eine Art Film 90 Minuten ins Kino zu setzen. Heute leben wir im Social-Media-Zeitalter. Da muss alles kürzer sein.
Deshalb kein Dokfilm, sondern Episoden?
Armin: Ja, genau. Unsere Überlegung war, die Leute so lange wie möglich dranbleiben zu lassen. Quasi das Netflix-Prinzip. Lustigerweise bingewatchen die Leute dort neun Stunden am Stück eine Serie, aber eine neunstündige Science-Fiction-Doku von Steven Spielberg – das geht irgendwie nicht. Deshalb haben auch wir unsere Doku zu Episoden verstückelt.
Gut, Ihr wolltet eine Mechanik ausprobieren. Darüber hinaus wolltet Ihr denn Zuschauerinnen und Zuschauern trotzdem noch etwas anderes mit auf den Weg geben, oder?
Armin: Auf jeden Fall. Für mich persönlich war interessant, wie wir als Mensch funktionieren, wie gehen wir mit Technik um. Natürlich arbeiten wir bei Digitec Galaxus ständig mit Technik. Aber es geht auch darum, wo ich als Kunstschaffender mich befinde, wie ich bin, wohin ich möchte. Oder im konkreten Fall, wo Tom sich fragt, ob er überhaupt gut genug ist. Das dokumentarisch festzuhalten, ins Leben eines Menschen einzutauchen, qasi «behind the scenes» zu sein – etwas Schöneres gibt es fast nicht.
Was war eigentlich zuerst da: Die Idee für einen Dokfilm oder die Sinnfrage, die Thomas sich stellte?
Thomas: Mir war schon länger klar, dass ich nicht den wiedererkennbaren Stil habe. Während der Corona-Pandemie sogar noch viel mehr. Ich habe dann Armin gebeten, er soll mir eine Liste schicken mit den besten Dokumentarfilmen, die er kennt. Da habe ich dann viele angeschaut. Besonders «Finding Vivienne Meier» hat es mir angetan. Ich habe mir gedacht, in fünf Jahren könnten wir so etwas auch mal machen. Aber dann ging es eben doch schneller.
Also passte es wie die Faust aufs Auge. Wie seid Ihr dann an die Sache rangegangen? Musstest Du plötzlich als Hauptdarsteller herhalten, Thomas?
Thomas: Für mich war’s einfach eine Lernkurve. Ich bin ja doch schon seit acht Jahren bei Digitec Galaxus, aber in so kurzer Zeit habe ich nie so viel auf einem neuen Gebiet gelernt wie bei diesem Projekt. Ich bin froh, dass ich Armin an meiner Seite hatte.
Was bedeutete das konkret?
Thomas: Er hat zum Beispiel gesagt, dass ich einen Essay schreiben muss. Wo stehe ich als Fotograf? Wo will ich hin? Wie können wir das erreichen?
Und dann kam Peter Lindbergh ins Spiel?
Wir haben überlegt, welcher Fotograf viel besser ist. Warum ist er überlegen und arbeitet besser? Peter Lindbergh war schon immer eines meiner Idole, seit ich 2016 eine Ausstellung von ihm in München gesehen hatte. Eine Fotografie von mir ist mir ganz fest im Kopf geblieben, und ich habe dann auch andere Werke von ihm erkannt anhand seines Stils.
Armin, war Peter Lindbergh für Dich auch schon ein Begriff?
Armin: Nein, für mich war er jemand Unbekanntes. Wo mir Thomas aber sein Werk etwas vorgestellt hat, war mir schon klar, dass sich der Stil und die Qualität von Instagram-Fotos absetzt. Das machte es aber auch schwierig. Wir haben am Anfang viel Zeit investiert, weil wir den Menschen ja möglichst gut kennenlernen wollten. Was wir produzierten, sollte ja seinen Ansprüchen auch genügen können.
Und wie nah seid Ihr der Person Peter Lindbergh letztlich gekommen?
Thomas: Schon ziemlich nah. Ich glaube, wenn ich ihn treffen könnte, würde ich schon eine Ahnung haben, wie er tickt. Wir haben schon viele Komplimente bekommen, wie gut wir ihn porträtiert und seine Kunst verstanden haben. Ein Assistent, der sieben Jahre für ihn gearbeitet hatte, hat bestätigt, wie zutreffend unsere Analysen waren. Das war für mich das grösste Kompliment, das wir bekommen konnten.
Wie schwer war es für Euch, Menschen zu finden, die mit Euch über Peter Lindbergh offen sprechen wollten?
Thomas: Unser Ausgangspunkt war Alex Falba, die wir irgendwann 2020 für Galaxus interviewen durften (hier geht es zum Bericht; Anm. d. Red.). Ich habe mich erinnert, dass sie damals erzählt hatte, sie hätte mit Peter Lindbergh zusammengearbeitet. Jetzt habe ich sie einfach wieder angesprochen und um Hilfe gebeten. Sie hat mir Christophe Starkman empfohlen. Er war Producer in Lindberghs Team. Er hatte mir eigentlich schon zugesagt, dann aber doch wieder absagen müssen. Aber er hat mich dann an Stefan Rappo verwiesen, der eben der langjährige Assistent von Lindbergh war. Seine Handynummer habe ich einfach im Internet gefunden, ihn per Whatsapp angeschrieben. Er selbst wollte zwar nicht vor die Kamera, hat uns aber Nina empfohlen.
Mit wie vielen Personen hattest Du letztendlich Kontakt für die Recherche?
Thomas: Das waren vier.
Was hat Dich in den Gesprächen am meisten beeindruckt?
Thomas: Man denkt ja immer, dass die berühmten Leute immer mega beschäftigt und arrogant sind. Da hat es mich überrascht, dass sich alle viel Zeit genommen haben und freundlich waren. Christophe Starkman hat eigentlich geschrieben, dass er nicht viel Zeit hat. Am Ende hat mir auf eine Frage dann aber doch einen halben Roman zurückgeschrieben. Oder Nina Burri – sie kannte ich als Schlangenfrau und aus dem Fernsehen. Aber ich wusste nicht, wie sie als Mensch ist.
Und, wie ist sie?
Thomas: Sie war extrem offen, wie ein Buch. Aber sie hat wirklich viel gemacht, um uns zu helfen, dass wir ein gutes Projekt hinbekommen.
Das Projekt war ja Euer gemeinsames Baby. Wie war die Zusammenarbeit?
Thomas: Armin und ich sind extrem zusammengewachsen als Team. Aber auch die Externen haben sich als Teil dieses Teams gefühlt, sei es Renata, die Make-Up-Artistin, oder Alejandra, unser Model in Episode 4. Da waren wir auch das einzige Mal physisch alle am gleichen Ort zusammen.
Thomas, Du hast Dich jetzt über Wochen intensiv mit Deinem Stil auseinandergesetzt. Was würdest Du Fotografen und Fotografinnen jetzt als Tipps geben können?
Thomas: Mit das Wichtigste, was ich gelernt habe, ist, dass man keine Angst haben sollte, den eigenen Stil durchzusetzen. Man muss niemand anderes sein wollen, man muss sich und seinem Stil treu bleiben.
Und wenn man ihn noch gar nicht gefunden hat?
Thomas: Dann trotzdem nicht ungeduldig werden. Einfach auf dem Weg bleiben, dann entwickelt er sich schon. Und nicht irgendwelchen Instagrammern nachlaufen.
Weil Peter Lindbergh bereits tot ist, hat er die grosse Welle der Inszenierungen mit Fotos bei Instagram verpasst – vielleicht zum Glück. Was würde er wohl zu dieser Art Fotografie sagen, wenn er noch leben würde?
Thomas: Er würde sich wohl gar nicht darum kümmern, sondern einfach sein Ding weiter durchziehen. Er hatte sich nie gross um Trends und Konventionen gekümmert. Als er 2017 für den berühmten Pirelli-Kalender engagiert wurde, hat er keine jungen Models aus der Modebranche ausgewählt, sondern eher ältere Frauen, die in ihrem Leben schon etwas gesehen und erlebt haben. Er hat sie auch nicht nackt formuliert, wie das vorher immer gemacht wurde. Er hat die Frauen in starken Porträts gezeigt.
Und was sagt der Mann hinter der Kamera, Armin? Sind wir auf der dokumentarischen Filmreise am Ende? Oder gibt’s noch weitere Episoden mit Thomas?
Armin: Fertig ist man eigentlich nie. Das ist ja das Schöne an Dokumentationen. Vielleicht finden wir in Zukunft noch ein neues Format mit Thomas. Oder mit Dir, Martin, oder mit irgendjemand anderem aus der Redaktion. Auch hier kann die Frage gestellt werden, wo man gerade steht und wohin man will. Wichtig ist, dass der Mensch im Zentrum steht. Wie er oder sie mit der Technik umgeht. Nicht umgekehrt, was die Technik aus ihm oder ihr macht.
Ist das Dein Leitmotiv – der Mensch auf der Suche?
Armin: Absolut. Ich habe den Eindruck, dass die Technik den Menschen gerade sehr stark verändert – sei es der Algorithmus in unserem Shop oder etwas wie Instagram. Ich würde filmisch wieder gerne den Weg zurück zum Realismus gehen, weg von der Inszenierung, wie sie in Hollywood begonnen hat und jetzt in den Social Media auch angekommen ist.
Von diesem Realismus gibt es derzeit noch zu wenig?
Armin: Heute kann ja jeder jederzeit irgendwas ins Internet stellen. Und der, der am lautesten schreit, hat die grössten Chancen, gehört zu werden. Und das ist ja eher selten echt.
Wie in einer Scheinwelt?
Armin: Ja, für mich ist aber immer interessanter, was dahinter passiert. Nicht dieser eine kurze Moment ist spannender, sondern das Drumherum. Eben wie das auch Peter Lindbergh immer so authentisch gezeigt hat.
So ein schönes Schlusswort. Armin, Thomas, danke für das Gespräch.
Du hast die Serie verpasst? Kein Problem, hier kannst du alle vier Episoden der Doku von Kunz & Tobler noch einmal sehen:
Und wenn du jetzt Lust bekommen hast, die Kamera in die Hand zu nehmen, hätten wir auch etwas für dich: Mach doch mit bei unserem Foto-Wettbewerb. Bis zum 9. Juli kannst du deine besten Schwarzweiss-Portraits noch einreichen und sogar etwas gewinnen. Hier erfährst du alles weitere.
Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln.