Apples Roadmap mit vielen blinden Flecken
Am 25. März hat Apple zur grossen Show im Steve Jobs Theatre in Cupertino geladen. Gezeigt wurden keine neuen Geräte – sondern Abo-Dienste für das Apple-Universum.
Was zeigt Apple am «Special Event»? Gemunkelt wurde über einen Netflix-Klon. Über eine Apple-Kreditkarte. Eventuell neue Hardware – vielleicht eine drahtlose Ladelösung?
Aus den Hardware-Gerüchten wurde nichts. Neue Geräte wurden keine gezeigt. Alle Hardware-Updates hat Apple ohne grossen Klamauk bereits letzte Woche vorgestellt:
Die Gerüchte über neue Dienstleistungen hingegen waren korrekt: Der «Special Event» stand im Zeichen von Services. Diese sind in Kürze:
- Apple News+ ist ein digitaler Zeitschriftenstand mit Flatrate
- Apple Pay wird aufgemotzt: Apple bietet eine eigene Kreditkarte an
- Apple Arcade ist eine Flatrate für kuratierte Spiele
- Apple TV+ als Antwort auf Netflix, Amazon Prime & Co
Aber der Reihe nach.
Apple News+: Der digitale Zeitungskiosk
Tim Cook thematisiert zunächst Apple News. Er preist das kostenlose Angebot als Hort zuverlässiger Information, von Hand kuratierten Quellen und von Apple-Redakteuren ausgewählten Storys. Apple News sei bereits heute die beliebteste News-App.
Dann präsentiert er den neuen Service namens Apple News+. Dabei handelt es sich um einen digitalen Kiosk, in dem diverse Magazine feilgeboten werden. Time Magazine, Vogue, People, National Geographic, The New Yorker, Sports Illustrated, Fortune, Rolling Stone, Wired.
Apple ist es gelungen, 300 Magazine aus verschiedensten Bereichen für den kostenpflichtigen Service zu gewinnen. Auffällig ist, dass Apple auf visuell starke Magazine aus dem Lifestyle-Bereich setzt. Tagesaktuelle Nachrichtenportale sind kaum Teil des Abos. Einzig die Los Angeles Times und das Wall Street Journal sind mit von der Partie.
Das Versprechen ist: Qualitätsjournalismus, exzellent aufbereitet. Oder wie es Apple formuliert: «The best mobile magazine experience ever. Awesome!»
Der Deal ist recht simpel. Der erste Monat ist gratis. Danach kostet das Angebot 9.99 Dollar pro Monat und ist für die gesamte Familie auf ihren Geräten und Accounts nutzbar. Persönliche Empfehlungen sollen das Angebot abrunden. Die Privatsphäre bleibt geschützt: Keine Werbung, kein Tracking. Die Empfehlungen werden lokal auf dem Gerät berechnet – Apple wisse nicht, was die Kunden lesen.
Die Einführung startet nebst den USA zeitgleich in Kanada, dort mit 30 Magazinen. Im Herbst 2019 folge Australien, danach Europa beginnend mit England. Das genaue Angebot und die Preise hierzulande bleiben also offen.
«Apple News wird grossartig für Konsumenten und Verlage», weiss Tim Cook. «Lasst uns über Apple Pay reden», fährt er fort.
Apple Card: Die virtuelle Kreditkarte
Cook vermeldet, dass dieses Jahr bereits über 10 Milliarden Transaktionen mittels Apple Pay durchgeführt worden sind. Im Heimmarkt USA hat Apple eine Akzeptanzrate von 70% erreicht, in Australien enorme 99%. Apple Pay ist bislang in 33 Ländern verfügbar, auch in der Schweiz. Bis Ende 2019 soll Apple Pay in über 40 Ländern angeboten werden.
Die Neuerung bei Apple Pay ist die neue Apple Card, eine virtuelle Kreditkarte. Apple arbeitet dabei mit Goldman Sachs und Mastercard zusammen. Die virtuelle Kreditkarte wird binnen Minuten aufgeschaltet und soll keine weiteren Gebühren verursachen. Einkäufe bestätigt man als Apple-User bequem via Fingerabdruck oder Face-ID.
Apple versüsst das Paket mit einem Cashback-Programm namens «Daily Cash». Dabei sollen einem täglich 2% der Einkaufssumme rückerstattet werden. Bei Benutzung von Apple Services gar 3%.
Als Lifestyle-Statement bietet Apple eine physische Karte an. Schlicht gestaltet und aus Titan.
Eine dazugehörige App macht das E-Banking mit der Apple Card übersichtlich. Laufende Ausgaben und Einkäufe werden thematisch gruppiert: Was habe ich für Essen ausgegeben? Wie viel für Unterhaltung? Zusätzlich liefert die App sinnvolle Verbesserungsvorschläge für die persönlichen Finanzen.
«Die bedeutendste Weiterentwicklung der Kreditkarte seit 50 Jahren», befindet Tim Cook. «iOS ist die grösste Gaming-Plattform der Welt», leitet er über zu Computerspielen.
Apple Arcade: Etwas mit Games
Games sind die beliebteste Rubrik im App-Store. 300 000 Games werden angeboten. Eine Milliarde Mal seien die heruntergeladen worden. Darunter viele Gratis-Spiele. Aber auch kostenpflichtige Games.
Auf die fokussiert Apple mit dem neuen Service namens Arcade. Ein Abo für Games im Apple-Universum, sprich Spiele für iPhone, iPad, Mac und Apple TV. Es sollen laufend neue Spiele ergänzt werden.
In einem mehrminütigen Einspieler über Indie-Games betont Apple, dass man unabhängige Studios unterstützt. Das Resultat ist ein kuratiertes Angebot an über 100 exklusiven Spielen. Alle Spiele sind offline spielbar und sollen frei von In-App-Käufen sein. Wie bei News+ bietet Apple ein Family-Sharing an.
Arcade ist ab Herbst in über 150 Ländern verfügbar. Pricing und Details bleibt Apple schuldig. «Let’s talk about TV», fährt Cook fort.
Apple TV+: Etwas mit Film
«Was wäre, wenn Filme, Serien und Sportsendungen alle an einem Platz wären», fragt Cook. Alles on demand, werbefrei, highres und offline verfügbar. Mit Family-Sharing wie bei News+ und Arcade.
Bislang sind etwa 65 000 FIlme und 25 000 TV-Shows via iTunes verfügbar. Jetzt wird Apple TV – bisher bekannt als Hardware: die TV-Box – zu einem Service ausgebaut. Nebst dem bisherigen On-Demand-Angebot arbeitet Apple neu mit Kabelanbietern und Netflix-Konkurrenten zusammen. Das Kabelnetzwerk HBO liefert «Game of Thrones». Amazon Prime und Hulu sind mit von der Partie. Die dazugehörige App liefert dank «Expert editors» und Machine Learning Empfehlungen. Deren Inhalte können mit Apple TV Channels gemietet werden.
Obendrein wird Apple eigene, exklusive Inhalte produzieren. In einem längeren, beinahe schmerzhaft pathetischen Clip wird das Konzept erklärt: Gute Storys, liebevoll erzählt. Steven Spielberg persönlich kündigt auf der Bühne in Cupertino ein Follow-Up seiner «Amazing Stories» an. «The morning show» soll Amerika beim Aufwachen helfen: Eine Männer-und-Frauen-Beziehungs-Show von Reese Witherspoon und Jennifer Aniston. Bei «Little America» erzählen Immigranten die Geschichten von Immigranten. Oprah Winfrey kündigt eine exklusive Show an. Bill Murray, Spike Lee und viele weitere sollen exklusive Inhalte für Apple TV+ liefern.
Das überholte Apple TV und Apple TV+ ist ab Mai auf iOS verfügbar, ab Herbst in UHD-Qualität auf Mac. Das Angebot soll es zunächst in zehn Ländern geben. Pricing und Details sind noch unbekannt.
Erwähnenswert und für Apple neu ist, dass sich die Firma ein Stück weit öffnet. Die gepimpte TV-App läuft direkt auf Smart-TVs von Samsung, LG, Sony und Vizio.
Fazit: Vielversprechend oder nur viele Versprechen?
«Danke fürs Kommen und Zuschauen», bedankt sich Tim Cook. Mich hinterlässt der Mann etwas ratlos. Ich versuche eine Einordnung.
Apple hat 2018 wahnwitzige 265.6 Milliarden Dollar Umsatz erzielt und absurde 59.53 Milliarden Dollar Gewinn gemacht. Durch cleveres Pricing konnten Umsatz und Gewinn zwar nochmals erhöht werden. Doch der Ausblick ist getrübt, zuletzt waren die Verkäufe des Zugpferds iPhone leicht rückläufig. Ein Problem, mit dem Apple nicht alleine ist: Der Smartphone-Markt insgesamt stagniert.
Was tun? Wenn alle nach Gold schürfen, kann man entweder ebenfalls Gold schürfen – oder Schaufeln verkaufen. Heisst: Nützliche Dienstleistungen erbringen. Mit Services hat Apple im 4. Quartal 2018 erstmals über 10 Milliarden Dollar Umsatz generiert.
Tim Cook hat heute klar gemacht, wie er Apple umbauen will: Er setzt konsequent auf einen Strauss an neuen Services. Die Angebote sind perfekt mit dem Apple-Universum verknüpft und brillieren dort mit einfacher Benutzung. Der «Vendor Lock-in» ist schlau gestaltet. Family-Sharing und Daily Cash sind attraktiv.
Aber reicht das? Bei den Angeboten trifft Apple auf starke Konkurrenz, sei es Netflix, Amazon und Disney bei Filmen oder etablierte Gaming-Stores. Ausserdem erschliesst sich der konkrete Nutzen der Angebote nicht sofort. Apple Pay macht nichts fundamental besser als andere digitale Bezahlmittel. Bei News+, TV+ und Arcade scheint das Angebot noch reichlich diffus – selbst für die USA. «Stunning», «amazing» und «best ever» hin oder her: Gerade für Europäer und Schweizer muss Apple noch sehr klar konkretisieren, was genau der Deal ist.
Ich bändige das Editorial Team. Hauptberuflicher Schreiberling, nebenberuflicher Papa. Mich interessieren Technik, Computer und HiFi. Ich fahre bei jedem Wetter Velo und bin meistens gut gelaunt.