Kritik

«Crime Boss: Rockay City» im Test: Stumpfsinnige Baller-Action mit Chuck Norris, Danny Trejo und Vanilla Ice

«Crime Boss: Rockay City» ist ein spektakuläres Desaster. Das Spiel ist eine Liebeserklärung an trashige Actionfilme aus den Neunzigern. Leider scheitert die Umsetzung am langweiligen Gameplay und den repetitiven Missionen. Da hilft selbst Chuck Norris nicht mehr.

«Crime Boss: Rockay City» wurde das erste Mal an den Game Awards 2022 vorgestellt. Der Trailer hat mich sofort gepackt. Ich sehe ganz viel Action, Drogen und Explosionen. Geil. Das Setting gefällt mir auch. «Crime Boss: Rockay City» spielt in einer fiktiven Stadt im Florida der 90er-Jahre. Der Trailer ist voll mit Neonfarben und cooler 90er-Ästhetik. Begleitet wird das Geschehen von den Stereo MC's und ihrem Hit aus dem Jahr 1992, «Connected». Abgerundet wird der Trailer durch einen sensationellen Cast mit Hollywood-Action-Stars aus den Neunzigern – und Vanilla Ice.

Ich habe das Spiel rund sechs Stunden lang gespielt. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass das ganze Budget des Entwicklerstudios für die Honorare der (Ex-)Stars draufgegangen ist. Und die haben sich bei ihrer Performance nicht mal Mühe gegeben.

Miese Performance eines spektakulären (Ex-)Star-Ensembles

In «Crime Boss: Rockay City» übernimmst du die Rolle von Travis Baker, einem aufstrebenden Drogendealer. Dein Ziel ist es, die Kontrolle über die ganze Stadt zu erlangen. Du willst nicht nur den Drogenhandel, sondern jegliche andere illegale Aktivitäten in Rockay City kontrollieren. Kurzum: Du willst der «Crime Boss» werden.

Die Welt des Games ist voll zwielichtiger Gestalten und brutaler Ganglords. Diese werden von einem All-Star-Cast aus primär Neunzigerjahren-Actionhelden verkörpert.

  • Chuck Norris – bekannt für «Walker, Texas Ranger» und Memes
  • Vanilla Ice – weisser Rapper aus den 90ern, bekannt für «Ice Ice Baby»
  • Danny Trejo – bekannt für «Machete», «From Dusk Till Dawn»
  • Michael Rooker – bekannt für «The Walking Dead», «Guardians of the Galaxy»
  • Kim Basinger – bekannt für «LA Confidential», «Final Call»
  • Michael Madsen – bekannt für «Reservoir Dogs», «Kill Bill»
  • Danny Glover – bekannt für «Lethal Weapon»
  • Damion Poitier – bekannt als Stuntman und Games wie «Payday 2»

Als 90er-Kind ist meine Vorfreude entsprechend gross. Doch schon nach wenigen Minuten Spielzeit macht sich grosse Enttäuschung breit.

Im Verlaufe des Spiels werde ich immer wieder mit qualitativ fragwürdigen Zwischensequenzen bombardiert, in denen Chuck Norris und seine Action-Freunde über wirres Zeug reden. Ich verstehe nicht, was passiert. Storytelling? Fehlanzeige. Es wirkt, als hätte jemand in der Videobibliothek des Games auf «Shuffle» gedrückt.

Die schauspielerische Leistung der Action-Stars enttäuscht ebenfalls. Positiv fällt lediglich Damion Poitier auf, der seine Rolle als Berater des Drogenhändlers Travis Baker überzeugend spielt.

Schockierend ist das Schauspiel von Chuck Norris. Er verkörpert den Sheriff von Rockay City. Seine Dialoge hören sich so an, als hätte er sie im Halbschlaf bei sich zu Hause im Bett eingelesen. Oder eine schlechte AI hat den Job übernommen. Anders kann ich mir die miserable Leistung nicht erklären.

Das Lowlight des Star-Ensembles ist der schläfrige Chuck Norris. Gebt dem Mann einen Kaffee.
Das Lowlight des Star-Ensembles ist der schläfrige Chuck Norris. Gebt dem Mann einen Kaffee.
Quelle: 505 Games

Die Scripts passen zum unterirdischen Niveau der Schauspieler. Der Ganglord Hielo, gespielt von Vanilla Ice, benutzt gefühlt in jedem Satz «Bitch». Immer wieder werde ich mit Perlen wie «It's crime time, motherfucker!» konfrontiert. Und nach erfolgreich abgeschlossenen Missionen ballern mich meine Teammitglieder mit solchen Weisheiten zu: «Who is the bruisers? We is! Who is the losers? They is». Ich. Halte. Das. Nicht. Aus.

Ich mag Trash. Aber dieser Trash ist selbst mir zu trashig. Es gibt keine Meta-Ebene, keinen doppelten Boden. Was ich da zu sehen und zu hören bekomme, ist einfach nur schlecht. Und der Rest des Spiels ist auch nicht besser, Motherfucker.

Rogue-Like Singleplayer-Kampagne

Eines der wenigen Highlights von «Crime Boss: Rockay City» ist die Rogue-Like-Struktur im Singleplayer-Modus. Damit Travis Baker zum «Crime Boss» aufsteigen kann, muss er möglichst viele Gebiete der Stadt einnehmen und kontrollieren. Stirbt Baker bei einem Einsatz, ist die Kampagne beendet und du beginnst von vorne. Durch Levelaufstiege nimmst du Perks und Waffen in den neuen Run mit. Leider kann das stumpfsinnige Baller-Gameplay nicht mit dieser interessanten Idee mithalten.

Auf der Übersichtskarte wählst du zwischen verschiedenen Levels und Missionen. Bei jedem Run werden Missionen und Handlungsstränge zufällig generiert.

Dein Ziel: Die ganze Map soll Travis Baker gehören.
Dein Ziel: Die ganze Map soll Travis Baker gehören.
Quelle: Domagoj Belancic

Da gibt es zum einen Revierkämpfe. Das sind stumpfe Ballermissionen, in denen du Gebiete von feindlichen Gangs eroberst oder deine eigenen Gebiete verteidigst.

Viel spannender sind die Überfälle und Raubzüge. Du kannst Banken, Einkaufszentren und sogar feindliche Gangs ausrauben. So machst du ordentlich Kohle. Das Geld brauchst du, um neue Waffen zu besorgen und Gangmitglieder zu rekrutieren. Dein Budget solltest du immer im Auge behalten, um bei unerwarteten Angriffen feindlicher Gangs die Oberhand zu behalten.

Bei Überfallen gilt es, die Beute möglichst schnell zu sammeln und dann mit dem Fluchtauto zu verschwinden.
Bei Überfallen gilt es, die Beute möglichst schnell zu sammeln und dann mit dem Fluchtauto zu verschwinden.
Quelle: 505 Games

Bei Überfällen musst du immer zwischen maximalem Profit und der Sicherheit deines Teams abwägen. Lohnt es sich, noch einen zweiten Tresor zu knacken? Oder rennst du mit den bereits eingepackten Goldbarren in Richtung Fluchtauto, bevor du von der Polizei überwältigt wirst? Ich bin jedes Mal hin- und hergerissen.

Während solchen Dilemmas macht «Crime Boss: Rockay City» am meisten Spass. Umso ärgerlicher ist es, dass zu viel Repetition und frustrierendes Missionsdesign diese spannenden Gameplay-Momente kaputtmachen.

Bei Überfällen mit Geldtransportern musst du in einem Minispiel eine elektrische Säge bedienen, um Türen zu knacken. Das Abwägen zwischen Risiko und Ertrag macht Spass.
Bei Überfällen mit Geldtransportern musst du in einem Minispiel eine elektrische Säge bedienen, um Türen zu knacken. Das Abwägen zwischen Risiko und Ertrag macht Spass.
Quelle: Domagoj Belancic

Totale Eskalation

Theoretisch kannst du jeden Überfall akribisch planen und die passenden Mitglieder für die jeweilige Mission rekrutieren. Je weniger Chaos und Schaden du anrichtest, desto besser. In der Praxis ist die Vorbereitung wertlos, weil jede Mission sowieso in einem chaotischen Schusswechsel endet.

Der Stealth-Modus ist halbbatzig umgesetzt. Egal was du machst, die Missionen eskalieren ins absolute Chaos.
Der Stealth-Modus ist halbbatzig umgesetzt. Egal was du machst, die Missionen eskalieren ins absolute Chaos.
Quelle: Domagoj Belancic

«Crime Boss: Rockay City» kennt keine Nuancen. Du kannst versuchen, eine Mission im Stealth-Modus anzugehen. Viele kreative Möglichkeiten hast du aber nicht. Begehst du einen kleinen Fehler, bricht sofort die Hölle los.

Beispiel gefällig? Ich töte unbemerkt einen Feind. Nach ein paar Minuten entdeckt ein gegnerisches Gangmitglied die Leiche. Plötzlich wissen alle Feinde, wo sich mein Team befindet und wir werden von allen Seiten angegriffen. Das nervt. Um die Sache noch chaotischer zu machen, wird mit zunehmender Action auch die Polizei alarmiert und stürzt sich munter in den Kugelhagel.

Ballern bis der Arzt kommt: Jede Mission endet in einem chaotischen Schusswechsel.
Ballern bis der Arzt kommt: Jede Mission endet in einem chaotischen Schusswechsel.
Quelle: 505 Games

Die nicht abzuwendenden Schiessereien wären kein Problem, wenn das Shooter-Gameplay Spass machen würde. Tut es aber nicht. Die Steuerung ist träge. Den Waffen fehlt es an Schlagkraft. Zudem finde ich das Balancing der Knarren komisch. Mit der Shotgun ballere ich Feinde selbst aus grosser Entfernung mit einem Schuss weg. Andere Waffen fühlen sich im Vergleich nutzlos an.

Mehrspieler-Frust

Nutzlos sind auch meine virtuellen Teammitglieder. Oft stehen sie nur dumm in der Gegend herum, anstatt ihre Aufgaben zu erledigen oder Gegner abzuknallen. Wenn du keine Lust auf dumme AI-Gangmitglieder hast, konzentrierst du dich stattdessen auf die Multiplayer-Modi.

Im «Crime Time»-Modus absolvierst du kurze Missionen und verdienst schnell Geld. Im «Urban Legends»-Modus gilt es drei Co-Op-Kampagnen zu meistern. Diese sind, ähnlich wie der Singleplayer-Modus, in eine Geschichte mit qualitativ fragwürdigen Cutscenes eingebettet. Inhaltlich unterscheiden sich die Missionen nicht gross von der Einzelspieler-Kampagne. Du spielst auf den gleichen Maps und die meisten Aufträge enden in einer wilden Schiesserei.

Beide Modi sind sowohl mit Freunden als auch mit Fremden spielbar. Ich habe für den Test ausschliesslich mit mir unbekannten Spielerinnen und Spielern gezockt. Dabei kämpfe ich immer wieder mit technischen Problemen. Einige Missionen will das Spiel aus irgendeinem Grund nicht starten. Immer wieder werde ich aus Lobbys gekickt. Manchmal stürzt das Spiel komplett ab.

Ob der Multiplayer mit registrierten Freunden runder läuft, konnte ich für den Test nicht verifizieren.

Die Grafik geht in Ordnung

Grafisch sieht «Crime Boss: Rockay City» bisweilen ganz hübsch aus. Vor allem die Aussenbereiche sind schön umgesetzt und verbreiten Florida-Feeling. Die Charaktermodelle sind detailliert modelliert. Deren Animationen lassen aber vor allem in den Cutscenes oft zu wünschen übrig.

Schade ist, dass das Game auch auf höchster Auflösung verschwommen wirkt. Die Cutscenes sind zudem schlecht komprimiert, was zu gut sichtbaren Artefakten führt.

Wenn mal nicht geballert wird, versprüht das Game Ferien-Feeling.
Wenn mal nicht geballert wird, versprüht das Game Ferien-Feeling.
Quelle: 505 Games

Gar nichts auszusetzen habe ich am 90er-Jahre-Soundtrack. Wenn bei einer Mission im Hintergrund «Freestyler» von den Bomfunk MC's läuft, macht das ordentlich Spass.

Fazit: Nein, danke

Irgendwo tief im Inneren verbirgt sich in «Crime Boss: Rockay City» ein solider Co-Op-Shooter. Der Rogue-Like-Ansatz für die Singleplayer-Kampagne ist lobenswert und einige Missionen können in spannenden und nervenaufreibenden Situationen enden.

Die wenigen spassigen Momente im Spiel werden aber durch repetitive Missionen, fades Gunplay und technische Probleme überschattet. Auch die Leistung des spektakulären (Ex-)Star-Ensemble ist eine Enttäuschung und kann das Game nicht retten.

In seiner jetzigen Form kann ich «Crime Boss: Rockay City» nicht empfehlen. Das stumpfsinnige Gameplay wird selbst die grössten Trash- und Neunziger-Liebhaber nach ein paar Stunden Spielzeit langweilen. Ob die bereits angekündigte Content-Roadmap in Zukunft für mehr Abwechslung und komplexeres Gameplay sorgt, wage ich zu bezweifeln. Wenn du mit Freunden auf virtuelle Raubzüge gehen willst, gibt es mit «Payday 2» und «GTA Online» weitaus bessere Alternativen.

«Crime Boss: Rockay City» ist erhältlich im Epic Games Store. Es wurde uns zu Testzwecken von 505 Games zur Verfügung gestellt. Die Versionen für Xbox Series X/S und Playstation 5 wurden auf unbestimmte Zeit verschoben.

505 Games Crime Boss: Rockay City (PS5, DE)
Game

505 Games Crime Boss: Rockay City

PS5, DE

505 Games Crime Boss: Rockay City XBSX (Xbox Series X, DE)
Game
CHF22.90

505 Games Crime Boss: Rockay City XBSX

Xbox Series X, DE

Titelfoto: 505 Games

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Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.


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