Produkttest

Fitbit im Langzeittest: Welches Modell besteht den Dauertest?

Sechs Monate. Drei Tracker. Customer Service Representative Melanie Lee hat sich für einen Langzeittest drei Tracker der Marke Fitbit vorgenommen. Sie hat versucht, eine exakte Schrittzahl zu finden und ist erstaunt über ihren Schlaf.

«Ich frag mich, wie viele Schritte ich am Tag gehe», sagt mir Melanie Lee, Customer Service Representative in der Zürcher digitec-Filiale. Ihr Job ist es, deine Bestellung aus dem Lager zu holen und dir mit deinen neuen Computerteilen oder deinem Staubsauger oder deinem neuen wasweissich eine Freude zu machen. Die Deutsche mit dem tätowierten Arm schätzt, dass sie einige Kilometer zurücklegt.

«Gute Frage», sage ich, «finden wir’s raus».

Zwei Tage später schnallt sich Melanie einen schwarzen Fitbit Flex 2 um den Arm. Das war kurz vor Weihnachten 2016.

Das erste Setup geschieht noch am Schalter

Was noch keiner von uns geahnt hat, ist dass die Idee vom Schrittzählen zu einer Serie von Tests über ein halbes Jahr hinweg würde. Denn Melanie hat sich richtig in den Test reingekniet, hat sich Gedanken gemacht und das Gerät und seine Mechanismen hinterfragt. Den Grund lieferte sie an einer zufälligen Begegnung ab.

«Ich glaube, da stimmt was nicht», sagt sie.

Das Problem: Das Flex 2, das einzige total wasserdichte Gerät in ihrer Testserie, zählt an Tagen, an denen sie einen entspannten und nicht allzu langen Spaziergang macht gleich viel Schritte wie mitten im Weihnachtsstress im Shop, wo sie eigentlich nur ins Lager und wieder zurückflitzt.

«Ich schnalle mir das jetzt um den Fuss. Mal sehen, was dann passiert», kündigt sie an und macht sich ans Werk.

Der Start mit dem Fitbit Flex 2

Nach dem initialen Setup und der Sache mit dem Fuss wird es ruhig um Melanie. Klar, ich treffe sie dann und wann wieder im Shop, aber das Gespräch fällt selten auf das unauffällige Gerät an ihrem Arm oder ihrem Fuss.

«Die App macht Probleme», ist ihr erstes Fazit. Die Zahlen stimmen manchmal nicht, die Synchronisation funktioniert nicht immer und «Irgendwann sind mir aus nicht ganz erfindlichen Gründen vier Tage Daten verloren gegangen». Warum also fällt ihr das erst jetzt auf? Weil sie das Flex nur alle vier Tage für ein paar Stunden aufladen muss. Bei 24 Stunden Monitoring ist das eine höchst respektable Leistung.

Klein und unauffällig: Das Fitbit Flex 2

Eines aber beschäftigt die junge Frau: «Warum muss ich auf Schritt und Tritt meine Geolocation bekannt geben?» Denn die App weigert sich, auch nur irgendwelche Daten anzuzeigen, solange die GPS-Funktion des mit dem Flex verbundenen Smartphones ausgeschaltet ist. Sie fragt sich, ob es denn notwendig sei, ihren genauen Standpunkt bekannt zu geben, wenn das Gerät selbst via Gyrosensor Schritte zählen kann? Dieses Feature ist bei allen Fitbits nach wie vor Zwang. Ohne GPS keine Datenanalyse.

Der Verbrecherlook mit dem Charge 2

Nach dem Flex hat sich Melanie im Frühjahr das Charge 2 in der Farbvariante Gunmetal – also schwarzgrau – ums Handgelenk geschnallt. Schon schnell kam ihr die Erkenntnis: «Das Teil taugt viel mehr als das Flex». Die Gründe sind zahlreich.

  • Das Charge hat ein Display, zeigt Akku und Uhrzeit an
  • Dank dem Display sind auch andere Features wie eine Stoppuhr verbaut
  • Das Charge misst den Puls
  • Das Design gefällt ihr wesentlich besser
  • Der Akku hält mehr als eine Woche durch

Doch nur mit den technologischen Features alleine ist Melanie nicht zufrieden. Sie bemerkt, wie sich ihr Leben verändert. Vor allem bei einem Thema macht sie sich nachhaltige Gedanken: dem Schlaf.

Fitbits messen nicht nur die Schrittanzahl, sondern auch die Schlafphasen. «Anfangs dachte ich mir, dass das nur eine Spielerei sei, aber es hat einen deutlichen Effekt», sagt Melanie. Schon beim Flex sei ihr aufgefallen, dass sie tendenziell eher früher ins Bett gehe, nur um am Morgen darauf die virtuelle Medaille der Genugschläfer zu erhalten. «Ich bin eigentlich eine Nachteule. Ich gehe sehr selten vor Mitternacht ins Bett», gibt Melanie zu. Doch mit dem Tracker hat sie sich Mühe gegeben, mehr zu schlafen. Denn wie auch bei den Schritten, für die Nutzer ein Achievement erhalten, wenn sie ein gewisses Soll an Schritten pro Tag erhalten, werden auch Schläfer belohnt, wenn sie genug schlafen.

«Ich finde es total spannend, dass ich auf einmal etwas habe, das mich beim Schlaf beobachtet und kein Stalker ist», sagt sie übertrieben ernsthaft. Das Fitbit misst, wie viel sie sich in der Nacht bewegt, wie tief sie schläft und wie oft sie aufwacht und wie lange es dauert, bis sie wieder einschläft. Unruhige Nächte mit Schlaf bis zum Mittag geschehen in der Regel am Wochenende. Unter der Woche kann recht genau abgelesen werden, wann Melanie zur Arbeit geht und wann nicht.

Melanie untersucht, ob sich die Schrittzahl mit Tracker am Fuss verändert

Apropos Schritte: Wieder wandert das Gerät vom Handgelenk an die Ferse. Der Test zeigt das selbe Resultat wie schon mit dem Flex. Am Fuss ist die Schrittzahl massiv höher als am Handgelenk. Bei der Schilderung des Tests mit dem Fussgelenk muss Melanie lachen: «Mit dem Ding am Fuss seh ich fast so aus, als ob ich eine dieser Hausarrest-Fussfesseln trage.»

Am Puls der Technologie mit dem Alta HR

Die erste Testserie dauert schon fünf Monate an, als Melanie das dritte Gerät in Empfang nimmt. Längst sind die Tracker zum Alltag der 26-Jährigen geworden. Sie berät Kunden beim Kauf der Fitbits und spricht aus Erfahrung und mit vielen Anekdoten. Ihr Entscheid ist gefällt: Sie will weiterhin Geräte testen.

Gut, doch zuerst ihre Meinung zum Alta HR, dem jüngsten Gerät an ihrem Hand- und Fussgelenk. «Das Ding ist eine gute Mischung aus dem Charge und dem Flex», sagt sie. Sie mag zwar die Features und die zusätzlichen Funktionen des Geräts, doch mit einem ist sie gar nicht zufrieden: «Ich versteh echt nicht, warum der Verschluss so dermassen umständlich sein muss.»

Sie versucht, das Alta HR schnell an ihr Handgelenk zu schnallen. Ohne Erfolg. «Mann! Hätten die den Verschluss des Flex übernommen, dann wäre das Teil perfekt!» Das andere, das sie stört: Das Alta HR ist nicht wasserdicht. Spritzwasser- und schweissfest, ja, aber unter die Dusche hat sie sich mit dem Teil nicht getraut. Also vor jeder Dusche muss sie den Tracker ausziehen und dann wieder anlegen. Das sei zwar leicht mühsam, aber eine reine Gewohnheitsfrage. Das Alta HR ist zwar wasserresistent, was aber nicht bedeutet, dass es absolut wasserdicht sei. Auch wenn es eine Dusche aushalten sollte: Melanie will es nicht riskieren, das Fitbit zu beschädigen.

Tattoos und Tracker auf Melanies Arm

Nur gute Worte findet sie aber für die Community der Fitbit-User. «Egal welches Problem oder welche Frage ich zu einem der drei Tracker hatte, die Community half mir schnell und freundlich.»

Wieder kommt ein Gamification-Aspekt mehr ins Leben der Frau. Diesmal ist es der Herzfrequenzmesser des Alta HR, der zu virtuellen Belohnungen führt. Doch die Spielerei kann auch im Ernstfall helfen. «Ich bin keine Expertin oder Medizinerin», sagt sie, «doch ich kann mir gut vorstellen, dass das Gerät bei der Früherkennung von Panikattacken helfen könnte».

Wie weit geht Melanie?

Die Auswertung der Daten von Melanies Trackern zeigt: Die Arbeit in einem der digitec-Shops lohnt sich für Ausdauersportler. Ein Beispiel: Zwischen dem 20. Februar und dem 26. Februar hat Melanie laut Auswertung 124 170 Schritte zurückgelegt. Das sind 17 739 Schritte pro Tag im Durchschnitt. Das entspricht einer Distanz von total 83.11 Kilometer oder 11.8 Kilometern pro Tag. Am Rekordtag in dieser Zeitperiode hat sie 24 493 Schritte gemacht und ist damit 16.42 Kilometer weit gekommen.

Doch die Frage nach der akkuraten Messung beschäftigt sie. Daher hat sie sich all die Teile nicht nur um das Handgelenk sondern auch ums Fussgelenk geschnallt. «Das Anziehen war manchmal elegant, oft aber nicht», sagt Melanie und lacht laut. Auch der Look gehe von «etwas dickeres Fusskettchen» bis zu «Fussfessel für Sträflinge», wenn man Melanies Modeempfinden glauben kann. Nach einem kurzen Exkurs über den Look von Fussfesseln, komplett mit wilder Gestikulation um ein Fussgelenk, bringt die Weitgeherin uns zurück zum Thema.

«Ja, es macht einen Unterschied, ob ich den Tracker am Arm oder am Fuss trage», sagt sie. Denn am Arm zählen Fitbits weniger Schritte, als sie das am Fuss tun. Und das persistent über Modelle und App-Updates hinweg. Hier kommt einer der grossen Vorteile von Langzeittests zum Tragen: Melanie hat sich Zeit nehmen können. Sie hat Dinge ausprobieren können, Thesen aufgestellt, getestet und verworfen.

Ihre Erklärung: «Wenn ich ein Produkt von hinten an den Schalter trage, dann sind meine Hände stabil, weil ich ja etwas trage». Das sei wie in der Gastronomie. Ein Kellner oder eine Kellnerin hielten das Tablett auch immer stabil, damit nichts verschüttet. Wenn jetzt die Bewegung der Arme zu klein ist, dann zählt der Schrittzähler nicht mit.

Nach drei Fitbits ist aber Schluss. Nicht mit den Trackern, sondern mit Fitbits: «Ich habe die Geräte vorerst gesehen», sagt Melanie. Aber ihre Neugier ist nach wie vor da. Sie will weiter testen, mehr über sich lernen, auch wenn sie grade nicht hinschaut oder zu beschäftigt ist. Natürlich will sie auch Bescheid wissen, damit sie dir mit Rat und Tat bei der Trackerwahl zur Seite stehen kann. Die einzige Bedingung für Folgetests: Vorerst keine Fitbits mehr, weil andere Hersteller haben ebenfalls Tracker auf dem Markt. Diese Geräte will sie sich auch ansehen, denn angefressen ist sie definitiv. Wenn du also Melanie im Shop siehst, dann lohnt sich der Blick auf ihr Hand- oder Fussgelenk, denn wenn jemand über Tracker Bescheid weiss, dann sie.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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