Produkttest

HTC U12+: Über unsichtbare Designs und empfindliche Kanten

HTC gibt’s immer noch, allen pessimistischen Voraussagen zum Trotz. Deswegen gibt’s das HTC U12+. Weshalb du mehr Evolution statt Revolution erwarten darfst, erfährst du hier.

Der grosse Hingucker beim HTC U12+, Nachfolger des HTC U11 und U11+, ist das beinah transparente Design.

HTC U12+ (64 GB, Flame Red, 6", Hybrid Dual SIM, 12 Mpx, 4G)
Smartphone

HTC U12+

64 GB, Flame Red, 6", Hybrid Dual SIM, 12 Mpx, 4G

HTC U12+ (64 GB, Translucent Blue, 6", Hybrid Dual SIM, 12 Mpx, 4G)
Smartphone

HTC U12+

64 GB, Translucent Blue, 6", Hybrid Dual SIM, 12 Mpx, 4G

HTC U12+ (64 GB, Titanium Black, 6", Hybrid Dual SIM, 12 Mpx, 4G)
Smartphone

HTC U12+

64 GB, Titanium Black, 6", Hybrid Dual SIM, 12 Mpx, 4G

«Die Leute stehen darauf, auf das Innenleben eines Handys blicken zu können. Das geht ja sonst nicht», sagt Fabian Nappenbach, Director Product Marketing Europe bei HTC.

Stimmt: Hier unten der Akku, da oben die Kameralinse, hier ein Kabel, das quer über die Rückseite verläuft. Das Smartphone, das HTC am Pre-Launch-Event im 25hours Hotel in Zürich West vorstellt, ist einzigartig. Und das «Blue» im Farbnamen «Translucent Blue» ist zum Glück doch nicht ganz so unsichtbar, wie damals beim Gameboy Color.

Das wäre dann doch zu viel des Guten gewesen.
Das wäre dann doch zu viel des Guten gewesen.

Dass das Design durchaus nicht auf der Hand gelegen hat, zeigen die Bedenken, welche die Verantwortlichen bei HTC hatten, als sie vergangenes Jahr eine limitierte Auflage transparenter U11-Smartphones lanciert haben. «Wir trauten der Sache noch nicht ganz», gibt Nappenbach zu. Aber die Rückmeldung sei so unerwartet positiv gewesen, dass die transparente Farbvariante gleich zur Flagship-Farbe befördert worden ist. Sprich: In der Werbung wirst du vor allem das Handy in durchsichtigem Blau sehen.

Das transparente Design ist speziell, aber irgendwie cool.
Das transparente Design ist speziell, aber irgendwie cool.

Fabian Nappenbach, der sich erhofft, dass HTC-Smartphones wenigstens designmässig wieder zu den Pionieren gehören, hat klare Vorstellungen dazu: «Wir möchten, dass die Kunden unsere HTC-Handys sofort wiedererkennen, wenn sie unsere Werbung sehen.»

Totgeglaubte leben länger

Eine Stunde zurück. Das Wort «Pionier» ist nicht zufällig gewählt. Einst hat HTC tatsächlich als Smartphone-Pionier gegolten. Dann wurde die Konkurrenz aus Südkorea und Amerika, namentlich Samsung und Apple, zu stark: Die Gewinne sind eingebrochen, und HTC muss seit dem schrumpfende Marktanteile in Kauf nehmen. Vergangenes Jahr hat sich Google für etwa eine Milliarde Dollar Patentrechte und Entwickler-Personal von HTC unter den Nagel gerissen. Und dann gibt’s ja noch die China-Smartphones.

Harte Zeiten für HTC.

Dem Munkeln eines kurz bevorstehenden Ausstiegs HTCs zum Trotz hat sich das U12+ Vorschusslorbeeren verdient. Es wird klar: HTC hat sowas von nicht vor, die Smartphone-Branche zu verlassen.

Das Handy ist empfindlich… berührungsempfindlich

Fabian Nappenbach ist aufgeweckt, sympathisch und passt mit Jeanshose und Strickjacke perfekt zur legèren Umgebung des Meetingraums «Zunftstube». Der bunt eingerichtete Raum mit Boardroom-Bestuhlung ist ausgelegt für 20 Personen, anwesend sind nur Video Producer Stephanie Tresch und ich sowie das vierköpfige HTC-Team rund um Nappenbach. Zum Glück versteht er es, die etwas beklemmende Atmosphäre durch seine Begeisterung für das Phone aufzulockern.

Als erstes gibt er uns einen kleinen Überblick in Punkto Hardware:

  • Android 8 Oreo, erweiterbar auf Android P (Zeitpunkt unbekannt)
  • Schutzklasse IP68
  • Qualcomm Snapdragon 845 Prozessor mit 6 GB Arbeitsspeicher
  • Adreno 630 GPU
  • 64 GB interner Speicher, optional 128 GB, erweiterbar auf bis zu 2 TB
  • Dual Sim: Ja, Hybrid-Slot
  • 3500 mAh Akku

«Ein rechteckiger Kasten mit super Hardware ist schnell gemacht und nicht besonders schwer nachzuahmen», sagt Nappenbach, «Wir überlegen uns deshalb, was wir anders machen können.»

Dann nimmt er zum ersten mal das neue HTC U12+ hervor. Auf der Präsentation, die im Hintergrund auf einer Leinwand läuft, sehen wir HTCs Werbe-Slogan, «Live on the Edge» – was zu Deutsch soviel wie «Leben am Limit» bedeutet. Eine Anspielung auf das Edge Sense Feature, auch wenn das die deutsche Version des Spruchs nicht unbedingt suggeriert. «Ein Problem, dass zum Glück nicht ich, sondern HTCs Übersetzer zu lösen haben», sagt Nappenbach mit einem verschmitzten Grinsen.

Edge Sense bedeutet, dass wie schon beim Vorgängermodell die Ränder berührungsempfindlich sind. Das heisst, dass allerlei Funktionen gesteuert werden, indem du auf die Ränder drückst oder tippst. Dieses mal heisst’s aber Edge Sense 2, weil die Ränder auf ein paar neue Gesten reagieren und so die Funktionen erweitert wurden.

Die Kanten reagieren auf Berührungen und Gesten.
Die Kanten reagieren auf Berührungen und Gesten.

In der Praxis funktioniert das so: Stell dir vor, du bist unterwegs und kannst dein Smartphone nur einhändig bedienen. Durch ein seitliches Doppeltippen öffnet sich auf der entsprechenden Seite ein kleines App-Rädchen mit von dir vordefinierten Apps. Eine simple, aber praktische Idee. Du kannst noch viel mehr konfigurieren. Das Zusammendrücken beider Ränder könnte deine Lieblings-App öffnen, und innerhalb der App könntest du konfigurieren, dass das Doppeltippen am Rand vorwärts- oder rückwärts blättert.

«Wir haben viele Ideen, wie das in Zukunft weiterentwickelt werden könnte», sagt Nappenbach. Während Edge Sense im U11 noch etwas unausgereift gewirkt hat, kommt Edge Sense 2 im U12+ tatsächlich erwachsener daher.

Ein doppeltes Tippen am unteren, rechten Rand öffnet das App-Rädchen. Echt praktisch, wenn nur eine Hand frei ist.
Ein doppeltes Tippen am unteren, rechten Rand öffnet das App-Rädchen. Echt praktisch, wenn nur eine Hand frei ist.

Aber der Weisheit letzter Schluss ist das noch nicht.

In der Kamera-App fehlt die Möglichkeit, durch das Streicheln der Ränder rein- und rauszuzoomen. In einer Musik-App könnte durch die selbe Geste die Lautstärke geregelt werden. Und ein doppeltes oder gar dreifaches Tippen könnte doch bewirken, dass sich das Display ein- und ausschaltet. Wäre HTC konsequent, würden sie die seitlichen Knöpfe ganz abschaffen, und deren Funktionen auf das Edge-Sense-Feature verschieben.

Das wäre ein Design mit echtem Alleinstellungsmerkmal.

Aus einer Kamera mach Zwei

Nappenbach wechselt zum Thema Kamera: «Zugegeben, bei HTC wusste man in den letzten Jahren nie so recht, was man kriegt». Er spielt auf den Umstand an, dass frühere Kamera-Versionen – etwa jene vom HTC One M8 oder HTC One M9 – unter einem schlechten Ruf zu leiden hatten. DxOMark Wertungen von 68, 69 oder 78 haben zum Standard gehört. Das hat sich mittlerweile drastisch geändert, spätestens seit dem HTC mit dem U11 und seinem 90er Score für Furore gesorgt hat.

Die Hardware in Kürze:

  • Hauptkamera Sensor 1: 12,2 MP Ultra Pixel 4 mit f/1.75 Blende und 25 mm Brennweite, optische Bildstabilisierung und EIS
  • Hauptkamera Sensor 2: 16 MP Tele Kamera mit f/2.6 Blende und 50 mm Brennweite und Realtime Bokeh Modus
  • Frontkamera: Dual-Cam, f/2.0 Blende mit 28 mm Brennweite
  • Google Lense – Intelligente Bildauswertung
HTC kehrt zurück zu einem Doppelkamera-System.
HTC kehrt zurück zu einem Doppelkamera-System.

Neu ist, dass HTC mit dem U12+ zwei Kameras pro Seite verbaut. Das hat’s zwar schon einmal gegeben, allerdings sei man mit der Umsetzung unzufrieden gewesen, wie Nappenbach erklärt: «Die Technologie war damals noch nicht ausgereift genug».

Nun feiert das Doppelkamera-System bei HTC sein Comeback. «Dabei haben wir uns schon in der frühen Entwicklungsphase mit DxOMark zusammengesetzt», sagt Nappenbach, der uns versichert, dass HTC den mit der gefeierten Kamera vom U11 eingeschlagenen Kurs beibehalten möchte. Offenbar soll dass das U12+ die beste Bewertung von DxOMark bekommen, die ein Doppelkamera-System je erhalten hat. Offizielle Zahlen und Ergebnisse dürfe Nappenbach aber noch nicht vorlegen, solange das Handy noch nicht lanciert ist.

Na, das schreit förmlich nach einen Test.

Endlich dürfen wir das Phone anfassen

Das Pre-Launch-Event von HTC ist keine Rockstar-Veranstaltung à la Samsung oder Huawei, wo hunderte Journalisten darauf warten, das Phone in Händen zu halten. Das gibt uns die Möglichkeit, das Phone in Ruhe auszuprobieren.

Das Liquid Surface Design fällt sofort auf: Das Smartphone besteht auf Vorder- und Rückseite aus Glas, wodurch das Handy keine scharfe Kanten hat. Mit seinen 188 Gramm ist es nicht gerade leicht, aber es liegt trotzdem gut in der Hand. Wir probieren die Kamera-App aus.

Das Vorgänger-Modell heimste Bestnoten ein. Wie sieht's mit der Kamera des U12+ aus?
Das Vorgänger-Modell heimste Bestnoten ein. Wie sieht's mit der Kamera des U12+ aus?

Auf den ersten Blick sieht die Fotoqualität gut aus, auch, wenn es im abgedunkelten Foyer des 25hours Hotels mit seinen rostroten Sesseln und Kissen schwierig zu sagen ist. Aber gerade dank der zweiten Linse auf der Rückseite des Phones scheinen Fotos, die in dunklen Räumen gemacht werden, ohne allzu viel Bildrauschen auszukommen. Das U12+ besitzt einen zweifachen optischen Zoom, und digital sogar einen zehnfachen. Die künstliche Intelligenz – irgendwie steckt überall künstliche Intelligenz in irgendetwas – sorgt dafür, dass selbst Bilder mit grossem Zoom reichlich Informationen besitzen und nicht verpixelt oder kantig daherkommen.

Live-Bokeh hat die Kamera auch. Live bedeutet in diesem Zusammenhang, dass du bei aktiviertem Bokeh – also künstliche Tiefenschärfe – das Ergebnis direkt im Viewfinder siehst. Die App berechnet den Effekt mit den verschwommenen Hintergründen also live, nicht erst nach dem Abdrücken. Im Pro-Modus kannst du Einstellungen an ISO-Werten oder Weissabgleich selber vornehmen. Weil es sich beim Smartphone, das wir am Presse-Event in Händen halten, noch nicht um eine finale Version handelt, dürfen wir die damit aufgenommenen Bilder nicht für diesen Artikel verwenden. Schade.

Warum vernachlässigen alle die Video-App?

Zuguterletzt kommt Nappenbach auf die Video-App zu sprechen, die seiner Meinung nach viel zu sehr von den Herstellern vernachlässigt würde: «Ich meine, ist euch aufgefallen, wie viele Videos die Menschen auf Facebook posten? Das scheint ihnen ja mindestens genauso wichtig zu sein wie ein gutes Foto».

Ein paar Hardfacts:

  • 4K-Aufnahme mit optischem Bildstabilisator in 60 FPS
  • Hyperlapse stabilisierte Zeitraffer
  • Stufenloser Zoom bis 4-fach
  • Slow Motion Video (1080p / 240 FPS)
  • 3D Audio Aufnahme und Audio Zoom

Was mit dem stufenlosen Zoom gemeint ist? Während dem Filmen kannst du nicht nur manuell rein- oder rauszoomen, sondern auch automatisch und ohne dein Zutun. Stufenlos halt. Dafür reicht ein kleiner Swipe über das Display. Damit wirken Zooms nicht mehr so unbeholfen dramatisch wie beim dramatischen Chipmunk.

Dääm, däääm, dääääääääm!

Achso: HTC wird auch mit dem U12+ die USonic USB-C-Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung mitliefern.

Sinnvolle Evolution, aber keine Revolution

Jep, kann man definitiv so machen.
Jep, kann man definitiv so machen.

Das HTC U12+. Ein tolles Phone. Das Gefühl hat grundsätzlich gestimmt. Dabei sieht das Handy nicht nur richtig schick aus – besonders die transparente Version – es hat auch einiges unter der Haube zu bieten. Flagship-Standard halt.

Mit Edge Sense 2 versucht HTC etwas zu bieten, was kein anderer Hersteller hat: Ein Rand, der auf Berührungen und Gesten reagiert. Inwiefern das in deinem Alltag tatsächlich nützlich ist, bleibt abzuwarten.

Die Kamera-App rüstet mit dem Doppelkamera-System auf, und verspricht ausgezeichnete Resultate. Die ersten Gehversuche haben tatsächlich überzeugt, aber ich will wissen, was es mit der ach-so-tollen Wertung von DxOMark auf sich hat. Natürlich gibt es nur eine Möglichkeit, es herauszufinden. Aber noch liegt kein HTC U12+ auf meinen Tisch.

Wie schwer kann es schon sein, an eines ranzukommen?

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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