
Ratgeber
Livemusik in Stereo aufzeichnen: Warum ich einen Field Recorder verwende
von David Lee
Etwas selber zu bauen ist erfüllend. Dabei zu scheitern, geht gegen mein Ego. Inspiriert durch Youtube-Videos, baue ich mir ein binaurales Mikrofon. Eine Geschichte über falsche Kabel, ein Leim-Debakel und grosse Hilfsbereitschaft.
Auf Youtube drifte ich völlig ab. Binaurale Aufnahmen von Landschaften, Stadtgeräuschen oder Meeresrauschen verzaubern mich über die Kopfhörer. Es klingt so echt und räumlich. Dafür ist ein binaurales Mikrofon notwendig. Die sind aber teuer. Ich will eines bauen und schauen, was dabei rauskommt. Ein Video von Nomadic Ambience beeindruckt mich ganz besonders:
Eine binaurale Tonaufnahme ist eine Tonaufnahme von Schallsignalen mit Mikrofonen, die bei der Wiedergabe nur über Kopfhörer einen natürlichen Höreindruck mit genauer Richtungslokalisation erzeugen sollen. Bei der Aufnahme in Kunstkopfstereofonie wird häufig ein Kunstkopf verwendet. (Wikipedia)
Totalkosten ohne Fehlkäufe: Etwa 130 Franken. Zum Vergleich: Das professionelle binaurale Mikrofon Neumann KU100 kostet 8333 Franken.
Nach dem Auspacken der Produkte stecke ich einmal alles zusammen. Die Lavalier-Mikrofone funktionieren. Der Audio-Splitter aber nicht. Er legt das rechte und linke Signal auf eine Tonspur zusammen. Bei der Wiedergabe höre ich beide Signale auf beiden Kopfhörern. Mit Simon Balissat durchsuche ich digitec.ch nach einem passenden Splitter. Fehlanzeige. Wir wagen eine zweite Bestellung bei einem deutschen Anbieter. Der Splitter trifft zwei Wochen später ein, funktioniert aber auch nicht. Die Signale werden auch bei diesem Stecker zusammengelegt und nicht separat wiedergegeben. Was für ein Kabelsalat.
Audio-Experte Manuel von Rocket Science schaut sich mein Problem mit dem Splitter genauer an. Er legt sich ins Zeug und bastelt am dreiadrigen Kabel rum. Nach diversen Tests stellen wir die Bastelstunde aber wieder ein. Man müsste die Pins des Mikrofons sowie jene der Kamerabuchse komplett durchmessen. Aus den Messungen könnte er für mich einen passenden Splitter basteln. Ich halte mir das als letzte Option offen und gehe wieder zurück ins Büro mit der Hoffnung, doch noch einen passenden Splitter zu finden.
Bereits ein wenig genervt, schreibe ich Redaktor Dominik Bärlocher. Dieser recherchiert in den Tiefen des Internets auch noch nach einem passenden Splitter. Auf einer amerikanischen Webseite wird er fündig. Die Beschreibung des Adapters klingt dieses Mal ziemlich vielversprechend. Doch die Skeptik bleibt. Das Ding trifft ein und zu meiner grossen Freude funktioniert das binaurale Mikrofon. Die Audioaufnahmen vom linken Mikrofon werden nur auf der linken Ohrmuschel wiedergegeben. Nun geht es ans Zusammenbauen.
Beim ABS-Gehäuse bohre ich seitlich je ein Loch und auf der Unterseite zwei weitere Löcher. Bei den seitlichen Löchern wird später das Lavalier-Mikrofon durchs Silikonohr nach aussen gelangen. Das mittlere Loch ist für einen Aufsteckfuss reserviert. Nun stecke ich die Lavalier Mikrofone im Gehäuse an den Splitter und ziehe das Endstück durch das letzte Loch an der Unterseite nach aussen. Um die Silikonohren am ABS-Gehäuse anzubringen suche ich einen passenden Leim. Das ist nicht einmal so einfach. Nach mehreren Fehlversuchen lass ich mich in der Modellbauabteilung von Schaufelbergers Warenhaus beraten. Die Lösung für mein Problem liegt beim Material. Sie empfehlen mir Silikonkleber. Hört sich logisch an und funktioniert auch. Die Ohren halten. Das Gehäuse verschliesse ich mit den vier beiliegenden Schrauben und fertig ist das binaurale Mikrofon.
Beim Projekt bin ich als Einsteiger über diverse Hindernisse gestolpert. Aber schlussendlich funktioniert das binaurale Mikrofon. Die Studioaufnahmen von Natalie, Simon und David gefallen mir sehr gut. Dort nehme ich auch den räumlichen Klang sehr gut wahr. Das Mikrofon kann zudem als ASMR-Aufnahmegerät benutzt werden.
In der Natur hatte ich ein wenig mehr Schwierigkeiten. Geräusche, welche weiter weg sind, werden vom Mikrofon nicht optimal aufgenommen. Was findest du?
Ein normaler Sommerregen aufgenommen in Vogesen Frankreich.
Ein paar Stadtgeräusche aus Bern. Hier habe ich die Fujifilm X-T4 auf ein Stativ gestellt.
Erste Gehversuche im Wald mit der Fujifilm X-T4 und dem binauralen Mikrofon. Leider hört man hier noch leise die Autobahn im Hintergrund. Die Video- Audioqualität von Nomadic Ambience habe ich nicht erreicht. Für einen ersten Versuch bin ich dennoch ziemlich zufrieden.
Als Fotograf, Mensch und Papa erzähle ich Geschichten so nahe am Leben wie möglich. Mit all ihren Ecken, Emotionen und Einzigartigkeiten.