Produkttest

Der PC-Monitor fürs Wohnzimmer?

Kevin Hofer
22.2.2019

Grössere Monitore sind besser. Oder doch nicht? Greifst du ab einer bestimmten Grösse nicht besser zu einem Fernseher? HP und Co. finden nicht und pushen 2019 die BFGDs – Big Format Gaming Display. Mit dem Omen X Emperium 65 macht HP den Anfang.

Da steht er nun, der HP Omen X Emperium 65. Und ich dachte 49 Zoll sind gross. 65 Zoll sind riesig. Fürs Pult ist der HP Omen X Emperium 65 definitiv nicht gedacht. Da sitzt du viel zu nahe. HP meint zwar: «Immersion geht nicht viel intensiver und besser als mit diesem Display.» Mal schauen, ob mich der HP-Monitor tatsächlich reinzieht oder eher abstösst.

  • 65-Zoll-MVA-Display mit 3840 × 2160 und einer Bildwiederholfrequenz von 144 Hz
  • Kontrastverhältnis: 4000:1
  • Reaktionszeit (grau zu grau): 14 ms (bis zu 4 ms übersteuerbar)
  • Helligkeit: 750 cd/m²
  • nVidia G-Sync
  • Vesa DisplayHDR 1000
HP Omen X Emperium 65 (3840 x 2160 Pixel, 64.50")
Monitor

HP Omen X Emperium 65

3840 x 2160 Pixel, 64.50"

Gross, grösser, Omen X Emperium

Beim Auspacken werde ich mir den Dimensionen erst richtig bewusst. Eigentlich sollten zwei Personen mit anfassen. Ich bin aber leider alleine in unserem Studio, sonst hat das Teil nirgends Platz. Mir gelingt es, das Panel auf das Styropor (eigentlich Polystyrol 🤓) zu legen und die massiven Standfüsse anzuschrauben. Eigentlich würde zwischen diese noch eine Soundbar kommen, wenn du dich für die teurere Variante entscheidest. Die kostet 500 Franken mehr. Ich habe von HP aber die Varianten ohne Soundbar zum Test erhalten. Über integrierte Speaker verfügt der Omen allerdings nicht, das heisst, du bist gezwungen, selber für den Sound zu sorgen.

Mein 15-Zoll-Arbeitsnotebook im Vergleich zum Omen X Emperium.
Mein 15-Zoll-Arbeitsnotebook im Vergleich zum Omen X Emperium.

Obwohl der Emperium keinen TV-Tuner besitzt, kannst du dank integriertem Nvidia Shield auf diverse Apps zugreifen und dir deshalb auch Filme und Serien ohne PC anschauen. HP liefert dir die passende Fernbedienung gleich mit.

Wie soll ich das 32.4 Kilogramm schwere Stück mit einer Bildschirmdiagonalen von 164 Zentimetern aufs Pult hieven? Jetzt brauche ich definitiv Hilfe. Kollege Raphael Knecht und ich stellen den Omen X Emperium aufs Pult, auf welchem die Kollegen Philipp Rüegg und Simon Balissat ihre «digitec plays» streamen. Gross ist übrigens nicht nur der Monitor, sondern auch der Preis. Mit 4499 Franken (Stand 22.02.2019) ist der Emperium alles andere als günstig.

Wenn ich mich vor das Ding setze, stelle ich fest: Als PC-Monitor taugt es nichts. 80 Zentimeter Abstand sind für die Grösse des Omen X Emperium viel zu wenig. Da bekomme ich «Äckegstabi» – «Halschehri» für die, die kein Berndeutsch sprechen. Im Studio habe ich immerhin die Möglichkeit, den Monitor auf einen anderen Tisch zu stellen, damit mein Sitzabstand auf etwa zwei Meter anwächst. Damit kann ich leben und verbinde ihn mit einem Displayport Kabel und unserem Gaming-PC.

Bei der Konnektivität bietet der Omen X Emperium folgende Anschlüsse:

2 × USB 3.0 Downstream-Port
1 × S/PDIF
3 × HDMI 2.0 HDMI Type A Version 2.0
1 × HDMI ARC
1 × DisplayPort Version 1.4
1 × RJ45/LAN Port

Nicht mal so hässlich für ein Gamer-Display

Vom Design her bin ich positiv überrascht. Zumindest von vorne. Hier wirkt der Omen wie ein normaler Fernseher. Der Rahmen ist oben und seitlich nur 4 und unten etwa 13 Millimeter breit. Dafür ist das Gerät mit beinahe 10 Zentimeter relativ tief. Es erinnert etwas an die ersten LCD-Fernseher. Die Standfüsse sind wertig aus Metall und trotz ihrer verspielten Form nicht zu aufdringlich. Mir gefällt der Monitor, und auch ich als bekennender Gegner von Gamer-Design würde ihn ins Wohnzimmer stellen.

Gamer-Standfuss mit dem ich mich anfreunden kann.
Gamer-Standfuss mit dem ich mich anfreunden kann.

Von hinten wird die Gamer-Herkunft deutlicher. Mittig prangt das rote Omen-Logo, diverse Streifen sollen das Teil schnittiger machen. Selbstverständlich darf auch die frei konfigurierbare, obligate RGB-Leiste nicht fehlen. Immerhin versteckt sich der Gamer-Kitsch auf der Rückseite und ist auch sonst relativ dezent.

Game Test: «Far Cry 5»

Ich stelle den Emperium an und vernehme gleich ein leises Rauschen. Hier werkelt wohl eine integrierte Kühlung. Die ist aber so leise, dass es mich nicht weiter stört. An dieser Stelle ein paar Worte zur Hitzeentwicklung: Der Omen X Emperium wird warm, aber nicht wärmer als andere Monitore. Und bei 65 Zoll sitzt du ja auch etwas weiter weg, somit spürst du das sowieso nicht.

Wieso schon wieder «Far Cry 5»? Ganz einfach: Es ist der einzige Titel in meiner Spielebibliothek mit HDR-Support. Und da der Omen HDR unterstützt, lasse ich es mir nicht entgehen, die Landschaften Montanas in ihrer vollen Pracht zu bestaunen. Das Bild ist tatsächlich sehr kontrastreich. Der Unterschied zwischen HDR und ohne HDR ist enorm.

Der Monitor ist verhältnismässig tief.
Der Monitor ist verhältnismässig tief.

Ghosting und Screen Tearing konnte ich während meinem Test nicht feststellen. Nvidia G-Sync leistet hier ganze Arbeit. Schlieren sind bereits bei 14 ms Reaktionszeit kaum wahrzunehmen. Da der Omen X Emperium übersteuerbar ist, stelle ich ihn noch auf den Maximalwert von 4 ms. Hier konnte ich gar keine Schlieren feststellen. Möglich, dass Pro-Gamer immer noch Unterschiede feststellen, ich war mit dem Ergebnis mehr als zufrieden.

Und ja, ich muss HP zum Teil recht geben: Mit meinen zwei Metern Sitzabstand fühle ich mich tatsächlich etwas mehr ins Spiel reingezogen. Das mag aber auch an dem fantastischen Bild liegen.

Übersichtliches, aber nicht umfangreiches Menü

Das OSD steuerst du über einen Joystick rechts hinten. Dieser fungiert gleichzeitig als Knopf zum Bestätigen. Daneben findet sich nur noch die Powertaste. Das OSD beschränkt sich auf das Wesentliche. Du kannst verschiedene Bild-Modi wählen, den Bildschirm übersteuern oder die Helligkeit verändern. Die Steuerung mit dem Joystick funktioniert sehr gut. Da habe ich mit anderen Displays schlechtere Erfahrungen gemacht.

Nur zwei Knöpfe zur Bedienung des OSD.
Nur zwei Knöpfe zur Bedienung des OSD.

Schönes MVA-Display

Das MVA-Display verfügt über 384 Full-Array-Backlight-Zonen. Dank diesen liefert der Monitor einen sehr guten Schwarzwert, der mit QLED-Fernsehern vergleichbar ist. MVA-Displays sind nicht gerade für ihre Gamingtauglichkeit bekannt. Das liegt daran, dass frühere Displays mit dieser Technologie relativ lange Reaktionszeiten hatten und darum zu Schlierenbildung neigten. Das hat sich mittlerweile aber geändert, wie mein «Far Cry 5»-Test gezeigt hat. Dank der Übersteuerung lässt sich die Standardreaktionszeit von 14 ms g-2-g auf bis zu 4 ms runterdrücken. Das sollte auch für kompetitive Spieler reichen.

Im Gegensatz zu TN- und IPS-Panels sind MVA-Displays blickwinkelstabiler und bieten bessere Kontrastwerte. Mit dem i1-Display-Pro-Colorimeter von X-Rite habe ich einen statischen Kontrast von 3630:1 gemessen. Damit ist er etwas unter den 4000:1, die HP selbst angibt. Der dynamische Kontrast liegt gar bei 10 888:1. Die maximale Helligkeit beträgt 675 Nits. Diesen Wert habe ich in der Mitte des Bildschirms gemessen. Den niedrigsten Wert von 635 Nits habe ich mittig links registriert. Gegen aussen fällt die Helligkeit also etwas ab. Beim Gamen und der sonstigen Verwendung des Monitors fiel mir dieser Unterschied bei den hohen Helligkeitswerten aber nicht auf. Auch mit diesem Wert liegt der Emperium unter den 750 Nits, die HP selbst angibt.

Zuletzt habe ich noch die Farbraumabeckung gemessen. Hier liefert der Omen 65 Emperium mit 98.1 Prozent sRGB, 69 Prozent Adobe RGB und 71.4 Prozent DCI P3 durchschnittliche Werte für einen PC-Monitor. Gemäss Hersteller sollte das Display aber 95 Prozent DCI P3 erreichen.

Der RGB-Kitsch hält sich glücklicherweise in Grenzen.
Der RGB-Kitsch hält sich glücklicherweise in Grenzen.

Game Test: «CS: GO»

Jetzt versuche ich es noch mit einem etwas älteren Titel, bei dem unsere Gamer-Kiste im Studio mehr FPS als bei «Far Cry 5» rausholt. So kann ich auch von den 144 Hz des Monitors profitieren. Bei «CS:GO» zeigt der FPS-Counter ständig über 200 an. Auch hier: Keine Spuren von Ghosting, Screen Tearing oder Schlieren. Ob ich mit den 144 Hz besser Spiele oder nicht, weiss ich nicht. Da ich aber ein ganz schlechter Shooter-Spieler bin, denke ich, dass es in meinem Fall keinen Unterschied macht. Das Bild sieht aber definitiv besser aus, als dass ich es mir gewohnt bin. Die 144 Hz helfen hier sicher.

Für wen soll das Teil sein?

An der Qualität des HP Omen X Emperium gibt’s nichts zu meckern. Das Bild sieht fantastisch aus und eignet sich dank Übersteuerbarkeit auch für schnelle Shooter. Einziger Kritikpunkt sind die tieferen gemessenen Werte wie Helligkeit oder Farbraumabdeckung im Vergleich zu den von HP angegebenen.

Auf dein Pult stellst du dir den Emperium bestimmt nicht. Da sitzt du viel zu nahe vor dem grossen Ding und «Äckegstabi»ist programmiert. Also benötigst du entweder ein separates Game-Zimmer, in dem du den Emperium weiter von dir entfernt aufstellen oder an der Wand anmachen kannst. Oder du stellst oder hängst ihn dir ins Wohnzimmer.

Es muss schon ein grösserer Sitzabstand als zu einem herkömmlichen Monitor sein.
Es muss schon ein grösserer Sitzabstand als zu einem herkömmlichen Monitor sein.

Aber brauchst du im Wohnzimmer tatsächlich einen Omen X Emperium, wenn du von der Couch aus zockst? Reicht dir da nicht auch ein herkömmlicher Fernseher? Der ist erst noch günstiger. Okay, immerhin kannst du den Omen mit DisplayPort verbinden, erst dadurch sind die 144 Hz möglich und auch an die Reaktionszeit des Emperiums kommt kein Fernseher ran. Aber HPs Behauptung «Immersion geht nicht viel intensiver und besser als mit diesem Display» ist mit einem Sitzabstand von mehreren Metern im Wohnzimmer hinfällig. Ich fühle mich bei meinem ähnlich grossen Fernseher nicht mehr ins Geschehen reingezogen als vor meinem deutlich kleineren PC-Monitor.

Aber wenn du gerne auf der Couch, mit einem Lapboard zockst, ist der Omen X Emperium sicher eine tolle Möglichkeit, deiner Leidenschaft in bester Qualität zu frönen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass Leute mit Racing Plattformen oder Landwirtschaftssimulatoren-Fans mit dem Emperium glücklich werden. Alle anderen Gamer sind mit einem kleineren Monitor fürs Pult oder einem Ultrawide Display besser bedient. Der Emperium ist definitiv kein Vernunftskauf – auch wenn er qualitativ toll ist.

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Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


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