

Soundboks 2: Wie du den grossen Lärm noch lärmiger hinkriegst

Soundboks verspricht, den grössten Lärm hinzukriegen, der mit einer portablen Box hinzukriegen ist. Ein Test zwischen Bootshaus und spätpubertärem Prollen.
«The Loudest Battery-Powered Speaker.»
Der Werbeslogan des Unternehmens Soundboks lässt mich aufhorchen. Denn ich habe eine etwas komische Beziehung zu batteriebetriebenen Lautsprechern. Auf der einen Seite hasse ich die Teile mit Leidenschaft. Denn wer am Letten oder auf der Chinawiese die ganze Zeit irgendwelchen Scheiss-Sound laufen lassen muss, damit möglichst die ganze Umgebung mitkriegt, wie beschissen sein Musikgeschmack ist, komplett mit dem Satz «Bro, zieh dir mal diesen Track rein», nachdem ein halbes Lied gelaufen ist… Guter Mann, dann bist du ein Arschloch. Werte Dame, du auch. Und dein Bluetooth-Speaker ist ein Ausdruck davon. Keiner findet dich gut. Keiner mag deinen Sound. Und wenn ich dich im Ausgang sehe, dann spucke ich dir in den Drink. Arschloch.
Auf der anderen Seite finde ich die Boxen super. Wie viel Technologie und Leistung haben clevere Ingenieure in die Kiste gepackt? Wie viel Arbeit und Intelligenz steckt in so einer Box? Ich blicke mit Bewunderung in Richtung der Leute, die es hinkriegen, den Lärm schön und portabel zu machen. Denn wer mag guten Sound schon nicht? Satter Bass und klirrende Höhen sind doch einfach etwas Schönes.

Während ich versuche, diese fast schon Orwell'schen Doppeldenk-Hirnwindungen meinem Vorgesetzten zu erklären, steht die Soundboks vor mir. Mich juckt es in den Fingern. Ich will Lärm machen. Grossen Lärm.
Wer oder was ist ein Soundboks?
Doch fangen wir am Anfang an, wie Anfänge das so an sich haben. Anno 2007 hat ein Mann, der in die Annalen der Soundboks-Geschichte als «Saturnus» einging, einen Lautsprecher gebaut, der am Roskilde Festival im dänischen Roskilde – wo sonst? – Hauptauftritt hatte. Das Teil wurde von einer Autobatterie angetrieben, wog 25 Kilo, war erzhässlich, aber laut.

Quelle: soundboks.com
Aus dem potthässlichen Speaker mit Lärm wurde eine Geschäftsidee. Die drei Männer namens Jesper, Christoffer und Hjalte haben sich seither zu «Party Professionals» hochstilisiert und machen Lautsprecher. Doch mit einfach nur irgendwelchen Lautsprechern sind die drei nicht zufrieden. Ihre Lautsprecher müssen folgende Kriterien erfüllen:
- Sie müssen extrem laut sein.
- Sie müssen transportabel sein und der Akku muss ewig halten.
- Sie müssen komplett sicher vor Besoffenen sein.
Die drei haben ihre Unipläne aufgegeben und sich an die Arbeit gemacht. Eine erste Ladung von 400 Boxen haben sie am Roskilde-Festival verkauft, dann eine Kickstarter-Kampagne lanciert. Die Dänen wollten 100 000 Dollar, bekamen 784 320 Dollar.
Und dann landet einer der Speaker in meinem Büro. Zeit, etwas Lärm zu machen.
Moment, der ist ja gar nicht so laut
Am Nachmittag trage ich die etwa 15 Kilo schwere Box auf die Zufahrt zu unserem Bürogebäude. Draussen stehen die Raucher und verkürzen ihr Leben, ein Atemzug nach dem anderen. Sie trinken Kaffee, schwatzen, und haben generell ihren Frieden.
Dem kann ich Abhilfe schaffen, denn irgendwie finde ich, dass AC/DC's «Thunderstruck» die perfekte musikalische Untermalung für so ein friedliches Get-Together ist.
Aufgestellt ist die Soundboks schnell: Kabel in die Wand eingesteckt, da der Akku leer ist – ich vermute, dass vor mir schon jemand das Ding ausgiebig getestet hat – und dann via Bluetooth mit meinem Handy verbinden.
Der Song beginnt. Vorsichtshalber habe ich die Lautstärke der Box mal auf Level 5 gestellt. Zum ersten Mal aber lässt mich die Soundboks lachen. Die drei Dänen haben sich vom Film «This is Spinal Tap» aus dem Jahre 1984 inspirieren lassen. Der Lautstärkeregler geht bis 11, nicht bis 10.

In der Filmszene erklärt der fiktive Rocker Nigel Tufnel (Christopher Guest) einem Journalisten, dass sein Verstärker bis 11 geht. Er sei also «Eins lauter» als gewöhnliche Verstärker. Auf die Frage, ob es nicht vernünftiger gewesen wäre, 10 einfach etwas lauter zu machen, sagt Tufnel nach einer kurzen Denkpause «These go up to eleven» und schreibt damit Film- und Musikgeschichte.
Elf. Das gefällt mir. Ich drehe auf.
Die Soundboks ist laut. Aber nicht «extrem laut». Auch auf 11. Gut, dann drehen wir am Handy halt das Volumen des Bluetooth Outputs hoch. Denn wenn du richtigen Lärm willst, dann musst du nicht nur an der Box aufdrehen, sondern auch am Handy.
Es wird kurz laut, dann still.
Mehr Saft!
Egal, wie oft ich das Experiment wiederhole, das Resultat bleibt. Ich drehe auf, AC/DC verstummt. Mittlerweile haben sich einige Raucher um die Box versammelt. Wir freuen uns über die Musik, Musikwünsche folgen.
Doch jedes Mal, wenn ich auf dem Handy voll aufdrehe, macht die Soundboks schlapp, denn der Bluetooth Stream vom Smartphone zur Box läuft. Das ruft Engineer René Zweifel auf den Plan. Der bärtige Mann schaut sich die Box an, dreht am Netzadapter rum, schaut sich das Netzteil an.
«Vergiss das. Das wird nix», sagt er.

Denn, so erklärt René, das mitgelieferte Netzteil liefert nicht genug Strom, um den Bedarf der Box bei Maximallautstärke zu decken. Die Folge: Ruhe. Ruhe ist nicht gut, wenn du Lärm willst. Tatsächlich ist Ruhe dann das genaue Gegenteil von dem, was du willst.
«Ich reparier das mal», brummelt René in seinen Bart hinein und geht ins Bürogebäude.
Während draussen das Wunschkonzert weitergeht, sucht René sein «zweites Netzteil», wie er das Teil nennt, und kommt damit zurück. Denn Soundboks weiss, dass ihr Geliefertes nicht mithalten mag. Deshalb ist der hintere Teil des Steckers, der in die Box geht, mit einem weiblichen Adapter versehen. Das heisst, ganz kurz gesagt: Du kannst Strom mit einem Netzteil nachrüsten.
Nochmal «Thunderstruck».
Auf Lautstärke 11.
Ein Grinsen macht sich bei der kleinen Gruppe um René und mich breit.
Ist das die lauteste Box aller Zeiten? Gut möglich. Ist der Sound gut? Ja, sogar bei 119 Dezibel. Auf der Engineering-Seite kannst du den Leuten bei Soundboks nichts vorwerfen.
Am Bootshaus-Rave
Da kaum jemand die Box überhören kann, wird Graphic Designer Julian Stauffer auf die Box aufmerksam. Ausleihen will er sie, für einen Rave in einem Bootshaus. Dazu hat er folgende Zeilen geschrieben:
«Als ich dieses Riesending, die Soundboks 2, bei Dominik am Platz gesehen habe, kam mir plötzlich die Idee für einen Test. Ich fragte ihn, ob ich die Boxen mal ausleihen dürfe, da sich meine Frau ein Wochenende lang auf einem Bootshaus am Zürichsee selber feiern wollte. Sie wurde etwas über 30 Jahre alt und für das Fest hatten wir noch kein Soundsystem. Kleine UE Boom hätten für 35 oder mehr Gäste nicht gereicht, und zwei EX10 von KV2 Audio wären dann doch zu viel des Guten gewesen.»
Ich mache den Test auch in der Hoffnung, dass ich die Seepolizei auf uns aufmerksam machen kann. Schliesslich versprechen die Boxen eine ziemliche Leistung.
Was mich vor allem überraschte, war das Gewicht der Soundboks; trotz der Grösse ist das System erstaunlich einfach zu transportieren. Gleichzeitig dachte ich mir aber auch, etwas so Leichtes kann keine gute Leistung bringen.
Ich mach's kurz: die Seepolizei kam nicht. Leider. Nicht, dass die Box nicht laut sein kann – doch, doch, das kann sie –, aber ab einer gewissen Lautstärke beginnen die Höhen zu rauschen. Es zerreisst den oberen Bereich dermassen, dass es für mich einfach nicht auszuhalten war. Die anderen Anwesenden störten sich weniger daran, entweder haben die alle ihr halbes Leben in schlechten Clubs verbracht, ein schlechtes Gehör oder aber sie stören sich nicht daran, dass die Musik einfach scheisse klingt.
Als Vergleich: Jemand anderes hat auch noch eine Box mitgenommen, und zwar eine von Bose, die es aber nicht mehr im Handel gibt. Diese Box lief auf weniger Volumen, hatte aber viel mehr Bass und füllte den halboffenen Raum wunderbar.
Kurz: Die Soundboks 2 reicht aus für spätpubertäres Prollen, wer aber ein wenig Ehrfurcht vor seinen Ohren hat, und es nicht vertreten kann, wenn gut produzierte Musik scheisse klingt, der kauft die Box nicht.


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.