

Ich habe versucht, meine Kabel selbst zu sleeven, das Ergebnis ist...

Gesleevte Kabel sehen verdammt schick aus. Sie sind aber auch sehr teuer. Um Geld zu sparen, habe ich es selbst versucht. Das ist die Geschichte meines Scheiterns.
Langsam schiebe ich das Kabel durch den Paracord. Es. Geht. Nicht. Vorwärts. Pro Minute bewege ich das Kabel gefühlt einen Zentimeter. Meine Finger schmerzen. Ich verspanne mich am ganzen Körper. Der Schweiss läuft mir den Nacken runter. «Beweg dich endlich vorwärts, du scheiss Kabel!» Es will nicht. Nein, sleeven ist nichts für mich. Dabei war ich zu Beginn voll motiviert.
Die Königsdisziplin des Moddings?
Schaue ich während dem Gamen nach rechts, sehe ich das Innere meines PCs. Mir gefallen meine farblich abgestimmten Komponenten. Was mich stört, sind die schnöden schwarzen Netzkabel. Ich habe schon Videos von Moddern gesehen, die ihre Kabel selbst sleeven. Das will ich auch versuchen.
Mit Sleeven ist der Prozess gemeint, bei dem die fetten Kabel des Netzteils ihrer Hülle entledigt und in einzelne Stoffkleider (Sleeves) gesteckt werden. Die Arbeit wird als mühsam und zeitaufwendig beschrieben. Klar, will ich tatsächlich alles selbst machen, muss ich erstmal Kabel abmessen, schneiden, crimpen und quetschen. Und das bei jedem einzelnen Kabel für Mainboard, GPU und alle weiteren Anschlüsse. Das dauert.
Ist das Kabel sleeven gar die Königsdisziplin des Case Moddings? Wohl eher nicht, beim Biegen von Hard Tubes oder dem Modellieren von Gehäuse-Komponenten ist die künstlerische Ader mehr gefragt. Aber am zeitaufwendigsten ist das Sleeven ganz bestimmt.
Kein Wunder greifen heute immer mehr Modder zu fertig gesleevten Kabeln oder lassen sie anfertigen. Die Auswahl an verschiedenen Farben ist mittlerweile relativ gross. An die Möglichkeiten vom Selbermachen kommen sie aber noch nicht heran – auch preislich nicht.
Schier grenzenlose Möglichkeiten
Die meisten Modder verwenden Fallschirmleinen – Paracord genannt – als Sleeves. Die bestehen aus Nylon und wurden vom US-Militär erstmals während dem Zweiten Weltkrieg verwendet. Die Leinen erfreuen sich heute auch bei Bastlern und Campern grösster Beliebtheit. Fun Fact: Paracord wurde sogar zur Reparatur des Hubble-Weltraumteleskops verwendet.
Fürs Modding von internen PC-Netzkabeln wird Paracord des Typs III – auch 550 Paracord genannt – verwendet. Die Zahl 550 weist auf die Mindestbruchlast von 550 Pfund – umgerechnet 249 Kilogramm – hin. Die Leine gibt es in verschiedensten Uni-, Camouflage-, Multi- und Neon-Farben sowie reflektierend und im Dunkeln leuchtend.
Mein Projekt
Für die optimale Lösung benötige ich nebst Paracord noch Werkzeug, Kabel, Pins und Schrumpfschlauch. Die Anschaffungskosten dafür übersteigen aber den Preis von fertigt gesleevten Kabeln. Ich entscheide mich deshalb für die Budget-Variante und sleeve die vorhanden Kabel meines Netzteils.

So muss ich lediglich die Pins aus den Steckern entfernen, die Kabel sleeven und wieder einführen. Zu kaufen brauche ich somit nur den Paracord und Schrumpfschläuche, um die Sleeves zu fixieren. Auf Sleevingwerkzeug verzichte ich. Die Pins will ich mit Behelfs-Werkzeug in Form von Bostich-Klammern entfernen.
Vorerst konzentriere ich mich auf’s 24-Pin-Mainboard-Kabel, da ich bereits dafür viel Paracord benötige. Wenn’s nicht klappen sollte, sitze ich sonst auf relativ viel Nylon. Ein Stromkabel ist 60 Zentimeter lang. Das mal 24 macht 14 Meter und 40 Zentimeter. Ich bestelle zwei Farben Paracord. 15 Meter weiss und fünf Meter schwarz mit Glow-in-the-Dark-Effekt. So habe ich auch genug Material, sollte mal was schiefgehen – hoffe ich zumindest. Das kostet mich rund zwanzig Franken mit Porto plus vier Franken für Schrumpfschläuche. Im Vergleich zu über 100 Franken für ein fertiges Set, würde mich das Selbstmachen gesamthaft 40 Franken kosten – wenn ich denn die übrigen Kabel noch mache.

Fertig, bevor ich richtig angefangen habe?
Werkzeug brauche ich nicht viel. Einen Seitenschneider, eine Japanmesser und zwei Bostich-Klammern. Als erstes muss ich die Kabel aus ihrer bestehenden Sleeve lösen. Das erweist sich als gar nicht so einfach. Die Dinger sind an den Enden so stark verleimt, dass ich nebst Japanmesser auch eine Flachzange zum Entfernen brauche. Ich schneide sie längsweg mit dem Japanmesser auf und ziehe sie dann mit der Zange ab. Ich nerve mich, warum es so kompliziert sein muss. Mein Stresslevel steigt auf 20 von 100 möglichen Punkten.

Leider stosse ich unter der Sleeve auf einen Kondensator. Darf ich den Kondensator einfach entfernen? Wie lösen das die Hersteller von gesleevten Kabeln? Wenn ich jetzt alles selbst machen würde, wäre mir der Kondensator gar nicht aufgefallen. Stresslevel 50.
Eine kurze Recherche zeigt, dass der Kondensator wohl nur dazu da ist, die Restwelligkeit auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Moderne Netzteile, Mainboards und GPUs haben alle integrierte Kondensatoren, um Restwelligkeit vorzubeugen. Trotzdem frage ich noch bei Seasonic nach. Sie bestätigen meinen Verdacht: Der Kondensator dient Optimierungszwecken. Das Netzteil sollte aber auch ohne funktionieren. Stresslevel 30, ich kann durchatmen. Mein Projekt ist nicht bereits zu Ende.
Schaue ich mir das Mainboard-Kabel an, kommt aber ein weiteres Problem hinzu. Seasonic setzt beim Netzteil auf 28 Pins, im Gegensatz zu den 24 auf dem Mainboard. Die vier zusätzlichen Kabel sollen die Spannung beim ATX-Stecker überprüfen. Die Kabel möchte und sollte ich aus Stabilitätsgründen nicht weglassen. Da leider nicht zwei Kabel gleichzeitig durch den Paracord passen, müsste ich die Kabel einzeln sleeven. Das gefällt mir aber optisch nicht. Zumal ich den Schrumpfschlauch so nicht im Stecker verstecken kann. Stresslevel 60. Ich entschliesse mich, das Mainboard-Kabel erstmal links liegen zu lassen und überlege mir, eine Verlängerung zu kaufen, die ich dann problemlos sleeven kann. Die Neuausrichtung hilft, mein Stresslevel sinkt auf unter 42.
Neue Hoffnung mit dem PCI-E-Kabel?
Einfach aufgeben will ich aber nicht. Schliesslich habe ich bis jetzt noch gar nicht gesleevt. Ich versuche es mit dem PCI-E-Strang. Der hat nur acht Kabel. Wie sich beim Lösen der bereits bestehenden Sleeve herausstellt, ist auch hier ein Kondensator zwischengeschalten. Hinzu kommt, dass vom ersten Stecker weitere Kabel auf einen zweiten Stecker gehen. Ich entschliesse mich, diese einfach abzuzwacken und nur das primäre Kabel zu sleeven.

Jetzt kann’s aber endlich losgehen. Da ich sehr faul bin und bereits einige Hürden überwinden musste, entschliesse ich mich, nur die Pins auf der GPU-Seite zu entfernen. Das unsichtbare Ende beim Netzteil fixiere ich mit einem Schrumpfschlauch auf dem Kabel. Die Kabel schreibe ich beim Netzteilende an, damit ich wieder weiss, in welches Loch sie gehören.
Ich entferne die Pins mit zwei Bostich-Klammern. Die führe ich links und rechts des Konnektors ein. Die Pins haben auf beiden Seiten Widerhaken, die so reingedrückt werden. Auf diese Weise sollten sie sich entfernen lassen– zumindest in der Theorie. Eine Klammer einzuführen, fällt mir noch verhältnismässig leicht. Dadurch wird aber der Pin auf die andere Seite gedrückt und der Platz für die zweite Klammer wird sehr eng. Es ist ein absolutes Gewurstel. Nach einigen Versuchen bekomme ich die zweite Klammer jeweils rein.
Ein Werkzeug wäre keine schlechte Idee gewesen. Ich rutsche beim Reindrücken der Klammern immer wieder ab und die Bostich-Klammern bohren sich genüsslich in meinen Daumen. Nach vier Pins ist dieser ganz wund und jeglicher Druck schmerzt. Mein Stresslevel steigt wieder etwas an und liegt bei 65.
Als schwieriger erweist es sich, die Pins herauszuziehen. Es ist erstaunlich viel Kraft nötig und schliesslich will ich das Kabel nicht herausreissen. Der schmerzende Daumen macht das nicht einfacher. Irgendwann gelingt es mir dann doch, alle Kabel aus dem Stecker zu entfernen. Mit pochendem Daumen mache ich mich endlich ans Sleeven. Die Vorfreude darauf lässt mein Stresslevel wieder auf die gute alte 42 sinken.
Kabel in Hülle
Die eigentliche Arbeit hat noch gar nicht begonnen und ich hatte bereits zahlreiche Probleme. Jetzt muss einfach alles reibungslos klappen. Ich messe den Paracord ab, indem ich ihn neben dem Kabel aufrolle. Etwa fünf Zentimeter vor dem PSU-Stecker schneide ich den Paracord durch. Jetzt muss ich nur noch das Garn aus der Sleeve ziehen. Das geht zur Abwechslung mal ganz einfach. Stresslevel 20, jetzt kann’s nur gut kommen.

Ich beginne mit den äusseren Kabeln links und rechts, die ich mit weissem Paracord sleeven will. Die Pins klebe ich mit Isolierband ab, damit sich die Widerhaken nicht per Zufall in der Sleeve verheddern. Danach kann ich sie Zentimeter für Zentimeter über das Kabel ziehen. Meine Daumen schmerzen, aber ich habe Freude, dass alles so gut läuft.
Sobald der Paracord übergestreift ist, schneide ich zwei Schrumpfschläuche zu, einen für jedes Ende. Auf der PSU-Seite mache ich den Schlauch etwas länger.Den sieht man ja nicht. Auf der Mainboard-Seite will ich eine Technik anwenden, bei der der Schrumpfschlauch nicht oder nur sehr wenig sichtbar ist. Ich beginne dort, weil ich da sehr exakt arbeiten muss.

Den Schlauch schneide ich etwa einen Zentimeter lang zu. Den Paracord schiebe ich etwas über den Pin am unteren Ende und stülpe den Schrumpfschlauch drüber. Jetzt erhitze ich den oberen Teil des Schlauchs mit der blauen Flamme eines Feuerzeugs. Dieser zieht sich zusammen und verschmilzt mit dem darunterliegenden Metall. Ich drücke den noch heissen Schrumfpschlauch an und ziehe ihn dann ab. So ist er nicht mehr zu sehen.Weil er aber mit dem Kabel verschmolzen ist, hält der Paracord fest. Jetzt bin ich doch etwas stolz auf mich und will gleich schauen, wie’s aussieht, wenn ich den Pin wieder einführe. Stresslevel null.

All mein Stolz löst sich gleich wieder in Luft auf. Stresslevel 50. Da der Pin mit zwei Kabeln gequetscht wurde, ist er am unteren Ende, wo die Kabel zusammenkommen, relativ dick. Mit der Sleeve selbstverständlich noch dicker und deshalb passt er nicht mehr in den Stecker. Ich muss so stark murksen, dass sich der Schrumpfschlauch wieder löst. Alles umsonst. Innerlich schreie ich. Ich möchte die verfluchten Kabel am liebsten in tausend Stücke schneiden. Stresslevel 99. Durchschnaufen, nachdenken.
Ich bin am Ende
Jetzt muss ich entweder von meinem Plan, alles möglichst einfach zu machen, abkommen und alles selbst machen: Also Kabel abmessen, schneiden, crimpen und quetschen. Oder ich befestige den Paracord so, dass der Schrumpfschlauch sichtbar ist. Ich entscheide mich für die zweite Variante, weil’s mir langsam stinkt.
Das klappt einwandfrei. Die äusseren Kabel sind schnell gesleevt. Kann es sein, dass jetzt alles klappt? Ich kann’s gar nicht so recht glauben. Meine Befürchtung werden auch prompt bestätigt, als ich mich daran mache, den Glow-in-the-Dark-Paracord übers Kabel zu stülpen. Dieser muss wohl nebst Nylon noch ein anderes, weniger dehnbares Material drin haben. Denn obwohl es sich um 550 Paracord handelt, scheint er enger. Ich schaffe es kaum, ihn über das Kabel zu stülpen. Es geht nicht vorwärts. Meine Daumen tun mir höllisch weh. Ich verkrampfe mich und starre wie gebannt auf den Paracord. Meine Augen beginnen zu brennen. Ich kann nicht mehr. Innerlich weine ich, vor Schmerzen und Verzweiflung. Stresslevel 100.

Es dauert zwanzig Minuten, bis ich die dreissig Zentimeter Paracord über das Kabel geschoben habe. Ganz am Schluss geht es gar nicht mehr weiter. Ich muss den Paracord längsweg aufschneiden, damit der Pin auf der anderen Seite wieder rauskommt. Es reicht, ich gebe auf. Nochmal will ich mir das nicht antun. Jetzt sitze ich seit über fünf Stunden über diesen verdammten Kabel und habe noch nicht mal ein, ein PCI-E-Kabel gesleevt. Ich kann die verdammten Dinger nicht mehr sehen. Der Gedanke, nochmal ein Kabel so mühsam durch Nylon zu murksen, macht mir Angst. Mein Versuch, Kabel selbst zu sleeven ist gescheitert. Vielleicht hätte ich’s am besten richtig versucht und alles selbst gemacht. Das stinkt mir jetzt aber auch. Dann kaufe ich mir die scheiss Kabel halt. Stresselevel null.


Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.