«Alone in the Dark» im Test: Die Neuauflage des Kult-Survival-Horror-Spiels erfindet sich neu
Das Spiel, das den Survival Horror begründete, bekommt eine Neuauflage. Die Neuinterpretation von «Alone in the Dark» erinnert an klassische Spiele des Genres – im Guten wie im Schlechten.
Survival Horror ist eines meiner liebsten Videospielgenres. Mit seiner Mischung aus düsterer Atmosphäre, Rätseln, Kämpfen, Erkundung und im besten Fall auch Story zieht es mich jedes Mal in seinen Bann. Mit «Alone in the Dark» liegt nun der Begründer dieses genialen und seit über 30 Jahren bestehenden Genres vor mir – na ja, fast. Es ist die Neuinterpretation des Klassikers, der 1992 die Grundsteine für Genre-Giganten wie «Resident Evil» und Co. legte.
Mit David Harbour auf Erkundungstour
Bereits der Auftakt von «Alone in the Dark» erfüllt mich mit Freude. Durch einen Brief ihres Onkels beunruhigt, stellt Emily Hartwood den Privatdetektiv Edward Carnby an. Mit ihm möchte sie gemeinsam den vermeintlichen Aufenthaltsort ihres Onkels untersuchen: die Villa Derceto. Das weckt Erinnerungen. Ich liebe es, wenn Spiele mich in einen geschlossenen Bereich wie eine riesige Villa, eine Polizei- oder Raumstation werfen, anstatt mich mit grossen, offenen Bereichen zu überfordern. Sorry «Resident Evil 4», die Rätselmöglichkeiten klicken in gebündelten Arealen einfach besser ineinander.
Nach der ersten Zwischensequenz entscheide ich mich für den Charakter, den ich steuern möchte. Hier begegne ich bekannten Gesichtern: Während Jodie Comer in die Rolle von Emily Hartwood schlüpft, zeigt sich David Harbour als Detektiv in der Rolle von Edward Carnby. Weil ich das bekannte Gesicht von Jim Hopper aus «Stranger Things» begleiten will, entscheide ich mich für den US-Schauspieler bei meinem ersten Durchspielen.
Welchen Einfluss das auf mein Erlebnis hat, wird erst beim zweiten Durchlauf klar, als ich mich für Emily als Protagonistin entscheide. Zum einen ändern sich kleine Details, wie die Startausrüstung. Dazu gehören unter anderem ein Verlobungsring für Emily und die Detektiv-Lizenz für Carnby. Mit fortschreitender Zeit machen sich grössere Unterschiede bemerkbar, wie die Reaktionen der Bewohnerinnen und Bewohner von Derceto Manor. Während Edward Carnby ein Aussenseiter ist, der mit Argwohn betrachtet wird, ist Emily Hartwood willkommener. Als Nichte von Jeremy Hartwood stellt sie ein bekanntes Gesicht dar. Die Schauplätze, die Edward und Emily zu Beginn des Spiels besuchen, sind mehr oder weniger identisch. Gegen Ende des Spiels werden immer grösser werdende Abzweigungen bemerkbar.
Viel zu tun in der bösen Residenz
Was erwartet mich überhaupt in der prunkvollen Residenz? Dafür mache ich mir zuerst einmal ein Bild meiner Umgebung und erkunde die verschiedenen Räumlichkeiten. «Alone in the Dark» ist so freundlich und stellt mir früh eine Karte der Villa zur Verfügung, in der automatisch eingetragen wird, welche Türen verschlossen sind, wo sich Rätsel befinden und ob ich einen Raum fertig erkundet habe. Das ist sehr hilfreich, da sich genretypisch an allen Ecken und Enden kleine Rätsel befinden. Die löse ich, um voranzukommen oder um bestimmte Gegenstände zu erlangen. Denn eins darf ich nicht vergessen: Wenn Protagonistinnen und Protagonisten von Survival-Horror-Spielen etwas machen, dann ist es das Einsammeln ihrer ganzen Umgebung. Ich meine, natürlich brauche ich Rattengift, eine ominöse Spritze und einen Füllfederhalter. Wenn wir schon dabei sind, nehme ich das Hundehalsband auch gleich mit.
Aufgelockert wird das Ganze von Zwischensequenzen und Kampfpassagen. Während ich am Anfang mit meiner Handfeuerwaffe auf humanoide (zumindest in ihrer Form) Monster schiesse, wehre ich mich später gegen fliegende oder kriechende Biester mit einer klassischen Schrotflinte oder einer Tommy Gun. Es erwartet mich der typische Survival-Horror-Wahnsinn.
An manchen Stellen verlasse ich das Derceto Manor. Die actiongeladenen Passagen ausserhalb der Villa stellen eine gelungene Abwechslung zum ansonsten eher ruhigen Gameplay dar, bei dem ich mich in der leicht düsteren Atmosphäre des Anwesens dem Rätseln widme. Weder die Passagen in der Villa noch die ausserhalb sind besonders nervenaufreibend. Grusel empfinde ich daher kaum beim Spielen. Die vielen Zwischensequenzen tragen zwar zu dem mysteriösen Noir-Feeling bei, doch reissen sie mich aus der zuvor aufgebauten, immersiven Atmosphäre heraus. Für mich stellt «Alone in the Dark» deswegen eher einen entspannten Trip in die Survival-Horror-Vergangenheit als eine gruselige Horrorerfahrung dar.
«Old but Gold»
Die klassische Mischung aus Rätseln, Sammeln und Kämpfen machen «Alone in the Dark» zu einem soliden Erlebnis für mich. Ich laufe gerne durch verwinkelte Gebäude, in denen alle fünf Meter eine Türe versperrt oder ein Gemälde zusammengesetzt werden möchte. Wenn du dich aus diesen Gründen von «Resident Evil» und Co. ferngehalten hast, wird «Alone in the Dark» das kaum ändern.
Die Neuinterpretation von «Alone in the Dark» bringt allerdings auch einige Modernisierungen mit sich. Zum Beispiel kann ich in den Optionen eine Rätselhilfe einschalten, die personalisierbar ist und mich in unterschiedlichen Bereichen unterstützen kann. Dadurch können in der Karte von Derceto Manor Rätsel farblich markiert werden, sobald sie lösbar sind. Ohne die Hilfe bleiben sie farblos und lediglich als Rätsel markiert. Bei manchen Rätseln hilft mir eine visuelle Hilfe weiter und teilweise sagt mir sogar der spielbare Charakter, was ich tun könnte, wenn ich das Rätsel nicht auf Anhieb schaffe. Während meines ersten Spieldurchlaufs habe ich diese Hilfe ausgeschaltet, da ich mir gerne den Kopf über solche Herausforderungen zerbreche. Die Rätsel sind ehrlich gesagt auch nicht sonderlich schwer. Bei meinem zweiten Durchlauf habe ich die Rätselhilfe eingeschaltet. Ich wusste bereits, was mich erwartet, und so kam ich schneller vorwärts.
Solche Änderungen finde ich äusserst motivierend für weitere Spieldurchläufe, weil sie das Erlebnis komfortabler und somit einladender machen. Gerade wenn ein Spiel nach knapp zehn Stunden vorbei ist, lässt mir dies die Möglichkeit offen, weiter in der Spielewelt zu verweilen, in der ich gerade so viel Spass habe.
Ein Rätsel in der zweiten Spielhälfte hat mich allerdings fast in den Wahnsinn getrieben. Weil es zum Test-Zeitpunkt keine Internet-Guides gab, habe ich mir nach 45 Minuten einen Freund dazu geholt und trotz Rätselhilfe sind wir daran verzweifelt. Schlussendlich konnte ich das Rätsel mit wirrem Herumgeklicke lösen. Ich bin sehr gespannt, wie das Internet darauf reagiert. Vielleicht stellt es sich auch als Bug heraus. Solchen bin ich beim Testen mehr als ein Mal begegnet. Unter anderem wollte Carnby plötzlich nicht mehr seine Waffe zücken, obwohl ein Monster vor ihm stand. Ganz wild wurde es, als dieses Monster ihm auch keinen Schaden zufügen konnte und ich den Speicherstand neu laden musste. Ab und zu funktionierten bei mir Aktionen nicht – ebenfalls ein Bug, bei dem nur das erneute Laden des Speicherstands half.
Sinnvolle Modernisierungen
Eine weitere sinnvolle Modernisierung finde ich beim Management der Gegenstände. Wenn ich einen Gegenstand an allen erforderlichen Stellen benutzt habe, verschwindet er aus meinem Inventar und landet in einer Art Archiv. Eine Begrenzung für die maximale Anzahl an Items, die ich mit mir tragen kann, gibt es ebenfalls nicht. Damit fallen lästige Rückwege zu Inventarkisten weg.
Hervorheben muss ich die gelungene deutsche Synchronisierung. Von Genreklassikern wie «Resident Evil» und «Silent Hill» sind wir uns Trash gewohnt, der durch Bullshit-Bingo-Sprüche oder merkwürdig klingenden Dialogen einen festen Platz in der Meme-Kultur gefunden hat. Der Sprecher von Carnby, Dennis Schmidt-Foss, sowie die Sprecherin von Emily, Lena Schmidtke, leisten wie ihre Kolleginnen und Kollegen tolle Arbeit. Nicht nur alle Gespräche zwischen den Charakteren sind vertont, auch die vielen Texte von Briefen, Tagebucheinträgen und Notizen kann ich mir vorlesen lassen. So viel Vorlese-Luxus bin ich mir nicht mal bei den Remakes von «Resident Evil» gewohnt.
Ein paar Altlasten bleiben
Trotz all dem Lob über neue und alte Survival-Horror-Elemente weist das Spiel einige Makel auf. Zum Beispiel: Auch wenn das Kämpfen in modernen Titeln wie dem «Dead Space»- oder den «Resident Evil»-Remakes durchaus Spass macht, bleibt die Neuinterpretation von «Alone in the Dark» dem Genre treu und lässt mich mit einem unbefriedigenden Gefühl auf die Monster ballern. Die Auswahl der Waffen kann ich an einer Hand abzählen. Die Möglichkeit zum Aufbessern der verschiedenen Schusswaffen macht es auch nicht spannender.
Manchen Kämpfen kann ich jedoch aus dem Weg gehen, indem ich zum Beispiel um die Gegner herumschleiche. Leider macht mir das noch weniger Spass als das Schiessen. Deswegen wähle ich bei meinem zweiten Spieldurchlauf die unbefriedigende Lösung des taktischen Rückzugs: Ich renne weg und gehe den Konfrontationen soweit möglich aus dem Weg. Das habe ich nicht einmal bei «Silent Hill 2» gemacht, obwohl da alle Konfrontationen mit Absicht extrem unangenehm sind. Na ja, immerhin muss ich mich mit keiner Panzersteuerung auseinandersetzen.
Verwirrend sind zudem besonders Anfangs die vielen Charaktere in Derceto Manor. Ständig höre oder lese ich von irgendwelchen Personen, zu denen ich mir noch kein Bild machen kann. Das kann gewollt sein, damit das Bild einer mysteriösen Villa entsteht. Mich irritiert es jedoch eher, statt mein Interesse zu wecken. Da helfen auch die übertriebenen Inszenierungen im Noir-Stil nicht, die sich unter anderem an den Bildern des hartgesottenen Detektivs, der moralisch fragwürdigen Charaktere sowie der düsteren Atmosphäre bedienen. Die Handlung wird mit fortschreitender Spieldauer klarer und gegen Ende bin ich dann doch am Schicksal der Hauptcharaktere interessiert.
Apropos Ende: Die können von der Charakterauswahl am Anfang beeinflusst werden. In typischer Survival-Horror-Manier der alten Schule gibt es in «Alone in the Dark» mehrere Variationen davon. Während der Abschluss des ersten Durchlaufs bei beiden Charakteren gleich aussieht, lassen sich weitere Enden für Edward oder Emily freischalten, wenn bestimmte Gegenstände gefunden oder Aufgaben gelöst werden.
Fazit: ein entspannter Trip in die Vergangenheit
«Alone in the Dark» ist ein gelungenes Survival-Horror-Spiel. Als Fan des Genres freue ich mich über ein paar sinnvolle Modernisierungen wie dem vereinfachten Inventarmanagement und der interaktiven Karte. Über die meisten Altlasten wie den unspektakulären Schiesseinlagen kann ich hinwegsehen.
Auch die Story hat mich gut unterhalten und bis zum Schluss war ich neugierig, welche Geheimnisse im Derceto Manor auf mich warten. Mit den beiden spielbaren Hauptcharakteren sowie mehreren Enden hat «Alone in the Dark» auch genug Wiederspielwert. Revivals alter Spielreihen sind für mich immer ein Grund zum Feiern. Umso mehr, wenn die Neuinterpretation so gelungen ausfällt. Ich freue mich über das kleine Stück Videospielgeschichte in meiner Hand und bin gespannt, was die Zukunft noch für «Alone in the Dark» bereithält.
«Alone in the Dark» ist ab dem 20. März für PC, PS5, Xbox Series verfügbar und wurde mir von THQ Nordic zur Verfügung gestellt. Ich habe die PC-Version getestet.
Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.