

Kolink Rocket Heavy im Test: Mini-ITX-Gehäuse mit wichtigem geheim Feature

Das Rocket Heavy von Kolink soll trotz lediglich 15,8 Litern Fassungsvermögen beim Gamen wie eine Rakete abheben. Das funktioniert, aber nur mit einem Feature, das dir die Anleitung nicht verrät – und am besten verbaust du sowieso eine AIO-Wasserkühlung.
Plötzlich ist etwas anders. Erstaunt blicke ich durchs Seitenfenster des Rocket Heavy. Irgendetwas fehlt – ist ungleich. Was nur? Dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Der linke «KFA2»-Aufkleber der Grafikkarte hat sich verabschiedet. Im Inneren des Gehäuses ist es dem Klebstoff wohl zu heiss. Er mag sich nicht mehr an die Karte klammern.


Eine heisse Angelegenheit
Das Rocket Heavy wird heiss – verdammt heiss. Zumindest, wenn du deine Komponenten im Stock-Zustand ins Gehäuse verbaust. Beim Gehäuse werden die Komponenten nämlich im Ein-Kammer-System verbaut, inklusive vertikaler Grafikkarte. Der Clou: Die Grafikkarte lässt sich in zwei Stufen hin oder weg vom Glaspanel verschieben. Bei meinem ersten Test fällt mir das gar nicht auf. Daher haben die Lüfter meiner 2080-Super-Testkarte nur 5 Millimeter zum Atmen, bevor ihnen das Seitenfenster die Luftzufuhr abschneidet. So entsteht ein Hitzerückstau, die Karte kann nicht genug gekühlt werden und gibt die Hitze an die Scheibe und das Gehäuseinnere weiter.
Leider steht nichts dazu in der nicht mitgelieferten Bedienungsanleitung – die findest du nur online. Deshalb beginnt während meines ersten 20 minütigen Tests das Seitenpanel aus gehärtetem Glas beinahe zu glühen. Fasse ich es an, verbrenne ich mir die Finger. Um die 80 Celsius zeigt meine Wärmebildkamera an.

Glücklicherweise erfahre ich kurz vor Publikation dieses Artikels noch von dem schönen Feature. Dabei habe ich das Gehäuse genau unter die Lupe genommen und sogar diverse Unschönheiten bei der Verarbeitung entdeckt. Nur nicht, dass die Karte verschoben werden kann. Peinlich, peinlich. Cooles Feature, das jedoch nur mit einer AIO-Wasserkühlung sein ganzes Potenzial entfaltet. Schiebe ich die Grafikkarte nämlich weiter weg vom Seitenfenster, hat das zwar einen Einfluss auf die Temperatur der Grafikkarte – die einiges tiefer ist –, die restlichen Komponenten sind davon allerdings unbeeindruckt. Hier der Vergleich der beiden Tests.


Ist die Grafikkarte weiter hinten, hat sie 2,5 Zentimeter zum Atmen – also das Fünffache an Platz. Dadurch wird auch das Glaspanel nicht mehr so heiss wie zuvor. Es ist zwar warm, aber verbrennen tue ich mich nicht mehr. Jedoch liegt die Grafikkarte so näher an der CPU. Deren Kühler darf jetzt maximal 5,3 Zentimeter hoch sein. Genug Platz für meinen Noctua NH-L9a oder den Kühlkörper einer AIO. Da ich zurzeit keine AIO im Homeoffice zum Testen habe, kann ich nichts zur Kühlleistung mit einer solchen sagen. Am besten schaust du dir deshalb dieses Video an, in dem ein Youtuber eine AIO in dieses Gehäuse verbaut. Der verbaute Intel i7-10700K wurde so maximal 80 °Celsius heiss.
Die Temperaturen liegen im Rahmen von ähnlich grossen Gehäusen. Bei meinem Test des Kolink Rocket wurden alle Komponenten mit Ausnahme der Grafikkarte ähnlich heiss. Dort hatte ich aber auch eine RTX 2070 verbaut. Mit dem etwas grösseren Jonsbo V8 lagen leicht bessere Werte drin.
Noch etwas zu meiner Testmethode. Ich lasse die Stresstests AIDA64 (für die CPU) und FurMark (für die GPU) während 20 Minuten laufen. So kann ich schauen, wie gut der Airflow des Rocket Heavy ist – also wie effizient frische Luft in das Gehäuse und heisse Luft aus dem Gehäuse transportiert wird. Währenddessen messe ich mit HWiNFO64 die Temperatur von CPU, GPU, SSD, Mainboard und Chipset. Dabei lasse ich die Lüfterkontrolle im BIOS auf Standard. Nach jeweils zwei Minuten notiere ich die Temperaturen. Dabei sind folgende Komponenten im Gehäuse verbaut:
Während den ersten 20 Testminuten steigt die Raumtemperatur meines 10 Quadratmeter grossen Büros von 22,5 auf 24,5 °Celsius. Beim zweiten Test mit der Grafikkarte weiter hinten im Gehäuse steigt die Temperatur weniger, nämlich von 22,2 auf 22,7 °Celsius. In beiden Fällen dröhnen die Lüfter mit bis zu 51,5 dB. Ich messe aus 30 Zentimetern Entfernung vor dem Gehäuse. Im Leerlauf sind’s 41,5 dB.
Ich denke, das Rocket Heavy könnte im Test noch besser abschneiden. Dabei können mehrere Faktoren helfen. Um die zu ergründen, erzähle ich dir von meinem ersten Eindruck des Gehäuses und der Bauerfahrung.
Zwei Schritte zurück: der erste Eindruck
Das Rocket Heavy sieht auf den ersten Blick ganz ordentlich aus. Vorne, oben und unten hat das Gehäuse schnittige Aussparungen. Die Wabenstruktur vorne und die versetzt platzierten Langlöcher oben geben dem Gehäuse einen futuristischen Look. Das Gehäuse steht auf 15 Millimeter hohen Chromstahl-Füssen. Mir gefällt das Design.

Was mir jedoch sofort ins Auge sticht: Das Gehäuse hat auf beiden Seiten Glaspanele. Diese Design-Entscheidung würde mir einleuchten, wenn das Heavy im Zweikammer-System daherkommen würde. Tut es aber nicht. Grafikkarte und Mainboard werden in einer Kammer, also so wie gewöhnlich bei Midi-Towern, montiert. Auf der Rückseite ist also nicht das Mainboard oder die Grafikkarte zu sehen, sondern das Netzteil und Kabel. Ich denke mir bereits hier, dass dem Gehäuse auf der Rückseite ein Mesh- statt dem Glas-Panel gut tun würde. Mini-ITX-Gehäuse sind ja nicht gerade für starken Airflow bekannt.


Hier die wichtigsten Eigenschaften des Gehäuses auf einen Blick:
- Vorderseite aus Aluminium mit wabenförmigen Öffnungen inklusive Staubfilter vorne und oben
- Zwei Seitenteile aus Temperglas
- Ausgelegt für Mainboards im Mini-ITX-Formfaktor
- 15,8 Liter Volumen; 350x180x265 Millimeter gross (LxBxH)
- 4,75 Kilogramm schwer
- Platz für Triple-Slot-GPUs, inklusive PCIe-3.1-Riser-Karte und Halterung
- Grafikkarten bis 340 Millimeter Länge, CPU-Kühler bis 85 Millimeter, Netzteile im SFX-L-Format
- Unterstützt 240 Millimeter grosse Radiatoren am Deckel
- Vorinstallierter 120-Millimeter-PWM-Lüfter am Deckel
- Platz für 2x 2.5-Zoll- oder 1x 3.5-Zoll-Laufwerke
- I/O Front Panel mit 1 x USB-3.2 Type-C, 2x USB 3.0 und 2x USB 2.0, Mikro- und Kopfhöreranschluss
Die Grafikkarte wird im Heavy vertikal montiert. Hier fällt mir der enge Raum zwischen Grafikkarte und Seitenpanel auf. Erfahrungsgemäss braucht es einige Zentimeter Distanz zu einem Hindernis, damit die Axiallüfter der Test-Grafikkarte genug frische Luft anziehen können. Radiallüfter können das besser, sind dafür lauter und bei der Kühlung nicht ganz so effizient wie Axiallüfter. Immerhin verwirbeln sie die heisse Luft nicht so im Gehäuse wie die verbaute 2080 Super. Falls du mehr dazu erfahren möchtest, kann ich dir folgenden Artikel empfehlen.
Glücklicherweise lässt sich die Grafikkarte auch gegen hinten verschieben. Je nach Grafikkarte, die du verbauen möchtest, solltest du dennoch den geringen Abstand im Kopf behalten. Eine RTX 3080 oder RTX 3090 sind noch breiter als die 2080 Super im Test. Da Kolink mit der Möglichkeit von bis zu 3 Slots dicken Karten wirbt, ist mein obiger Test mit der Karte direkt am Seitenpanel definitiv nicht für die Katz. Er zeigt dir, dass zwei Zentimeter näher am Glas, einen enormen Unterschied machen können.
Persönlich hätte ich auch auf dieser Seite ein Mesh-Panel vorgezogen. So kann die Grafikkarte noch besser frische Luft anziehen und die heisse nicht im Gehäuse verwirbeln.


Mein Testsample hat einige unschöne Farbunterschiede auf der Oberfläche. Auch die Mesh-Löcher sind nicht ganz sauber ausgestanzt, respektive nachbearbeitet. Besonders ärgerlich empfinde ich die Klebstoff-Rückstände auf dem einen Seitenpanel bei meinem Testsample. Als ich den mit etwas Isopropyl-Alkohol entfernt habe, habe ich auch gleich den schwarzen Farbton entfernt und das Glas darunter zu Tage gefördert. Bei der Verarbeitung respektive Qualitätskontrolle hat Kolink definitiv noch Nachholbedarf.


Auch eher schlecht als recht sind die gummierten Befestigungsschrauben für die Seitenpanele und deren Gegenstücke am Gehäuse. Die Schrauben waren derart stark angezogen, dass der Gummi bereits Risse hatte. Beim Festschrauben am Schluss hat er sich dann ganz verabschiedet.

Positiv sind die Staubfilter vorne und oben. Leider lassen sich die zum Reinigen nur schwer entfernen. Du musst den Deckel abschrauben, um sie zu erreichen. Der obere Staubfilter wirkt zudem billig verarbeitet. Er lässt sich ganz einfach nach vorne und hinten bewegen und ist nirgends wirklich befestigt. Da das Gehäuse unten ebenfalls gelocht ist, hätte ich mir unten auch einen Staubfilter gewünscht.

Im Deckel findet übrigens ein bis zu 240 Millimeter grosser Radiator Platz. Mit Lüftern sollte der maximal 5,5 Zentimeter dick sein, sonst bringst du ihn wegen der Netzteilhalterung nicht rein.
Das mitgelieferte PCIe-3.1-Riser-Kabel musst du erst noch montieren. Positiv sind die Anschlüsse. Hier stehen 1x USB-3.2 Type-C, 2x USB 3.0, 2x USB 2.0 sowie Audio und Mikro Klinke zur Verfügung.

Die Bauerfahrung
Das Bauen im Rocket Heavy gestaltet sich ähnlich wie in den meisten vergleichbar grossen Gehäusen: Schwierig – es ist eng. Das Netzteil wird auf der Rückseite von unten angeschraubt. Dafür musst du das Netzteil aber zuerst mit dem internen Netzkabel verbinden. Tust du das nicht, musst du das Netzteil später wieder lösen. Ist es festgeschraubt, kommst du nicht zum Anschluss. Zur Befestigung hat es entsprechende Aussparungen auf der Unterseite des Gehäuses, damit du zu den Löchern kommst. Das geht ganz gut von der Hand.

In der Halterung des Netzteils hat es zwei Kabelführungen, damit du die Kabel von Beginn weg etwas lenken kannst. An einigen Stellen hat es auch die Möglichkeit, die Dinger mit Kabelbinder zu bändigen.
Wie immer bei Mini-ITX-Gehäusen empfiehlt es sich, die Kabel wenn möglich vor dem Einbau des Mainboards auf dieses zu stecken. Sonst ist sehr viel Fingerspitzengefühl gefordert. Auch das mitgelieferte Riser-Kabel solltest du vor dem Einbau mit dem Mainboard verbinden. Sonst ist dir die vertikale Halterung im Weg. Die schraubst du aber sowieso am besten vor der Montage ab. Denn an die Schraube links unten zum Befestigen des Mainboards kommst du sonst kaum ran. Das Riser-Kabel ist jedoch etwas gar lang. Ich musste es mehrmals falten, damit es zwischen Mainboard und Halterung Platz hatte.

Ist das Mainboard mitsamt Kabel erstmal drin, ist der Rest ein Klacks. Denke ich zumindest, bis ich versuche die Blende der Grafikkarte hinten zu lösen. Die Schrauben lassen sich nur mit einer Ratsche lösen. Wie ich bei genauerem Hinsehen feststelle, liegt der Grund dafür nicht darin, dass die Schrauben zu stark angezogen waren, sondern an den Gewinden, die nicht sauber gefertigt wurden.

Immerhin ist der Rest ein Klacks. Obschon; erst vergesse ich den mitgelieferten 120-mm-Lüfter mit dem Mainboard zu verbinden und beim Netzteil den Schalter zu aktivieren. Glücklicherweise ist der Schalter von unten mit einem dünnen Gegenstand wie einem Bleistift gut erreichbar.
Fazit: Bei der Verarbeitung nicht auf der Höhe
Das Heavy wirkt auf den ersten Blick sehr gut: Die Waben-Front und das löchrige Dach sehen schnittig aus. Bei genauerem Hinschauen siehst du jedoch, dass das Gehäuse bei der Verarbeitungsqualität, wie den schlecht gedrehten Gewinden, Mängel aufweist. Für mich sind auch die Glas-Panele auf beiden Seiten eine Fehlentscheidung. Zumindest das Panel auf der Rückseite müsste definitiv nicht aus Glas sein – da sind sowieso nur Kabel zu sehen.
Machst du Gebrauch vom nicht auf den ersten Blick ersichtlichen Feature und verschiebst die Grafikkarte gegen hinten, ist der Airflow im Gehäuse nicht schlecht. Mit einer AIO-Wasserkühlung würdest du wohl auch gute Werte bei der CPU-Temperatur erhalten – leider konnte ich das mangels AIO nicht testen. Persönlich finde ich das Gehäuse vor allem für die Verarbeitungsqualität mit etwas über 130 Franken, bzw. knapp unter 130 Euro (Stand: 23.4.2021) zu teuer.


Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.