Fusion Arena: Bringt Virtual Reality die Spielhallen zurück?

Im Zürcher Letzipark eröffnet das grösste VR-Center von Europa. Ein Ort, an dem du dich mit Freunden treffen und gemeinsam zocken kannst. Klingt fast wie eine Spielhalle. Läutet Virtual Reality das Revival ein?
Die jüngere Generation kennt sie vermutlich nur noch aus Filmen und Geschichten: Spielhallen. Muffige Schuppen, voll bunt leuchtender und laut dröhnender Spielautomaten. Gemeinsam mit Freunden konntest du dir dort stundenlang die Zeit vertreiben. Mal mit eigenem Geld, mal zum Zuschauen, wie andere den Highscores nachjagten. Mit dem Erfolg der Heimkonsolen verschwanden immer mehr Spielhallen, bis es schliesslich gar keine mehr gab. Solche gemeinsamen Game-Orte könnten vielleicht schon bald ein Comeback erleben: Dank VR.
Mit der Fusion-Arena im Letzipark mitten in Zürich eröffnet am 1. März das grösste VR-Spielhaus von Europa. Bis zu zehn Spieler werden auf rund 250 Quadratmetern miteinander in der virtuellen Realität zocken können. Das ist ein Rekord. Bisher lag das Maximum bei sechs. Der Kopf hinter diesem ambitionierten Projekt ist Ronny Tobler, der schon mal mit einem spektakulären Drohnenvideo von sich reden machte. Die Fusion Arena soll mindestens für so viel Wirbel sorgen. Ronny hofft, dass bald in jeder grösseren Stadt eine Fusion Arena steht – der Letzipark sei nur der Anfang.

Die Technik ist das Herzstück
«Stairs, ein etwas zwielichtiger Nachtclub», antwortet Ronny auf meine Frage, was denn vorher in diesem riesigen Raum gewesen sei. Davon ist definitiv nichts mehr zu spüren. Stattdessen erinnert der Spielbereich eher an ein Motion-Capturing-Studio, was gar nicht mal so falsch ist. Die dutzenden von Sensoren an der Decke könnten auch für CGI eingesetzt werden. In diesem Fall dienen die wie kleine Überwachungskameras anmutenden Optitrack-Sensoren dazu, die Bewegungen der Spieler zu erfassen. Die Fläche ist zwar nicht mehr zum Tanzen gedacht, aber steif rumgestanden wird auch nicht.
Jeder Spieler erhält einen portablen Rucksack-PC, eine Brille und vier Sensoren, die er sich an Händen und Schuhen befestigen kann. Jedes dieser Ausrüstungsgegenstände wird von den Optitrack-Sensoren erfasst, so dass eine präzise Positionierung des Spielers und seiner Gelenke möglich ist.
Als Grundgerüst für die VR-Brille dient unverkennbar die Oculus Rift. Diese ist allerdings nicht für solche Dimensionen konzipiert, weshalb sie modifiziert werden musste. Die gesamte Ausrüstung, PC, Display etc. stammt von der Schweizer Firma True VR Systems, die auch für das VR-Center in Dietlikon verantwortlich ist. «Nichts ist von der Stange, sondern wurde von unseren Partnern für uns entwickelt. Wir sind sozusagen ihr Proof of Concept», so Ronny.
Einen Grossteil der Ausrüstung hat der Unternehmer auch über die B2B-Abteilung von digitec bezogen. PC, Netzwerk, Soundanlage. Als wir einer Journalistin bei einem Spiel zusahen, bei dem sie von einem Hochhaus heraus auf einer Holzplanke balancieren musste (zur Echtheit liegt auch im Fusion Center ein Holzbrett am Boden) bestellte Ronny gleich noch zwei Vive-Tracker. Die werden an die Schuhe montiert, damit die Spieler nicht mehr auf unsichtbaren Füssen laufen müssen. «Damit wird das ganze noch viel realistischer.»
Von einem gescheiterten Startup zur eigenen Firma

Ronny kam die Idee für ein eigenes VR-Erlebniszentrum, als er für ein Genfer VR-Startup arbeitete, das eigentlich längst keines mehr war. «Die Firma gab's schon seit zehn Jahren und alles lief drunter und drüber. Nach einem Jahr hatte ich genug.» Was er jedoch mitnahm, war der Traum von einem eigenen VR-Center, erzählt Ronny. «Bisherige VR-Arenen sind dunkel, neonfarbig und setzen primär auf Shooter». Das sei auch der Grund, weshalb die Masse VR in erster Linie mit solchen Spielen assoziiert. «Ich will mich differenzieren. Hier ist es warm, verspielt und pastellfarben», erklärt Ronny. Auffällig ist auch der 20 Meter breite Samtvorhang, der bei meinem ersten Besuch gerade von einer Putzfrau dampfgereinigt wird. «Der hat mich ein Vermögen gekostet», meint er lachend. «Aber es lohnt sich. Damit kriegt man das Gefühl wie in einem Theater.»
VR-Center florieren
Das alles bezahlen Ronny, beziehungsweise die Firma Pandally, die dahinter steht, aus eigener Tasche. Die Fusion Arena soll ein Referenzprodukt sein. Er sieht Games in Bezug auf VR mehr als Mittel zum Zweck. Das Potential sei wesentlich grösser. «Business-Anwendungen, Filme, Reisen, was du willst. Wir Gamer sind die Vorreiter, die Beta-Tester. Und das äusserst erfolgreich.» Das kann Fabian Freund vom VR-Center in Dietlikon bestätigen. Er, der mit der Firma True VR Systems für die Technik verantwortlich ist, begleitet seit rund eineinhalb Jahren Spieler auf ihren virtuellen Abenteuern. Das VR-Center hinter der Ikea und dem Pathé-Kino ist meistens ausgebucht. Die Besucher sind in der Regel zwischen 25 und 35 Jahre alt, aber sonst bunt gemischt. «Anfangs waren es primär Gamer, die zu uns kamen, mittlerweile ist die Kundschaft querbeet ein und längst nicht so männerdominierend, wie man meinen könnte», so Fabian.
Hochgesteckte Ziele
Ein öffentlicher Ort, an dem du gemeinsam zocken kannst. Sowas existiert heute praktisch nicht mehr. Genau das will Ronny mit der Fusion Arena lösen. «Hier erlebst du zusammen etwas. Das ist etwas völlig anderes, als wenn du Zuhause alleine vor dem PC zockst.»

Nicht nur in der Schweiz, überall auf der Welt gibt es immer mehr VR-Center. Dabei gebe es gerade mal vier Player: The Void, Noitom, True VR Systems und Zero Latency. Letztere sind die Marktführer und bereits in neun Ländern vertreten. Günstigere und bessere Technik wird die Verbreitung weiter beschleunigen. «Wir sind erst am Anfang. Die Oculus Rift ist erst vor ein paar Jahren erschienen, das ist nichts», sagt Ronny. VR-Center bieten die ideale Voraussetzung, um Virtual Reality dem Mainstream-Publikum schmackhaft zu machen. Aktuell ist die Eintrittshürde nämlich noch relativ hoch. Über 2000 Franken für einen guten PC und dann brauchst du noch die Brille, Controller, genügend Platz etc. Das ist viel Geld, das gibt man nicht einfach so aus. Ausserdem können VR-Center durch zusätzliche Sensoren, Ausrüstung, 4D-Elemente mehr bieten, als das Standard-Setup Zuhause. Ronny und Fabian sind überzeugt, dass in ein paar Jahren VR-Center wie Kinos in jedem grösseren Ort zu finden sein werden.

Als kontraproduktiv empfinden Fabian und Ronny Einsteigergeräte wie Google Cardboard, Samsung VR und dergleichen. «Der Markt wird von diesen Billig-VR-Brillen verseucht. Da wird den Leuten nur schlecht und da für die meisten VR gleich VR ist, besteht hier Aufklärungsbedarf», findet Fabian. Übelkeit sei bei ihnen indes kein Problem. «Die Hauptursache für Übelkeit in VR ist die Dissonanz zwischen der physischen und der virtuellen Bewegung. Da du dich in unserem Spiel tatsächlich bewegst, wird dir auch nicht schlecht», versichert Ronny. Auch Fabian bestätigt, dass im VR-Center zwar viele mit diesen Bedenken kommen, aber erst einer einzigen Person wirklich schlecht geworden sei.
Die Fusion Arena besitzt unter anderem aus diesem Grund einen Lobby-Bereich, wo man alle gängigen Systeme wie HTC Vive und PS VR ausprobieren kann, um so ein Gefühl für die verschiedenen Systeme zu erhalten. Das dient gleichzeitig als eine Art Tutorial für das eigentliche Erlebnis: Das Fusion Gate Universum.
Die ersten Gehversuche im Fusion Gate Universum

Die Hauptspiele laufen unter dem Namen Fusion Gate Universum. Programmiert hat es True VR Systems. Die Idee und der Inhalt entsprang allerdings Ronnys Fantasie. «Ich habe hier mein eigenes Spieluniversum kreiert». Zwischen zwei und zehn Personen können gemeinsam die Abenteuer bestreiten. Aktuell gibt es zwei Missionen, die rund 30 Minuten dauern. Im Dreimonatsrhythmus sollen neue Missionen folgen. In «Biohazard» müsst ihr auf dem Planeten Merua eine Zombieinvasion eindämmen. Dabei kriegt ihr «richtige» Laserwaffen ausgehändigt. Allerdings waren bei unserem Besuch erst zwei von zehn Stück angekommen. Ronny hofft, dass die restliche Lieferung noch vor der Eröffnung auftaucht. Die zweite Mission dreht sich um ein geheimes Projekt der Vereinten Nationen und des Schweizer Militärs. In einem Bunker in den Alpen stösst ihr auf das Fusion Gate, durch das ihr auf einen fremden Planeten gelangt. Dort werdet ihr vor verschiedene Herausforderungen und Rätsel gestellt, die ihr gemeinsam lösen könnt. Es soll auch game-typische Klassen geben, wie den Medic, Engineer etc.

Ein paar Medienvertreter und ich konnten die Beta-Version der ersten Mission spielen – leider noch ohne 4D-Elemente wie Wind und Duft. Aber schon so machte das Abenteuer mächtig Laune. Das Spiel ist für Gamer relativ simpel und die Rätsel schnell gelöst. Aber dass du mit anderen Personen, die du siehst und anfassen kannst, gemeinsam eine Spielwelt erkunden und dabei miteinander kommunizieren kannst, ist wirklich einzigartig. Es fühlt sich einfach anders an, wenn du weisst, dass die Person neben dir wirklich dasteht. Am meisten Spass hatten wir allerdings an kleineren Kalibrierungsfehlern, die dafür sorgten, dass Hände in unmöglichen Winkel standen oder gewisse Personen wie Gorillas herumliefen. Das sorgte in meinem Grüppchen für die grössten Lacher.
Der Eintritt kostet CHF 49.90. Darin enthalten ist neben dem Hauptspiel auch der Lounge Access. Das heisst, du kannst dich idealerweise vor dem Hauptspiel in den verschiedenen anderen VR-Systemen austoben. Laut Ronny bietet die Fusion Arena locker Platz für bis zu 50 Personen. Mal meinen Chef fragen, ob wir den nächsten Teamevent hier abhalten können.
Die Zukunft wird spannend

Spielhallen sind etwas Faszinierendes. Ein Platz für Gleichgesinnte, um gemeinsam zu zocken und Spass zu haben. Konsolen und Online-Games haben sie fast gänzlich aus unserem Leben verdrängt. VR könnte der Katalysator für ihr Wiederaufleben sein. Aktuell ist Virtual Reality für die meisten Heimanwender noch zu teuer und zu aufwendig. Wieso also nicht ein VR-Center wie die Fusion Arena besuchen und dort mit Freunden oder Fremden gemeinsam zu zocken? Der Fortschritt der Technik wird das ganze Unterfangen nur noch beschleunigen und zugänglicher machen. Wenn dann noch die Preise sinken, kann ich mir gut vorstellen, dass wir uns an einem Samstagabend fragen: Gehen wir ins Kino oder in die VR-Arena?


Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.