Jean-Claude Frick ist Smartphone-Fanatiker und ausserdem Experte für Mobilfunk beim Vergleichsdienst Comparis.
Hintergrund

Kosten fürs Handy-Abo: «Mit Kombi-Abos wird die Bequemlichkeit ausgenutzt»

Der Markt für Mobilfunk-Abos ist heiss umkämpft. Die Netzbetreiber werden mit aggressiven Preismodellen um neue Kunden. Jean-Claude Frick, Telecom-Experte bei comparis.ch, wundert sich im Interview, warum viele immer noch horrend teure Abos haben.

Jean-Claude sitzt zur verabredeten Zeit bereits am Tischchen vor dem Starbucks in der Zürcher Europaallee. Vor ihm steht ein grosser Pappbecher Kaffee. Den braucht er, um auf Betriebstemperatur zu laufen, wie ich aus meiner gemeinsamen Zeit mit ihm bei Comparis weiss. Sein iPad Pro mit Magic Keyboard ist sein mobiles Büro. Er stoppt seine Tastaturarbeit, wir begrüssen uns. So herzlich wie es die Corona-Zeit eben gerade erlaubt. Mit einem sanften Ellbogencheck. Ich foppe ihn, weil er nur zwei Handys vor sich liegen hat. Er erzählt mir ein paar Neuigkeiten über das Team bei Comparis, ich erzähle ihm, wie es mir nach den ersten Wochen bei Digitec Galaxus gefällt. Dann legen wir los.

Warum wechseln eigentlich so wenig Leute ihren Vertrag?
Jean-Claude Frick: Da spielen ganz sicher viele Ängste mit: Es ist kompliziert, es kann schiefgehen, man verliert seine Nummer. All das ist im Hinterkopf. Dabei ist ein Vertragswechsel heute ganz simpel. Seit 15 Jahren funktioniert das.

Dabei muss man selbst ja fast nichts mehr machen, oder?
Stimmt. Immer, wenn ich den Leuten erkläre, dass der neue Provider sich um alles kümmert, sind sie überrascht. Er klärt die Kündigungsfrist ab, kümmert sich um die Portierung der Rufnummer und teilt mit, wann die neue SIM-Karte eingesteckt werden muss.

Macht genau der Wechsel der SIM-Karte manchen Menschen Angst? Auch. Wir erinnern uns ja noch an die Zeit, als die Kontakte auf eben so einer SIM-Karte gespeichert waren. Oder als man beim Wechsel des Handys alle Adressen und Telefonnummern manuell übertragen musste. Heute ist ja zum Glück alles in der Cloud.

Und trotzdem wechseln Herr und Frau Schweizer nicht gerne...
Man sieht das auch beim Beispiel Krankenkasse. Dort sparst du selbst mal 100 Franken pro Monat, und trotzdem wechseln viele nicht. In Deutschland ist es anders, der «Geiz-ist-Geil»-Deutsche wechselt, wenn er irgendwo zwei Euro spart. In der Schweiz sind 10 oder 20 Franken pro Monat, die man sparen kann, oft keine ausreichende Motivation. Da heisst es dann oft «Das ist mir zu mühsam… so viel ist es ja nicht…». Uns geht es, was das angeht, wohl einfach zu gut.

Wann ändern wir unser Verhalten?

An dieser Stelle ein kurzer Ausflug in die Theorie: Es ist eine Frage, die Wissenschaftler und Marketing-Experten gleichermassen interessiert: Warum ändern Kundinnen und Kunden in vielen Situationen ihr Verhalten nicht, obwohl es rational sinnvoll wäre? Sei es, weil sie durch den Wechsel einer Versicherung viel Geld sparen würden. Oder sei es, weil sie gesünder leben, wenn sie häufiger Obst und Gemüse essen würden. Antworten auf solche Fragen liefert unter anderem die Disziplin der Verhaltensökonomie. Ein weit verbreitetes Modell ist das «Behavior-Modell» von B.J. Fogg, einem Verhaltensökonom an der Stanford Universität in den USA. Für ihn ist klar: Es sind drei Komponenten nötig, damit ein bestimmtes Verhalten entsteht:

  1. Die Motivation, es zu tun.
  2. Die Fähigkeit oder Möglichkeit, es zu tun.
  3. Einen Auslöser oder einen Trigger, der daran erinnert, es zu tun.

Fehlt eine der Komponenten, wird ein Mensch in der Regel sein Verhalten nicht ändern. Überleg doch selbst einmal, wann du dein Verhalten das letzte Mal geändert hast. Vielleicht hat dich jemand im Kollegenkreis getriggert, mit dem Joggen zu beginnen. Es könnte dich motiviert haben, dir vorzustellen, irgendwann einmal 10 Kilometer zu laufen. Und weil du körperlich in der Lage bist, Zeit dafür hast und dir ausserdem noch schöne Running-Schuhe gekauft hast, hast du auch die Möglichkeit, es zu tun. Und plötzlich jetzt läufst du regelmässig.

Bei Mobilfunk-Abos fehlt uns häufig die Motivation zum Wechsel. Zusätzlich unterschätzen wir unsere Fähigkeit, den Wechsel durchführen zu können. Und die Provider sind auch ziemlich gut darin, uns keine Trigger zu liefern. Ein Trick ist zum Beispiel, dass du die monatliche Zahlung per Bankeinzug machst und so oft sogar vergisst, wie teuer dein Abo pro Monat ist. Das bedeutet, dass du mit Werbung getriggert wirst, über einen Wechsel zur Konkurrenz nachzudenken. Und du sollst motiviert werden durch einen günstigeren Preis.

Jean-Claude, weiss man denn, wieviele Leute noch einen alten und damit sündhaft teuren Vertrag haben?
Man weiss es nicht. Aber bei der Swisscom zum Beispiel haben rund 70 Prozent ein Kombi-Abo, bei dem sie zum Beispiel Festnetz, Internet, TV und Mobilfunk kombinieren und in einem Vertrag haben. So etwas macht für viele Leute durchaus Sinn. Die Einzelteile dagegen sind sehr teuer. Bei Sunrise hört man das Gleiche: Es ist das Ziel, Bundles zu verkaufen. Man nutzt hier auch die Bequemlichkeit der Kunden aus, die am liebsten alles aus einer Hand haben möchten. Darüber geht der Blick auf den Preis oft vergessen.

Wo hat eigentlich ein Frick seinen Handy-Vertrag?
Swisscom.

Ach!
Ja, aus einem ganz einfachen Grund: die Flatrate. Ich telefoniere viel, teils stundenlang am Tag. Und ich bin eine spezielle Zielgruppe: Ich will drei SIM-Karten, eine Apple Watch, die autark ist, sowie viele Roaming Daten im Ausland. Dann noch 5G. Dafür zahle ich dann eben auch mehr. Aber eben, bei mir liegt das am Beruf. Ich teste auch viele Handys, und da will ich eben immer die gleiche Nummer haben. Sonst kann mich ja niemand anrufen.

Und was würdest Du Leuten raten mit weniger extremer Handy-Nutzung?
Mehr als 40 oder 50 Franken sollte man nicht zahlen. Ich verstehe jeden, der eine Flatrate will. Auch wenn bei den meisten eigentlich zwei oder drei Gigabyte reichen. Und wenn es einmal mehr Volumen ist, das man braucht, kostet das ja auch nur ein paar Franken für diesen Monat mehr. In den restlichen Monaten zahlt man dann eben nicht.

Zweifelhafte Liebe zur Flatrate

Warum ist die Flatrate eigentlich so beliebt? Oder anders gefragt: Warum lässt sie sich offensichtlich so gut vermarkten?
Die meisten wollen gar nicht 14 Gigabyte verbrauchen wie der Frick. Aber sie haben Angst, dass es plötzlich teuer wird, wenn sie über ihr Limit kommen. Dabei ist das gar nicht mehr so. Und in der Regel haben die Verträge heute auch eine Kostenobergrenze. Es ist ja eine einfache Rechnung. Bei einer Flatrate bezahlst du vielleicht mal 55 Franken im Monat. Das mal zwölf gibt pro Jahr 660 Franken. Für ein Abo mit 3 Gigabyte für 25 Franken pro Monat zahlt man 300 Franken im Jahr. Und selbst wenn man in zwei oder drei Monaten mehr Volumen braucht, spart man hier noch viel Geld. Eigentlich ein No-Brainer. Aber für viele offensichtlich immer noch zu schwierig.

Muss man den Leuten also psychologischen Beistand bieten?
Scheinbar. Ich gebe den Tipp, dass man das genutzte Datenvolumen einmal messen sollte. Einfach einmal Anfang Monat in den Einstellungen den Zähler auf Null setzen und dann am Ende schauen, wie viel verbraucht wurde. Die meisten dürften überrascht sein, wo sie landen. Selbst wer 5 Gigabyte braucht, kann ohne Flatrate günstiger fahren.

Und wenn jemand unbedingt 5G will?
Eigentlich ist es ja noch kein grosses Thema, aber in spätestens ein oder zwei Jahren ist das sicher anders. Bisher galt, dass man bei den grossen Anbietern 5G bekommt, also eben Sunrise oder Swisscom. Und dass du es das bei den Billig-Ablegern wie Yallo der Wingo nicht bekommst. Aber auch das ändert sich gerade. Vor allem auch, weil dann die Mittelklasse-Handys alle 5G können sollten und nicht nur die Oberklasse wie jetzt noch.

Noch so eine Technikfrage: Was soll das mit der eSIM eigentlich?
Das ist natürlich praktisch bei einer Smartwatch, aber vor allem für iPhone-Nutzer. Die neueren iPhones – ab der XS-Generation von 2018 – haben alle Dual-SIM. Aber sie haben keine zwei Slots für Kärtchen. Dafür geht die eSIM. Auf der kann ich zum Beispiel mein Hauptabo anlegen. Und wenn ich im Ausland eine Prepaid-SIM kaufe, schiebe ich die in den Slot. Oder denk’ an Leute, die ein Privathandy und ein Geschäftshandy haben – sie soll es noch geben, unglaublich! Aber für die ist das natürlich auch mega-praktisch, weil sie nur noch ein Gerät herumtragen müssen.

Bisher haben wir elegant umschifft, dass auch digitec ein Mobilfunk-Abo anbietet. Du musst uns nicht schmeicheln, aber wie findest Du das?
Ich finde, ihr richtet den Blick auf das Thema «Family». Swisscom versucht das auch ein wenig. Es ist ein spannender Ansatz, dass es umso günstiger wird, je mehr Leute mitmachen. Und ich habe für meine Familie immer im Blick, was läuft. Jetzt habe ich aber nur eine Frau und zwei Kinder. Das heisst, wir sind nur zu viert. Mir fehlt noch eine Person zur Flatrate. Aber deswegen gibt’s nicht nochmal ein Kind (lacht).

Kleiner Tipp: Es können auch die Grosseltern, oder auch ein WG-Kollege oder ein Onkel sein ...
Ah, das macht es einfacher. Dann muss die Person einem nur nah genug sein, dass ich das Geld eintreiben kann.

Genau, Du hast verstanden, wie’s funktioniert.
Danke. Darf ich mir noch etwas wünschen?

Klar.
Ich würde mir noch mehr Optionen wünschen, gerne mit Aufpreis. Zum Beispiel für meine Uhr noch eine SIM. Oder 5G als Option. Quasi ein All-inklusive-Baukasten.

Danke, gebe ich gerne mal weiter. Und danke Dir fürs Gespräch.
Sehr gerne.

Einen Wunsch von Jean-Claude Frick wird das Team von digitec connect im September erfüllen: Dann kommt die MultiSIM.
Titelbild: Jean-Claude Frick ist Smartphone-Fanatiker und ausserdem Experte für Mobilfunk beim Vergleichsdienst Comparis.

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 


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