Hintergrund

And cut! George Lucas' Imperium schlägt zurück

Luca Fontana
19.10.2018

Du denkst, nur Drehbuchautoren können gute Geschichten schreiben? Pustekuchen! Kuriositäten, lustige Anekdoten und verrücktes Allerlei rund ums Kino und Filmemachen – darum soll’s hier gehen. Heute: Als «Star Wars»-Erfinder George Lucas dem Studio ein Milliarden-Schnippchen schlug.

Mai 1977. Der Begriff «Blockbuster» wird geboren. Hunderte Menschen stehen vor den Amerikanischen Kinos Schlange und wollen «Star Wars» sehen. Die Schlangen sind mittlerweile so gross, dass sie dutzende Blocks umfassen – ein Blockbuster eben.

Das passiert, weil nur wenige Kinobetreiber an den Erfolg der Weltraumoper geglaubt haben, und der Film nicht überall läuft, wo es Projektor und Leinwand gibt. Dazu kommt, dass die Menschen miteinander reden. Über den atemberaubenden Einstieg, begleitet von den triumphalen Fanfaren aus John Williams Feder, über Jedi-Krieger, Lichtschwerter und der schnellsten Schrotmühle der Galaxis.

Sie reden über den Film, der das moderne Filmemachen begründet hat.

Der Mann hinter «Star Wars» heisst George Lucas, und sein Erfolg hat über eine legendär steinige Odyssee von Herausforderungen und Widerständen geführt. Selbst seine engsten Freunde aus gemeinsamen Studienzeiten – darunter illustre Namen und spätere Regielegenden wie Martin Scorsese oder Brian De Palma – rieten ihm vom Projekt ab, weil sie maskierte Männer mit Atembeschwerden für Unfug hielten.

Aber: Alles, was Lucas erreicht hat, verdankt er einem einzigen, sehr klugen Schachzug.

Der Kampf um «Star Wars»

Die Idee zu «Star Wars» hat George Lucas schon 1971 gehabt. In einer ersten Fassung heisst sein Werk noch «The Journal of the Whills». Dort ist Han Solo ein reptilienartiges Alienwesen und Luke Skywalker ein alter Jedi-General, der noch Luke Starkiller heisst. In späteren Versionen nennt er sein Werk «The Star Wars». Dort bekommt Luke seinen heute bekannten Nachnamen, dafür macht er einen gewissen Annikin Starkiller mit den Lehren der Jedi-Bendu bekannt. Bis die Geschichte jene Form annimmt, die wir heute kennen, vergehen Jahre.

Und ja, die Starkiller-Basis in «Star Wars – The Force Awakens» ist eigentlich ein Easter Egg.

Der 2013 erschienene Comic basiert auf eine von Lucas’ ersten Rohfassungen von «Star Wars»
Der 2013 erschienene Comic basiert auf eine von Lucas’ ersten Rohfassungen von «Star Wars»
Quelle: Dark Horse Comics

1973, also zwei Jahre später, feiert Lucas mit «American Graffiti» seinem ersten Kinohit. Der Film wird nicht nur von Kritikern gefeiert, sondern spielt satte 140 Millionen Dollar bei einem Budget von gerade mal einer Million Dollar ein. Ein Erfolg, der George Lucas Türen öffnet. Insbesondere jene in eine Galaxie weit, weit entfernt – wenn auch nicht auf Anhieb. Die Idee eines klassischen Coming-of-age-Märchens im Weltall überzeugt zunächst nicht.

Mitte der 1970er-Jahre ist die Filmlandschaft von einer zynischen Welt geprägt: Der Vietnamkrieg, der Watergate-Skandal und die Energiekrise haben ihre Spuren hinterlassen. Aber der Erfolg von «American Graffiti» hat Lucas Respekt verschafft, und mindestens einen wertvollen Fan hat er gewonnen: Alan Ladd Jr., Exekutiv-Produzent bei 20th Century Fox. Ladd überzeugt das Studio den Film trotz grosser Bedenken zu finanzieren.

Den Rest kennst du: «Star Wars» wird zum damals grössten Kinoerfolg aller Zeiten, ein kulturelles Weltphänomen und dank eigens für den Film gegründete Firmen wie Industrial Light & Magic (ILM) oder THX auch audiovisuell wegweisend für die Art und Weise, wie Filme fortan gemacht werden.

Das «TCL Chinese Theatre» in Los Angeles im Sommer 1977: Alle wollen «Star Wars» sehen
Das «TCL Chinese Theatre» in Los Angeles im Sommer 1977: Alle wollen «Star Wars» sehen

Ein Blockbuster eben.

Der geniale Schachzug von George Lucas

Aber die Geschichte endet hier nicht. Denn der Erfolg von «Star Wars» hat Lucas nicht nur eine Hollywood-Karriere ermöglicht, er hat sogar mehr Geld gescheffelt als das Studio selbst. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, aber Lucas ist ein genialer Schachzug gelungen.

Dem noch jungen Lucas ist der grösste Coup seines Lebens gelungen – er weiss es nur noch nicht
Dem noch jungen Lucas ist der grösste Coup seines Lebens gelungen – er weiss es nur noch nicht

Sommer 1975. Die Vertragsverhandlungen mit 20th Century Fox verlaufen harzig. Schlussendlich willigt das Studio doch noch ein, den Film zu finanzieren, und bietet Lucas einen Lohn von 500 000 Dollar an.

George Lucas lehnt aber ab, und kontert seinerseits mit einem unerwarteten Angebot: Er erklärt sich bereit, den Film für nur 150 000 Dollar zu machen und gleichzeitig auf einen Grossteil der Einnahmen aus Ticketverkäufen zu verzichten. Im Gegenzug würde er aber sämtliche Rechte an weiteren Star-Wars-Filmen erhalten, und dazu die Rechte an Merchandise- und Lizenzgeschäften. Das Studio, das sowieso am Erfolg des Projekts und überhaupt an weiteren Star-Wars-Filmen zweifelt, willigt bereitwillig ein.

Was Merchandise- und Lizenzgeschäfte sind? In diesem Zusammenhang der Handel mit Spielzeugen, Fan-Accessoires und so ziemlich allem, was auch nur im entferntesten mit dem Film zu tun hat. Damals im besten Fall ein Nischenmarkt, dessen blosse Erwähnung reinste Zeitverschwendung war.

Star-Wars-Plüsch-Porg
Star-Wars-Plüsch-Porg
Star-Wars-Lego-Todesstern
Star-Wars-Lego-Todesstern
Star-Wars-Rasierer
Star-Wars-Rasierer
Star-Wars-Smartphone
Star-Wars-Smartphone

S’git nüd, wo’s nöd git. «Star Wars»-Merchandise ist einfach überall, auch heute noch.

Star-Wars-BB-8-Orangen. Disney needs to calm the f**k down.
Star-Wars-BB-8-Orangen. Disney needs to calm the f**k down.

Im Nachhinein hätte sich Fox am liebsten selber eine gescheuert. Denn seit seinem Kino-Release vor 40 Jahren hat der erste «Star Wars» inflationsbereinigte 2.9 Milliarden Dollar eingespielt – nur «Vom Winde verweht», «Avatar» und «Titanic» haben bis heute inflationsbereinigt mehr Geld eingespielt. Aber es ist nichts im Vergleich zu dem, was George Lucas gehamstert hat.

Während seiner 35 Jahren an der Spitze des «Star Wars»-Imperiums hat er laut The Hollywood Reporter 12 Milliarden Dollar am Verkauf von Star-Wars-Spielzeugen und sonstigem Merchandising eingenommen. Auch die fünf Fortsetzungen, die Lucas selbst produziert hat, spielten ihm ein respektables Vermögen ein. Zusammen generierten sie 3.5 Milliarden Dollar an den Kinokassen, 4 Milliarden Dollar durch den Verkauf von DVDs- und VHS-Kassetten, 3 Milliarden Dollar durch Videospielverkäufe, 2 Milliarden Dollar durch Bücher und Comics sowie weitere 1.3 Milliarden Dollar durch Lizenzrechte.

Alles in allem hat Lucas über 25 Milliarden Dollar mit der Marke «Star Wars» verdient, die 4.05 Milliarden Dollar für den Verkauf an Disney nicht miteinberechnet. Wie er auf die Idee gekommen ist, so vorausschauend zu denken?

Wenn du am Beginn deiner Regie-Karriere stehst, kämpfst du ständig ums Überleben. Ums überleben und darum, den nächsten Film machen zu können.
George Lucas

Die Motivation ist also folgende gewesen: Selbst, wenn «Star Wars» an den Kinokassen floppen würde, hätte er die Möglichkeit, dank den Spielzeugverkäufen weitere Fortsetzungen zu finanzieren, an die er die Rechte bereits besässe.

Lucas während den Dreharbeiten zum 1977 erschienenen «Star Wars»
Lucas während den Dreharbeiten zum 1977 erschienenen «Star Wars»

Die Studios haben ihre Lektion gelernt. Heute ist «Star Wars» der Grund, weshalb sie immer bemüht sind, die Merchandising-Rechte ums Verrecken für sich zu behalten. Schliesslich wollen alle 12 Milliarden Dollar mit Spielzeugen verdienen.

Kennst auch du eine haarsträubende Geschichte oder lustige Anekdote rund ums Kino oder Filmemachen? Dann schreib sie in die Kommentare oder mir ein E-Mail. Vielleicht ist es genau deine Geschichte, die ich in der nächsten «And cut!»-Ausgabe erzählen werde.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 

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