Ratgeber

WLAN pimpen mit Dose: Ein Lifehack geht in die Hose

Aurel Stevens
19.3.2019

Schwaches WLAN-Signal? Ganz einfach: Nur eine Dose aufschneiden und hinter den Access Point stellen. Wird zumindest in einem Web-Video behauptet. Ich habe die Probe aufs Exempel gemacht.

Schwaches WLAN ist mühsam: Stotterndes Netflix, lange Ladezeiten. Kürzlich bin ich auf tagesanzeiger.ch über ein Video gestolpert. In dem Clip sieht man eine junge Frau, die seufzend auf ihr Smartphone guckt: «Signalstärke: Schwach» steht auf dem Display ihres Smartphones.

Dann schreitet die Dame zur Tat: Sie schneidet eine herkömmliche Getränkedose auf, biegt sie in Form und klebt sie mit Duct-Tape auf den Router. Danach wirkt sie viel glücklicher. Kein Wunder: Ihr WiFi ist jetzt 72 Mal (!!!) schneller als ohne Dose.

Tönt ja zu gut, um wahr zu sein! Da ich Lifehacks im Allgemeinen und Upcycling im Speziellen eine grandiose Sache finde, will ich das Experiment wiederholen. Video-Journalist Manuel Wenk und ich machen uns auf in den Keller, wo wir mit langen Betongängen ein hervorragendes Experimentierfeld für den Test vorfinden. Dort unten gibt es garantiert kaum Störsignale.

Kann das überhaupt funktionieren?

Aluminium schirmt schwache elektromagnetische Strahlen durchaus ab, beziehungsweise es reflektiert sie stark. Das hat der elektrosmog-fühlige Basler Felix Grässli in seiner Wohnung sehr konsequent umgesetzt. Trotz Aluhut-Witzen: Das Prinzip der Isolation und Reflektion ist real und funktioniert tatsächlich.

Mit so einem Parabolspiegel für Verzweifelte kannst du eine messbare Wirkung erzielen. Die hochfrequenten elektromagnetischen Wellen werden von der Dose beeinflusst. Das Problem ist, dass du die Wirkung kaum kontrollieren kannst. Es ist keineswegs so, dass die Strahlen so gerichtet werden, wie man es aufgrund der Form der aufgeschnittenen Dose erwarten würde. Also hinter der Dose weniger Strahlung, vor der Dose eine gebündelte Strahlung. Selbst wenn es wie erwünscht funktionieren würde, wäre das nicht unbedingt eine gute Idee. Denn in der Regel willst du eine möglichst gute Abdeckung in der Fläche, keine Richtwirkung.

Die Dose wird in vielen Fällen den gegenteiligen Effekt haben – du verschlechterst den Empfang. Genau das ist das Ergebnis des Kurztests von Manu und mir.

WLAN wirklich verbessern

Was mich an dem Video auf Tagi Online besonders stört: Das Video wird mir ohne Kontext und weiterführende Informationen vor den Latz geknallt. Kein Warum, keine Tipps, die man vor dem Dosen-Stunt ausprobieren sollte, nichts. Nur Dudelmusik.

Ich hole das hier nach: Wenn das mit der Dose nicht funktioniert – was dann? Drei Tipps, die wirklich was bringen.

Tipp 1: Konkurrenz vermeiden

Das Hauptproblem bei vielen Nutzern ist, dass ihr Access Point dieselben Kanäle wie die Geräte der Nachbarn nutzt. Das heisst, die Signale überlagern sich und stören einander gegenseitig. Lade dir eine Analyse-Software für Funknetzwerke auf deinen PC, Mac oder Smartphone. Auf Android hat mir der WiFi-Analyzer sehr gute Dienste geleistet. Die App ist benutzerfreundlich und schlägt Kanäle vor, wo es keine oder nur schwache Konkurrenz gibt.

Tipp 2: Zentrale Lage

Überlege dir, wo du überall schnellen drahtlosen Internet-Zugriff haben möchtest. Auf dem Sofa? In der Küche? Im Schlafzimmer? Sobald du die Nutzungssituation kennst, stelle den Access Point so zentral wie möglich auf. Gut zu wissen: Funkstrahlen werden von Holztüren und Fenstern nicht gross aufgehalten, von Betonwänden hingegen stark gedämpft.

Tipp 3: Möglichst hoch

Ich erwähne das explizit, weil ich schon öfters erlebt habe, dass Bekannte den Access Point in einem Schrank oder hinter einem Regal verstecken. Das ist keine gute Idee, weil es die Verbreitung des Signals gleich an der Quelle stört. Wähle wenn irgendwie möglich eine erhöhte Position, wo die Funkwellen von den Einrichtungsgegenständen in Bodennähe (Tische, Stühle, Sideboard etc.) nicht gestört werden.

Falls der Women Acceptance Factor (WAF) deines Routers ein Problem ist – das kann ich gut verstehen. Ich würde ja auch kein martialisches Monster wie das hier mitten in der Wohnung aufstellen wollen:

ASUS GT-AX11000 Gaming ROG Rapture
Router
CHF529.–

ASUS GT-AX11000 Gaming ROG Rapture

Es gibt schlichte Geräte, die kaum auffallen. Etwa diese hier:

Ubiquiti UniFi AP AC-PRO (1300 Mbit/s)
Access Point
CHF141.–

Ubiquiti UniFi AP AC-PRO

1300 Mbit/s

Nochmals zurück zu Dose

Oben habe ich geschrieben, dass man mit Alufolie durchaus eine Wirkung erzielen könne. Entscheidend für eine korrekte Wirkung ist eine perfekt auf die Umgebung angepasste Form. An der Universität Dartmouth (USA) haben Studenten eine Software entwickelt, die eine passende Form berechnet.

Diese Form eines Reflektors beeinflusst genau diesen einen Grundriss. Erwünscht war ein schwächeres Signal im linken Teil, ein stärkeres Signal im Wohnbereich:

Das funktioniert im Gegensatz zur Dose. Für einen mageren Unterschied von etwa 6 dB Signalstärke musst du lediglich deine Wohnung exakt vermessen, in einem 3D-Programm nachzeichnen, dir dann einen 3D-Drucker zulegen, die berechnete Form ausdrucken und mit Alufolie auskleiden. Das ist dann selbst einem Upcycling-Fan wie mir zu viel.

Deshalb noch ein vierter Tipp ganz zum Schluss: Wenn dein WLAN nach den obigen drei Vorschlägen noch immer zu schwach ist, dann tue dir selbst einen Gefallen und kaufe dir einen neuen Access Point. Moderne Geräte haben mehrere Antennen und beherrschen etliche Tricks, um die Abdeckung zu verbessern. Das spart Nerven und Zeit, kostet nicht die Welt und ist damit ein guter Deal.

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Ich bändige das Editorial Team. Hauptberuflicher Schreiberling, nebenberuflicher Papa. Mich interessieren Technik, Computer und HiFi. Ich fahre bei jedem Wetter Velo und bin meistens gut gelaunt.

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