Produkttest

Test: Ist die Parrot Anafi eine Konkurrenz für DJI?

Manuel Wenk
21.9.2018

Für gewöhnlich produziert Parrot eher günstige Einsteigerdrohnen. Auch der neuste Streich ist relativ günstig, dabei nimmt es Parrot jedoch mit Platzhirsch DJI auf. Leider ist Anafi schon beim zweiten Einsatz aufs Maul geflogen und hat sich verletzt.

Die Parrot Anafi ist die leiseste Drohne, die ich bisher geflogen bin. Das dank ihres sehr geringen Gewichts und den aerodynamischen Propellern. Im Lieferumfang befindet sich zudem eine 16 GB kleine SD-Karte die für einige Minuten 4K-Aufnahmen reicht. Die Drohne findet in einem länglichen und stabilen Hardcase Platz.

Parrot Drohne mit Kamera (25 min, 320 g, 21 Mpx)
Drohne

Parrot Drohne mit Kamera

25 min, 320 g, 21 Mpx

Aufgeklappt ist sie in Sekundenschnelle. Das geht wesentlich einfacher vonstatten als bei der Konkurrenz. Bei der Fernbedienung handelt es sich um einen regelrechten Brocken. Sie sitzt gut in der Hand, nimmt im Rucksack oder der Tasche aber extrem viel Platz weg. Was mir an der Fernbedienung gefällt, ist die Smartphone Halterung – sobald du diese aufklappst, um das Smartphone zu platzieren, schaltet sie sich ein.

Die kompakte Drohne und im Verhältnis grosse, unförmige Fernbedienung. Wenigstens sitzt sie angenehm in der Hand.
Die kompakte Drohne und im Verhältnis grosse, unförmige Fernbedienung. Wenigstens sitzt sie angenehm in der Hand.

Grundrauschen und eine Kamera mit einzigartigen Winkeln

Unique Selling Point (USP) der Drohne ist die Möglichkeit, die Kamera um 180 Grad von unten nach oben Richtung Himmel zu schwenken. Damit lassen sich völlig neue Winkel filmen. Leider hängt damit auch ein Kritikpunkt zusammen. Um einen solch grossen Schwenk zu ermöglichen stabilisiert der Gimbal nur auf zwei Achsen. Bei der dritten, der Yaw-Achse, wäre ein Arm im Weg und die Kamera könnte nicht nach oben schwenken. Die fehlende Achse wird daher bei Videos softwaremässig stabilisiert, was gut funktioniert. Im Fotomodus funktioniert die elektronische Stabilisierung nicht. Dadurch sind keine länger belichteten Fotos möglich.

Eine um 180 Grad schwenkbare Kamera. Dafür ist sie nur auf zwei Achsen stabilisiert.
Eine um 180 Grad schwenkbare Kamera. Dafür ist sie nur auf zwei Achsen stabilisiert.

Zurück zur Kamera und ihren speziellen Winkeln. Ich will mit der Anafi ein Video drehen, das möglichst viele davon demonstriert. Frage ich meine Arbeitskollegen nach Ideen, kommt immer zuerst: Was willst du damit, geht ja nur der blaue Himmel und das ist langweilig! Natürlich geht nicht nur Himmel, wie ich beim Filmen schnell merke. Die Möglichkeiten sind vielseitig, nur werden die Flugmanöver meist etwas riskanter, da man unter Objekten hindurch- oder heranfliegen muss. Manöver zwischen Bäumen, unter Brücken hindurch oder nahe an Fassaden/Felswänden etc. sind denkbar. Weitere Ideen gerne unten in die Kommentare.

Die Kamera filmt Videos bei 4k mit 25 Bildern pro Sekunde und einer Datenrate von maximal 100 mbps. Es gibt die Möglichkeit in einem Standard-, Log- oder HDR-Profil zu filmen. Log um den Dynamikumfang zu erweitern und mehr Möglichkeiten in der Farbbearbeitung zu haben. HDR hab ich nicht gefilmt - dies weil ich verschiedenste Male gelesen habe, dass das Bild in diesem Modus nicht brauchbar ist. Die Bilder gelingen in der Standardeinstellung gut. Was mir aber auffällt, ist ein ständig vorhandenes Grundrauschen. Auch bei Sonnenschein und dem niedrigsten ISO-Wert.

Anafi fliegt aufs Maul – kann aber nichts dafür

Ich wandere zusammen mit der kleinen Anafi im Rucksack von den Lidernenhütte oberhalb Riemenstalden während rund zwei Stunden hoch auf den 2515 Meter über Meer gelegenen Chaiserstock. Da Anafi nicht sonderlich viel Platz im Rucksack beansprucht, nehme ich sie mit. Felsen, Berge und die Möglichkeit aus völlig neuen Winkeln zu drehen reizen mich. Vorbei an schönen Landschaften komme ich dem Chaiserstock näher und näher.

Durch geringe Abmessungen passt die Anafi gut in den Rucksack. Wunderschön die Aussicht auf den Vierwaldstättersee und Zürich im Hintergrund.
Durch geringe Abmessungen passt die Anafi gut in den Rucksack. Wunderschön die Aussicht auf den Vierwaldstättersee und Zürich im Hintergrund.

Eine riesige Felswand zeigt sich. Das Gelände ist etwas abschüssig und ich starte – nicht mustergültig – aus der Hand. Ein kurzer Flug zur Felswand und zurück zum Startpunkt. Alles geht gut bis zur Landung. Wieder soll die Drohne direkt in meiner Hand landen. Ich halte sie fest, doch die Drohne möchte ihre Rotoren einfach nicht ausschalten und zieht wie wild nach oben. Ich gebe auf und lasse los. Die Anafi dreht sich zur Seite und landet unsanft auf dem steinigen Weg. Einen Augenblick später und der erste Schock verdaut, muss ich feststellen, dass einer der Arme an denen die Motoren sitzen angebrochen ist. Fliegen lässt sich die Drohne zum Glück trotzdem noch.

Ein gebrochener Arm bedeutet zum Glück nicht, dass die Drohne nicht mehr fliegen könnte.
Ein gebrochener Arm bedeutet zum Glück nicht, dass die Drohne nicht mehr fliegen könnte.

So machst du es korrekt: Möchtest du die Drohne in der Hand landen lassen, nimmst du sie und kippst sie einfach um 180 Grad. Die Drohne schaltet sich sofort aus. Eine Sicherheitsmassnahme die auch bei Konkurrent DJI einwandfrei funktioniert. Alternativ setzt du im Menü unter «Hand-launch» ein «Ja» und machst es wie in diesem Video demonstriert.

Gute Akkuleistung

Während Lufteinsätzen kommt es leider immer wieder zu Verbindungsabbrüchen und ich sehe nur noch ein Standbild auf dem Smartphone. Auch bei Distanzen kaum weiter als 20 Meter entfernt. Da hilft leider nur App beenden, Kabel entfernen und nochmals versuchen. Das funktioniert dafür auch, wenn die Drohne sich noch in der Luft befindet. Und da oben bleibt sie für rund 20 Minuten am Stück. Das ist im Vergleich zur Mavic Air ein guter Wert. Leider ist aber nur ein Akku im Lieferumfang. Zusatzakkus gibts für teure 126 Franken zu kaufen. Der Akku der Drohne und der Fernbedienung wird über ein mitgeliefertes USB-C Kabel geladen. Leider ist nur ein USB-C Kabel im Lieferumfang vorhanden und du musst auf einen eigenen Charger zurückgreifen. Je nach Ausgangsleistung des Chargers kann es sein, dass es mehrere Stunden dauert, bis du die Drohne erneut fliegen lassen kannst.

Der Akku hält etwa 20 Minuten - ein guter Wert
Der Akku hält etwa 20 Minuten - ein guter Wert

Keine Sensoren und kostenpflichtige Features

Von Konkurrent DJI sind wir es mittlerweile gewohnt, dass die Drohne zumindest hinten und vorne mit Sensoren ausgestattet ist. Die Sensoren sollen Hindernisse erkennen und so die Drohne vor Zusammenstössen mit Objekten bewahren. Die Anafi hat keine solchen Sensoren eingebaut. Ein Minuspunkt. Drehen wir den Spiess aber um, wage ich die Behauptung, dass man sich mit Sensoren in falscher Sicherheit wiegen kann und riskantere Manöver fliegt. Wie wir wissen, ist auf Technik nicht immer zu hundert Prozent verlass. Ohne Sensoren müssen also nicht unbedingt viel mehr Unfälle passieren, weil der Pilot weiss, dass er nur seinen eigenen Fähigkeiten trauen darf.

Natürlich verzichtet Parrot nicht auf verschiedenste smarte Modi die sich CineShots (Videos im Kinostil), SmartDronies (automatische Selfies), Cameraman (Drohne behält Objekt automatisch im Fokus) oder Follow Me (automatisch einem Objekt folgen) nennen. Leider kann letzterer nur mit einem In-App-Kauf benutzt werden. Mit 1.20 Franken nicht sonderlich teuer und trotzdem finde ich, dass ein solches Feature gratis sein müsste. Gerade auch, wenn wir hier wieder mit Konkurrent DJI vergleichen, welcher solche Features standardmässig anbietet.

Ja, aber…

Die Drohne ist klein und kompakt, macht Spass zu fliegen und dank der um 180 Grad schwenkbaren Kamera hebt sie sich von der Konkurrenz ab. Ebenfalls spannend ist die Digitalzoom-Möglichkeit. Von Parrot wird diese gar als verlustfrei verkauft. Dieses Feature war zum Testzeitpunkt neu und einzigartig. Mittlerweile aber hat DJI nachgebessert und bei der Mavic Pro Zoom sogar einen optischen Zoom eingebaut.

Insgesamt hat mir die Parrot gut gefallen. Mein Bauch sagt mir trotzdem, dass ich die Mavic Air oder eine der neuen Mavic Pro kaufen würde – wenn ich denn eine bräuchte. Mit DJI habe ich bisher immer gute Erfahrungen gemacht und kann bei Problemen auf eine grosse Community zurückgreifen.

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Als Multimedia-Produzent ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, Inhalte auf vielfältige Art und Weise aufzubereiten. In meiner Freizeit zieht es mich in die Berge, sei es zum Skifahren, Mountainbiken oder Wandern. Und natürlich habe ich meine Kamera immer griffbereit, genauso wie meine FPV-Drohne. 


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