Debora Pape
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In «The Crust» kolonisiere ich den Mond und das Spiel bringt mich um den Schlaf

Debora Pape
18.7.2024

In «The Crust» werde ich auf den Mond geschickt und darf dort eine Bergbau- und Forschungsbasis aufbauen. Dabei kann ich mich in verschiedenen Genres austoben und freue mich darüber, wie meine Mondkolonie anwächst.

Zum gefühlt hundertsten Mal reiße ich meine Förderbänder und Fabriken ab und baue sie ein paar Meter weiter wieder neu auf. Damit die Streckenführung effizienter und symmetrischer ist – das Auge spielt schließlich mit. Dann öffne ich die Auftragsübersicht und schaue, ob eine der rund 15 NPC-Fraktionen gerade einen lukrativen Auftrag anbietet, den ich mir schnappen könnte. Nebenbei werfe ich einen Blick auf die Uhr und erschrecke: es ist halb zwei Uhr nachts. Ich müsste längst schlafen. Aber erst muss ich noch checken, ob in der Forschung alles organisiert ist. Und ob endlich der Esstisch für meine Kolonisten fertig ist. Ich weiß es jetzt schon: Morgen werde ich wieder Augenringe haben.

In «The Crust» ist das Ziel, eine funktionierende Mondkolonie aufzubauen und in der Story-Kampagne die Menschheit zu retten. Für Letzteres habe ich aber keine Zeit: Ich konzentriere mich erstmal auf meine eigene Kolonie.

Das Spiel bedient sich bei verschiedenen anderen Indie-Games und verwurschtelt die Inspirationen zu etwas, das mir wirklich Spaß macht. Und mich bis spät in die Nacht an den Rechner fesselt. So wecken die herumwuselnden Transport- und Baudrohnen Erinnerungen an «Surviving Mars», während Maschinen und Förderbänder klar von «Factorio» inspiriert sind. Bei den Kolonisten und ihren Räumlichkeiten standen «Space Haven» und dessen geistiger Vater «Rimworld» Modell. Und bei der Monderkundung haben die Entwickler vielleicht ein bisschen zu «Frostpunk» geschielt.

Die bescheidenen Anfänge

Das Tutorial ist kurz und zeigt die absoluten Basics. Am Anfang gibt es nur die triste Mondoberfläche und mich. Und einen Aufzug in den felsigen Monduntergrund. Ich weise den Bau von zwei Sonnenkollektoren und einer Batterie an, um Energie zu generieren und einen Teil davon für die lange Mondnacht zu speichern. Drohnen schnappen sich die notwendigen Materialien und bauen die Teile auf. Damit Strom fließt, verlege ich Leitungen.

Schwer beschäftigt: Meine Drohnen transportieren Materialien zu den Baustellen.
Schwer beschäftigt: Meine Drohnen transportieren Materialien zu den Baustellen.
Quelle: Debora Pape

Danach geht es schon in den Untergrund. Hier spielt sich der Großteil der ersten Spielstunden ab, denn hier gewinne ich Ressourcen und verarbeite sie zu Baumaterial. Aber zuerst brauche ich Platz: Ich rekonfiguriere fünf meiner zehn Drohnen zu Bergbaudrohnen und befehle ihnen, die Höhle zu vergrößern. Nach und nach verwandeln sie die Felswände in kleine Steinhaufen.

Alles dreht sich ums Regolith

Hier kommt schon eine Innovation in «The Crust»: Im Gegensatz zu anderen Spielen bekomme ich im Abbauen keine reinen Erze, die ich weiterverarbeiten kann. Nein, ich erhalte Regolith, also Mondgestein. Je nachdem, wo ich den Regolith gewinne, verändert sich seine Zusammensetzung. In jedem Felsbrocken befinden sich Spuren der vier Basisrohstoffe Eisen, Titan, Aluminium und Silizium. In den Bohrüberresten meiner Bergbaudrohnen sind das nur geringe Mengen. Bei Regolith aus speziellen Lagerstätten sind die Anteile eines einzelnen Rohstoffs bedeutend größer.

Nun gilt es, an die Rohstoffe zu kommen. Dazu baue ich eine Raffinerie: Sie filtert beispielsweise Eisenoxid aus dem Regolith. Eisenoxid wiederum verwandle ich in einem Schmelzofen in Stahlbarren. Und davon brauche ich Massen. Bald kann ich automatisierte Bergbau-Extraktoren auf Rohstoffvorkommen setzen. Förderbänder nehmen meinen Drohnen viel Transportarbeit ab.

Richtig interessant wird es, sobald ich die Multi-Regolith-Raffinerie erforscht habe. Diese Raffinerie filtert nicht nur einen Rohstoff aus dem Regolith, sondern alle vier. Dieses große Bauwerk hat einen Förderbandeingang für Regolith, vier Ausgänge für die vier Rohstoffarten sowie einen Ausgang für das Abfallprodukt Schlacke. Vor der Maschine sammle ich den Regolith all meiner verschiedenen Extraktoren und lasse alles zusammen reinlaufen.

Das Resultat langer Tüftelei: Zwei Multi-Regolith-Raffinerien und ihre Schmelzöfen.
Das Resultat langer Tüftelei: Zwei Multi-Regolith-Raffinerien und ihre Schmelzöfen.
Quelle: Debora Pape

Automatisierung ist nicht die Hauptsache

Ich stelle rasch fest: «The Crust» ist kein reines Automatisierungsspiel. Ja, Förderbänder machen das Leben leichter. Theoretisch geht es aber auch ohne, denn sie sind extrem teuer, gerade am Anfang. Und mit teuer meine ich sündhaft teuer: Ein neues Förderband zwischen einem Schmelzofen und dem Lager kann mal eben den Großteil meines Ertrags aus dem letzten Auftrag kosten. Ein Luxus, den ich mir erstmal verdienen muss.

Das stört mich allerdings nur kurzfristig. Reiße ich etwas ab, bekomme ich in der Regel Geld und Material zurück. So kann ich alles laufend optimieren. Zudem gehört die Suche nach lukrativen Lieferaufträgen zum Spiel dazu und ich freue mich, wenn ich nach einer schweißtreibenden Produktionsphase die letzte Titanstange zum Kunden-Transportschiff tragen lassen kann. Als Belohnung gönne ich mir dann ein schickes neues Förderband.

Ordentliche Förderbänder gehören für mich zum guten Ton.
Ordentliche Förderbänder gehören für mich zum guten Ton.
Quelle: Debora Pape

«Sushi-Belts», also unterschiedliche Produkte auf einem Förderband, sind in «The Crust» kein Problem. Bei sowas bekomme ich aufgrund meiner «Satisfactory»-Ausbildung eigentlich Schnappatmung, aber hier ist das nicht nur möglich, sondern teilweise auch unumgänglich. Bestimmte Gebäude lassen zumindest bis jetzt keine Filterung bei ihren Förderbandausgängen zu, sodass alles unkontrolliert aufs Band gerät. Die Filterung muss ich dann mit Hilfe von Förderband-Splittern selbst vornehmen.

Aufträge sind mein Lebenselixier

Von erfolgreich abgewickelten Lieferaufträgen hängt in «The Crust» alles ab. Sie bieten mir nicht nur die ständig benötigten Finanzspritzen, sondern – mindestens genauso wichtig – auch einen temporären Forschungspunkte-Push.

Die meisten Forschungsprojekte sind interdisziplinär und benötigen Input aus den drei Forschungsrichtungen Grundlagenforschung, Ingenieurwissenschaften und Soziales. Im Spiel drückt sich das durch blaue, gelbe und grüne Forschungspunkte aus. Brauche ich mehr grüne Forschungspunkte für eine Forschung, suche ich nach Aufträgen, die mir möglichst viele grüne Punkte und im besten Fall auch noch Geld einbringen.

Ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann: Für wenig Aufwand bekomme ich 200 gelbe und blaue Forschungspunkte und ein nettes Taschengeld. Und einen finanziellen Bonus, wenn ich schnell liefere.
Ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann: Für wenig Aufwand bekomme ich 200 gelbe und blaue Forschungspunkte und ein nettes Taschengeld. Und einen finanziellen Bonus, wenn ich schnell liefere.
Quelle: Debora Pape

Gerade am Anfang sind viele Aufträge nur schwer zu erfüllen, weil die Menge an geforderten Produkten zu hoch ist. Viele Aufträge bieten bei schneller Erfüllung zudem einen saftigen Bonus – das erhöht den Druck auf mich. Oft genug stelle ich meine gesamte Produktion auf die benötigten Produkte um und hoffe, dass ich sie schnell genug herstellen und meine Drohnen sie auch rechtzeitig zum Transportschiff bringen können.

Das Überführen von hunderten Teilen aus meinen Lagern zum Schiff kann sich schmerzlich hinziehen. Durch Forschungsfortschritte wird es besser. Und es hilft sehr, die Lager in die Nähe des Aufzugs zu stellen, damit die Drohnen kürzere Wege haben.

Übersicht über die Fraktionen und ihre Aufträge. Nettes Detail: Die Bilder der Fraktions-Bosse passen optisch immer perfekt zu ihrem Hintergrund.
Übersicht über die Fraktionen und ihre Aufträge. Nettes Detail: Die Bilder der Fraktions-Bosse passen optisch immer perfekt zu ihrem Hintergrund.
Quelle: Debora Pape

Neben Aufträgen gibt es auch einen offenen Markt. Für einen hohen Erlös sind Aufträge meist vorteilhafter, aber wenn ich ganz schnell mal ein paar Credits oder spezielle Materialien benötige, geht das gut über den Markt. Und es lohnt sich, immer einen Blick auf den Preisverlauf zu werfen, denn die Preise schwanken. Auch Forschungspunkte kann ich einkaufen – das wird aber jedes Mal teurer.

Der Mond ist zum Entdecken da

Am Anfang stehen zwei größere Fahrzeuge zur Verfügung, die ich zum Erkunden des Mondes aussenden kann – wenn ich sie mir leisten kann. Ich starte mit dem Rover. Das ist ein Erkundungsfahrzeug, mit dem ich interessante Orte auf dem Mond finde und untersuche. Oft entdeckt der Rover größere Mengen wertvoller Materialien – diese muss ich dann mit dem zweiten Fahrzeug, dem Transporter, abholen. Auf dem Schwierigkeitsgrad «normal» habe ich aber viele Stunden gebraucht, bis ich mir den Transporter leisten konnte.

Auf der Mondkarte plane ich Expeditionen.
Auf der Mondkarte plane ich Expeditionen.
Quelle: Debora Pape

Manche interessante Orte lassen mich nicht direkt an den Schatz heran. Hier soll ich erst Materialien, Drohnen und/oder Kolonisten hinschicken, die etwas reparieren oder in Gang setzen. Manchmal darf ich dabei auch Entscheidungen treffen, etwa, ob wir beim Öffnen eines verschütteten Eingangs vorsichtig vorgehen oder gleich Dynamit draufwerfen. Bei solchen Aufträgen können die Menschen auch verletzt werden oder sogar sterben. Sagt jedenfalls die Spielbeschreibung. Weil ich noch nicht so weit bin, konnte ich das mit Menschen noch nicht testen.

Soll ich die Rambo-Methode wählen oder es sanfter angehen?
Soll ich die Rambo-Methode wählen oder es sanfter angehen?
Quelle: Debora Pape

Apropos Erkunden: Im späteren Verlauf kann ich den Mond auch geologisch vermessen. Dabei finde ich interessante Rohstofflagerstätten außerhalb meiner eigenen Basis und kann eine riesige, fahrbare Bohranlage zum Abbau hinschicken. Die Bohranlage habe ich bereits, aber für die geologischen Messungen fehlt mir noch die Technologie. Aktuell bohre ich im Dunkeln – schön untermalt von dem Synthpop-Soundtrack, der im Hintergrund herumdudelt.

Ein Erfolg fürs Team: Wir haben eine mobile Bohranlage geborgen!
Ein Erfolg fürs Team: Wir haben eine mobile Bohranlage geborgen!
Quelle: Debora Pape

Zu guter Letzt: Die Kolonisten

Es gibt einen Grund, warum ich zuletzt auf die menschlichen Kolonisten zu sprechen komme. Erst nach etwa zehn Spielstunden habe ich genügend geforscht, um Kolonisten unterhalten zu können. Das würde sicherlich auch schneller gehen, die Kolonisten lassen aber in jedem Fall etwas auf sich warten.

Die Räumlichkeiten für meine Kolonisten nehmen Form an.
Die Räumlichkeiten für meine Kolonisten nehmen Form an.
Quelle: Debora Pape

Jeder Einrichtungsgegenstand muss erst erforscht werden. Nicht nur die Maschinen für Wasser und Sauerstoff, nein, auch Betten sind in meiner Basis bis zur Erforschung vollkommen unbekannt. Das alles dauert.

Sobald ich eine Basis und grundlegende lebenserhaltende Module erforscht und gebaut habe, werfe ich einen Blick in den Bewerberpool. Die Mond-Interessierten haben verschiedene Fähigkeiten und Eigenschaften, dank der sie sich für die anfallenden Aufgaben besser oder schlechter eignen. Sobald die Kolonisten da sind, übernehmen sie direkt offene Arbeitsplätze.

Meine ersten beiden Menschen auf dem Mond sind angekommen!
Meine ersten beiden Menschen auf dem Mond sind angekommen!
Quelle: Debora Pape

Das sind einerseits fortschrittlichere Maschinen in meiner Fabrik: Die funktionieren zwar auch ohne Kolonisten, aber sobald ein Kolonist die Aufsicht übernimmt, geht die Arbeit bedeutend schneller. Hierfür eignen sich Ingenieure am besten. Wissenschaftlerinnen führen Forschungen durch, sodass ich beim Forschungsfortschritt weniger von Aufträgen abhängig bin. Biologen gärtnern und Medizinerinnen sowie Köche sorgen für das weitere Wohlergehen.

Jeder arbeitende Wissenschaftler erhöht meinen Forschungsoutput signifikant.
Jeder arbeitende Wissenschaftler erhöht meinen Forschungsoutput signifikant.
Quelle: Debora Pape

Wie wichtig die (Charakter-)Eigenschaften der Kolonisten werden können, kann ich aktuell noch nicht abschätzen. Wenn das Studio dem Vorbild «Space Haven» folgt, können Krankheit und psychische Verfassung zu ernsten Schwierigkeiten führen.

Early Access: Feinschliff ist nötig

«The Crust» ist am 15. Juli im Early Access erschienen, ist also noch in Entwicklung. Show-Stopper-Bugs habe ich nicht erlebt. Einmal hob das Schiff eines Kunden nicht mehr von der Plattform ab, ich musste seinen Auftrag abbrechen und eine kleine Strafe zahlen. An der deutschen Übersetzung hapert es teilweise, nicht alle Texte sind übersetzt. Und nicht immer sind mir die Regeln ganz klar, es gibt keine oder nur sehr begrenzte Infotexte zur Handhabung mancher Gebäude und zu den Spielmechaniken.

Bei den Kolonisten gibt es für das Entwicklerteam noch viel zu tun, das ist jedenfalls mein subjektiver Eindruck. Sie spielen zum aktuellen Stand eher eine Nebenrolle. Trotzdem ist «The Crust» bereits sehr gut spielbar und bietet schon im Sandbox-Modus Content für viele Spielstunden. Und da ist die Kampagne noch nicht mal inbegriffen.

Mein (erstes) Fazit zu «The Crust»

Insgesamt kommt mir «The Crust» auf «normaler» Schwierigkeit recht schwer vor. Schnell muss ich auf eigenen Füßen stehen und schauen, wie ich an Geld, Materialien und Forschungspunkte komme. Zusätzlich gibt es noch einen schweren und sehr schweren Modus. Ich finde das aber okay – ohne ständiges Navigieren um Engpässe würde ich mich langweilen.

Selten fesseln mich neue Spiele so derartig an den Computer, wie es «The Crust» schafft. Das Spiel hat viele Aspekte, auf die ich mich konzentrieren kann. Ich lege großes Augenmerk auf die Produktionsoptimierung – müsste das aber nicht. Stattdessen kann ich mich auch auf die Erkundung und Aufträge spezialisieren und durch Forschung und Gewinne schnelle Fortschritte machen. Bei Kolonisten kann ich mich ebenfalls verkünsteln und schöne Räumlichkeiten aufbauen – oder eben nicht.

«The Crust» ist kein Spiel, das nur einen klaren Fokus hat, wie etwa Automatisierung oder Kolonisierung. Es ist breiter und im Vergleich zu den Vorbildern vielleicht auch oberflächlicher aufgestellt. Trotzdem gelingt es «The Crust», gut zu sein.

Ein Ende der Forschungsbäume ist nach meinen mehr als 20 Spielstunden auch noch nicht in Sicht. Eines weiß ich aber: «The Crust» wird mich noch einige schlaflose Nächte kosten – im positiven Sinne.

Das Spiel wurde mir zu Testzwecken vom Publisher Crytivo zur Verfügung gestellt.

Titelbild: Debora Pape

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