
Ratgeber
Das Covid-Zertifikat: Hey, Bundesbern, das geht besser
von Dominik Bärlocher
Siri, Alexa und Google Assistant sind seit etwa sieben Jahren im Einsatz. Mittlerweile sollten sie viel dazu gelernt haben. Ich frage mich: Kann ich mein Smartphone einen ganzen Tag lang nur via Sprachsteuerung bedienen?
«Ok Google. Wie ist das Wetter heute?»
Es ist etwa halb sieben Uhr Morgens. In meinem Zimmer ist es stockfinster. Wie immer, wenn es Winter ist und die Tage kurz sind.
«Heute ist es in Zürich teilweise bewölkt bei voraussichtlich minus vier bis null Grad», antwortet eine Frauenstimme aus meinem Smartphone.
Alles klar. Meine viel zu teure Winterjacke wird sich bezahlt machen. Ich frage die Frauenstimme, was heute ansteht. Themenbesprechung auf der Redaktion um zehn Uhr, Fussballtraining um achtzehn Uhr. Sonst nichts. Ein typisch ruhiger Freitag.
Dann plärrt die Stimme viel zu freundlich: «Auf Wiedersehen». Ich schmunzle. Ich wusste nicht, dass man virtuelle Sprachassistenzen wiedersehen kann. Heute vielleicht schon. Denn ich werde versuchen, mein Smartphone einen Tag lang nur über Google Assistant zu steuern.
Früher fand ich’s komisch, mein Handy laut danach zu fragen, ob ich einen Regenschirm brauche. Immerhin ist es dank Smartphones und spätestens seit 3G-Netz schon lange möglich, schnell und einfach nach Informationen zu suchen. Heute finde ich das Sprechen mit meinem Phone nicht mehr so schlimm.
Angefangen hat’s im Oktober 2011, als Apple mit Siri auf den Markt kam. Apple-Usern war es damit möglich, mit dem Smartphone zu sprechen. Am anderen Ende der Leitung sass aber kein realer Gesprächspartner, sondern ein virtueller Sprachassistent. Ein Volltreffer. Denn kurz darauf folgte Microsoft mit Cortana, Amazon mit Alexa und anno 2016 Google mit dem Google Assistant. Heute sind Sprachsteuerungsdienste in aller Munde. Besonders «Ok Google».
«Ok Google», sage ich, nachdem ich mir die Müdigkeit aus den Augen gerieben habe, «wie komme ich mit dem Bus nach Zürich Hardbrücke?»
Der Assistent braucht eine ganze Sekunde, um darüber nachzudenken. Dann: «Die beste Möglichkeit ist die Linie vier um 7.22 Uhr von Asp. Das ist etwa fünf Minuten zu Fuss von hier. Insgesamt brauchst du etwa eine Stunde und zehn Minuten und musst zwei Mal umsteigen.»
Zu lange. Ich würde nicht einmal das eine Meeting, das ich habe, rechtzeitig erreichen. Lächerlich.
«Okay Google. Wie komme ich am schnellsten nach Zürich?»
Google: «Der schnellste Weg nach Zürich ist mit dem Auto über die A1. Die Fahrt dauert ungefähr 16 Minuten bei wenig Verkehr».
Das klingt besser.
Nach meinem Morgenritual mit Zähneputzen, Duschen und Kaffeetrinken – der ist heute etwas bitter – hocke ich im Auto. Jetzt: Musik. Ohne Musik geht bei mir nichts. Musik ist mein Benzin.
«Hey Google», ich habe gerade rausgefunden, dass «hey» auch funktioniert, «spiel mir meine Playlist Bohemian Rapsody.»
Bohemian Rapsody von Queen. Seit Wochen meine allmorgendliche Hymne. Leidenschaftlich stimme ich mit ein. Bei der roten Ampel vor Zürichs Stadttoren frage ich mich, ob ich einen guten Stummfilm abgebe, wenn Leute mich durchs Autofenster performen sehen.
«Hey Google. Ich will eine Nachricht an Dominik Natel schreiben», sage ich ins Auto. Kollege Dominik Bärlocher ist so in meinem Adressbuch gespeichert.
Queen hört nach «Hey Google» automatisch auf zu spielen. Sonst könnte das Mikrofon meine Befehle nicht von der Musik unterscheiden. Mein Befehl geht als Audiodatei ins Internet. Ein Server analysiert den Mitschnitt und führt den Befehl aus. Falls nötig schickt der Server eine gesprochene Antwort zurück.
«Welche Nachrichten-App willst du nutzen», fragt mich die freundliche Frauenstimme. Ich antworte mit WhatsApp und beginne zu sprechen. Satzzeichen wie Kommas und Punkte muss ich ausformulieren.
«Hey Dominik, Punkt. Es ist komisch, Komma, so zu reden, Komma, weil ich die Satzzeichen aussprechen muss, Punkt», sage ich. Das geht so weiter. Und funktioniert tatsächlich. Halt einfach nur auf Hochdeutsch; Schweizerdeutsch ist im Ausland immer noch ein Tabuthema.
Noch im Auto wird mir bewusst: Google Assistant macht mein Leben sicherer. Denn statt während dem Fahren am Smartphone rumzufummeln, steuere ich es via Sprachbefehle.
Viele Nachrichten verschicke ich am heutigen Freitag nicht. Wir haben ein Grossraumbüro. Meine Nachrichten auf Hochdeutsch zu schwatzen nervt mich sowieso. Was hingegen gut klappt, sind Erinnerungen und Termine im Kalender zu setzen.
Apropos erinnern. Bei dieser Gelegenheit trage ich dem Sprachassistenten auf, Milch und Butter auf die Einkaufsliste zu setzen. Die ist übrigens spektakulär, diese Einkaufsliste, die du via Sprachbefehl ergänzen kannst. Wie oft hast du dir schon «ach, die Butter ist alle, muss ich noch aufschreiben» gedacht, und es dann gleich wieder vergessen? Mir ist’s schon hundertmal passiert.
«Hola Google», versuche ich es in einem kreativen Anflug von Spanisch.
Nichts. Googles Assistant erkennt nur «Ok Google» und «Hey Google» als Aktivierungscode. Manche Geräte beginnen per Tastendruck mit der Sprachanalyse. Andere hingegen hören ständig mit, um ihren Einsatz nicht zu verpassen. Ein Schlüsselwort wie «Ok Google», «Alexa» oder «Hey Siri» startet dann den Datentransfer zum Server.
Google Assistant kommuniziert online. Er gleicht meine Anfrage mit seiner enormen Datenbank ab. Durch Vergleich und Analyse tausender Sprachbefehle von mir und anderen Benutzern kann der Assistent dazulernen. So hat das System mittlerweile gelernt, mehr als bloss einzelne Schlüsselwörter oder gar vorgegebene Formulierungen zu verstehen. Das Beantworten ist übrigens ein Prozess, der viel Rechenkapazität erfordert. Daher funktioniert er nur in der Cloud des Anbieters. Ansonsten müsste jedes Smartphone, jeder Lautsprecher und jede Kaffeemaschine die Leistung eines Klimamodell errechnenden NASA-Computers haben.
Am Nachmittag steht ein Telefon-Interview an. Den Anruf möchte ich via Sprachsteuerung starten.
«Wen willst du anrufen», fragt mich die weibliche Stimme. An dieser Stelle müsste ich den Namen der anzurufenden Person sagen, wie sie in meinem Adressbuch gespeichert ist. Nur: Die Nummer habe ich natürlich nicht gespeichert.
«Ähm. Null, Sieben, Neun...», statt den Namen diktiere ich einfach die Nummer. Das funktioniert sogar.
Später versucht Dominik, mich zu erreichen. Gut. So kann ich testen, ob ich Anrufe via Sprachkommando entgegen nehmen kann. Resultat: Geht nicht. Keine Reaktion auf mein «Ok Google». Stattdessen bimmelt mein Phone einfach weiter, bis ich den Anruf via Swipe-Bewegung annehme.
Mit Dominik rede ich oft über Privatsphäre im Internet. Ein wichtiges Thema. Bei Google kannst du die automatische Google-Sprachsteuerung deaktivieren. Dann hört das Smartphone nicht mehr permanent zu. Das ist wichtig für dich, wenn dir Privatsphäre wichtig ist. Das bedeutet aber auch, dass Google Assistant keine Sprachbefehle mehr ausführen kann, wenn du «Ok Google» sagst. Nicht so schlimm. Denn du kannst die Google-App auch über einen langen Druck auf die Hometaste deines Smartphones aktivieren.
Mittlerweile findest du Sprachassistenten überall. Nicht nur in Smartphones. Dominik sagt, dass es bei sich zuhause das Licht via Sprachbefehlen ein- und ausschaltet. Mit Samsungs Bixby kannst du selbst Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Geschirrspüler oder Kaffeemaschinen steuern, wenn sie von derselben Marke abstammen.
Bei Google sind die Partner unter anderem Philips Hue und Gigaset. Im Prinzip sind in all diesen Geräten Mikrofone, die oft in kleinen, vernetzten Lautsprechern sitzen, verbaut. Smart Home wird das genannt. Aber weil mein Zuhause keine entsprechende Infrastruktur besitzt, kann ich das nicht wirklich testen. Abgesehen davon ist spät und ich habe Hunger.
«Hey Google. Ich will eine Pizza über eat.ch bestellen», sage ich.
«Wecker wurde gestellt», antwortet die Frauenstimme.
Das kam unerwartet.
Den Wecker stelle ich wieder ab. Kein Bedarf. Mein knurrender Magen könnte selbst die Schildkröte meiner Freundin aus ihrem Winterschlaf wecken.
«Öffne die App eat.ch», sage ich. Das geht, stelle ich fest. Eine Pizza später bin ich satt und der Meinung, dass ich mein Experiment beende.
«Ok Google» ist vor allem dann praktisch, wenn ich Routineaufgaben erledigen will. Musik abspielen. Wecker und Erinnerungen stellen. Nach dem Wetter fragen. Google Assistant versteht auch komplexere Fragestellungen und reagiert nicht nur auf einzelne Schlüsselbegriffe: Wenn ich Google nach dem heutigen Wetter frage, kann ich nach dessen Antwort nur «und morgen?» anfügen. Dann bekomme ich die Vorhersage für den nächsten Tag.
Leider stösst der Assistenz ziemlich schnell an ihre Grenzen, wenn es um komplexere Aufgaben geht. Jedenfalls hierzulande. Anders als beispielsweise in den vereinigten Staaten kann Google Assistant noch kein Kinoticket kaufen oder einen Tisch reservieren. Oder Pizza bestellen. Und ein intelligenter Sprachassistent à la «Google Duplex», das selbständig einen Termin beim Coiffeur vereinbart, ist noch sehr weit entfernte Zukunftsmusik.
Im Video oben siehst du, wie eine künstliche Intelligenz einen menschlichen Anrufer so realistisch imitiert, dass die Coiffeuse auf der anderen Seite der Leitung nicht merkt, dass sie gerade mit einem Computer telefoniert. Es wird immer verreckter.
Aber für wen ist der Sprachassistent eigentlich? Für Aufgaben, die ich ihm gerne stellen würde, ist er mir noch nicht intelligent genug. Und für Menschen mit Sehbehinderungen oder eingeschränkter Fingermotorik bietet Google viel, aber nicht genug. So kann ich per Kommando zwar einen Anruf starten, aber entgegenkommende Anrufe nicht annehmen. Ich kann den Wecker mit Sprachsteuerung stellen, aber nicht abstellen. Ich kann eine App mit «Ok Google» öffnen, aber nicht schliessen und selten bedienen. Und so weiter.
Irgendwie ist das Ganze nur so halb durchdacht. Das ist schade. Aber mit dem wachsenden Interesse an Smart Home wird die Sprachsteuerung auch auf dem Handy immer besser und beliebter werden, da lege ich mich fest.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»