
Huawei Mate 20 Pro: Starke Batterie, schwacher Screen

Das Huawei Mate 20 Pro ist stark, sehr stark. Systemleistung, Batterielaufzeit und der Look überzeugen. Aber bitte sei vorsichtig mit dem Phone, denn der Bildschirm hat so seine Macken.
Ich bin bekanntermassen ein Fan von schwarzen Phones. Vorne Amoled, hinten schwarz. Klar, aus beruflichen Gründen verwende ich dann und wann wieder andere Farben – ein goldenes iPhone Xs, zum Beispiel –, aber wenn ich die freie Wahl habe, dann ist mein Phone schwarz.

Ausser bei Huawei. Denn mit dem überarbeiteten Twilight hat der Hersteller aus China einen Volltreffer gelandet. Bisher hat mir die Farbe auf dem P20 Pro, die eigentlich Farbverlauf von dunklem Violett zu Blau ist, nicht so gefallen. Auffällig war sie, ja, gebe ich zu, aber so richtig vom Hocker gehauen hat sie mich nicht. Mir hat der Kontrast gefehlt. Dann aber wusste ich, sobald ich die Geräte in London gesehen habe: Ich will das neue Twilight. Blau über violett zu schwarz. Auch nach gut einem Monat Test erwische ich mich dabei, wie ich mit dem Farbverlauf spiele und ihn immer noch Leuten zeige. Kurz: Ich bin Fan des neuen Twilight.
Apropos das Gerät aus London: Ich muss anführen, dass mein Testgerät ein Vorserienmodell ist. Ich weiss sicher, dass meine Software nicht ganz aktuell ist, denn einige Apps wie der 3D Scanner fehlen. Den werde ich mir schon noch anschauen, konnte das aber aus offensichtlichen Gründen nicht.
Ich bin nicht nur Fan des neuen Twilights, sondern – im laufenden Jahr zumindest – auch von Huawei. Denn kein Hersteller hat sich dieses Jahr so ins Zeug gelegt, wie die Chinesen. Und es hat sich gelohnt. Mit zwei Flaggschiffen, die beide im Rennen um das Phone des Jahres sind, hat Huawei bewiesen, dass sie ordentlich was drauf haben, Zähne gezeigt und Hunger bewiesen. Das kommt gut, wenn das so weiter geht.
Eine Warnung zu Beginn
Das Huawei Mate 20 Pro, genau wie die anderen Modelle der Mate-20-Serie, werden laut Huawei Schweiz am Londoner Launch Event mit einer Schutzfolie über dem Bildschirm ausgeliefert. User Sys-lab fragt in der Community ob da tatsächlich Schutz und Case in der Verpackung sind. Nutzer Mirkolino90 glaubt zu wissen, weshalb da keine dabei ist.
EU Länder, inklusive der Schweiz erhalten keine Folie beziehungsweise Case.
Bei meinem Vorserienmodell war keine Folie drauf. Bei meinem P20 Pro habe ich sie aus Neugierde entfernt. Tu das nicht. Echt nicht. Nach zwei Tagen hatte mein Mate 20 bereits Kratzer. Mittlerweile sind das mehr, teilweise grosse. Das ist mir sogar beim P20 Pro nicht passiert. Ich bin mir daher nicht ganz sicher, ob das mit dem Vorserienmodell zu tun hat, oder nicht. Ich meine mich aber zu erinnern, dass die Hardware final sei.

Dabei ist der Screen auf dem gleichen Niveau wie der des Samsung Galaxy Note 9. Er beeindruckt mit satten, starken Farben. Videos sehen einfach nur gut aus und seit ich mit dem Mate 20 Pro arbeite, schaue ich mir wesentlich mehr Videos an. Statt meiner morgendlichen Podcasts kommt Skeptiker Myles Power auf den Bildschirm. Statt Musik zu hören, schaue ich mir Unbox Therapy im Tram an.
Die Rückseite hingegen ist zwar ein Fingerabdruckmagnet, aber die hält einiges aus. Auch nach gut einem Monat keine Kratzer oder sonstige Auffälligkeiten. Ich frage mich, wieso das vorne nicht auch geht. Logisch, das Material ist ein komplett anderes und fühlt sich nur ähnlich an, aber ich meine, dass das doch machbar sein müsste.
Wenn da tatsächlich keine Schutzfolie auf deinem Handy ist, dann empfehle ich dir dringend, eine solche noch zu kaufen. Klar, kostet wieder extra aber du hast echt mehr Freude an deinem Phone, wenn da keine Kratzer auf dem Display sind. Da ich selten bis nie Schutzfolien auf meinen Testgeräten anbringe, empfehle ich dir einfach die Marke, die an Messen wie dem MWC oder der IFA immer einen guten Eindruck hinterlässt und die ich anno dazumal auf meinem Uralt-Galaxy-S5 benutzt habe.
Viel Batterie, unauffälliger Grips
Nun zum Guten: Das Huawei Mate 20 Pro ist nicht nur schnell, es ist übel schnell. Es wird selten heiss, tuckert nie vor sich hin. Huawei hat ein Gerät gebaut, das im Wesentlichen immer auf voller Geschwindigkeit arbeitet. Dabei frisst das Mate 20 Pro vergleichsweise wenig Batterie und der 4200 mAh starke Akku hält auch bei Heavy Use etwa 36 Stunden durch. Respekt. Das Kirin 980 System-on-a-Chip (SoC) macht zwar nicht radikal alles schneller, besser und grossartiger, wenn du es direkt mit dem 970er aus dem vergangenen Jahr vergleichst, aber das Power Management ist eines der Features, die massiv verbessert wurden.

Dazu kommt, dass der mitgelieferte Charger mit 40W Output innerhalb maximal einer Stunde den ganzen Akku lädt. So muss das sein. Generell sind es diese eher unauffälligen Dinge, die am Mate 20 Pro Spass machen. Die fancy Features mögen zwar fancy sein, aber bei Dingen wie dem Akku wird mir warm ums Herz. Ein Phone, das locker mithält und schnell wieder aufgeladen ist, macht doch einfach mehr Spass. Andere Hersteller können sich da eine Scheibe abschneiden. Denn es stimmt schon: Egal, welches Phone du hast, sei es Android oder iOS, das Teil nutzt nichts, wenn da kein Saft mehr drauf ist.
Das 980er-SoC macht seine Arbeit sehr gut. Das ist aber immer so eine Sache mit der künstlichen Intelligenz, die mit einer Dual Neural Processing Unit (NPU) lokal verbaut ist und nicht irgendwo im Internet mitrechnet. Wenn die zwei NPUs gut funktionieren, dann bemerkst du sie nicht. Denn die Prozessoren nehmen dir das Denken ab. Ein kleines, zugegebenermassen nischiges Beispiel, das mir aufgefallen ist: Ich durchsuche oft die Einstellungen des Phones. Ich gehe eigentlich nie auf «Settings → Display → Text Style» oder so. Ich mache die Einstellungen auf und benutze das Suchfeld oben. Dann sucht das Phone die Einstellung für mich, während ich tippe. Also bei der Eingabe von «Tex» tauchen alle Einstellungen mit dieser Zeichenfolge auf. Dieser Index aller Einstellungen ist auf anderen Phones nirgends persistent gespeichert und auch zu Beginn war das Mate 20 Pro eher lahm im Durchsuchen. Mittlerweile aber scheint der Index, der sich genau zweimal verändert hat – Developer Options und Text Style – irgendwo zwischengespeichert zu sein und ist daher schnell abrufbar. Es sind die kleinen Dinge.
Apropos unauffällig. Das trifft auf die Kamera ebenfalls zu. Sie ist gut, sehr gut sogar. Doch ich kenne sie noch gut vom P20 Pro her. Klar, da ist eine Weitwinkellinse verbaut, aber die habe ich genau einmal wirklich gebraucht. Vielleicht habe ich einfach keinen Use Case für eine Weitwinkellinse oder war nirgends, wo die Aussicht spektakulär ist, aber alleine der Kamera wegen würde ich das Phone nicht kaufen. Oder halt eben doch: Die Kamera gleicht der des P20 Pro aufs Haar, wenn du von der Weitwinkellinse absiehst. Die Bilder sind und bleiben richtig gut. Aber sensationelle Neuerungen musst du nicht erwarten.
Kleine Hacks für Huawei und manchmal für andere Phones
Auf dem Bildschirm geht bei Huawei viel. Vor allem schief. Seit zwei Jahren motze ich an der Benutzeroberfläche Huaweis und Honors herum. Denn Emui gefällt mir so gar nicht. Es hat keine konsistente Design-Sprache, sieht bestenfalls altbacken aus und wird der Systemleistung des Phones schlicht nicht gerecht.
Darum habe ich in den vergangenen Jahren allerlei Tricks rausgefunden, wie ich Emui möglichst umgehen kann. Dazu gehört das Austauschen des Launchers mit Nova Launcher, eine neue Schriftart für dein Handy und wie du hübschere Icons auf dein Phone kriegst.
Diese kleinen Hacks sind auch easy für Anfänger zu bewältigen und ich lege sie dir sehr ans Herz. Etwas komplexer aber, immer noch ganz okay wird es, wenn du dir den durch den breiten Notch des Mate 20 Pro verlorenen Platz in der Status Bar wieder zurückerobern willst.
Aus versicherungstechnischen Gründen muss ich hier anfügen, dass ich oder mein Arbeitgeber keinerlei Haftung für Schäden an deinem Gerät übernehmen, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit, dass du etwas kaputt machst, extrem klein ist. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die zwei Projekte, in denen du mit der Android Developer Bridge (adb) arbeitest, irgendwas mit deiner Garantie anstellen. Aber die Chance, dass etwas schief geht, ist sehr gering.
Das Phone des Jahres?
Im Video aus London habe ich die Frage aufgeworfen, ob das Mate 20 Pro das Phone des Jahres sein wird. Farblich sicher, aber darum geht es nicht. Die Frage möchte ich heute aber nicht abschliessend beantworten, denn ich habe mich entschlossen, am Ende des Jahres alle meine Testgeräte und Highlights von Messen und dergleichen nochmal durchzugehen und dann eine Rangliste zu erstellen.

Ich war aber, rein emotional gesprochen, vom Mate 20 Pro nicht so überwältigt wie vom P20 Pro. Nicht, dass das P20 Pro zwingend das bessere Phone ist, aber das P20 Pro im Frühjahr hat schlicht einen neuen Standard gesetzt und mich überwältigt. Das Mate 20 Pro ist ein solides Upgrade des P20 Pro, mit verbesserter Akkuleistung und besserem SoC, aber der Wow-Effekt blieb bei mir aus. Trotzdem: Im Kampf um den Titel des Phone des Jahres findest du im Huawei Mate 20 Pro einen starken Kandidaten.
So. Fertig. Ich schau mal, ob ich die Kratzer aus meinem Display rauskriege. Dann Panzerglas drüber. Tipps über wo ich die Kratzer entfernen lassen kann, nehme ich gerne an.


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.