
Samsung Galaxy Note 8: Ein Hammer-Phone, aber wahrscheinlich nicht für dich

Es ist das wohl am heissesten erwartete Phone des Jahres. Es ist ein Phone für Power User und Enthusiasten und solche, die einfach einen Stift für ihr Smartphone wollen. Das Samsung Galaxy Note 8 ist da und ich habe es getestet.
Das Samsung Galaxy Note 8 liegt schwer in der Hand. Es wiegt mit SIM-Karte knapp 200 Gramm, was für ein Flaggschiff-Smartphone stark übergewichtig ist. Zum Vergleich, das LG V30 kommt mit 155 Gramm aus. Mit SIM- und Karte aufgerundet 160 Gramm. Dazu eine harte Kante an der Längsseite und das Note 8 fühlt sich mächtig und auch wirklich gut an. Und das ist es auch. Grundsätzlich kann gesagt werden – egal wie die Frage lautet – «Ja, das Note 8 kann es und es macht es gut».
Das ist ja noch nicht das ausführliche Review, das du dir erhofft hast. Vor allem darum, weil das Phone auch noch einige mächtige Mankos hat. Ja, sogar die Mankos sind mächtig. Darum: here we go. Review time!

Handschrift auch für Ärzte
Wenn du dir überlegst, ein Note 8 zu kaufen, dann ist wohl die Hauptüberlegung die, dass du einen Stylus willst. Der ist beim Note 8 fix eingebaut und kann mit einem Klicken unten aus dem Gerät gezogen werden. Trotz dem Loch an der Unterseite des Note 8 ist das Teil noch IP68 wasserdicht, also kannst du auch während dem Schwimmen Notizen machen. Egal, wie unpraktisch das in der Realität sein mag.
Der Stift an sich fühlt sich labbrig, billig und brüchig an. Mir ist er schlicht zu leicht. Auch kein Problem, denn Samsung macht ja nicht nur Smartphones sondern Ökosysteme. Der S-Pen ist mit dem Note 8 kompatibel und der Staedtler Bleistift-Analog-Pen geht auch. Doch auch wenn die Hardware des Stylus nicht beeindruckt, so ist die Software dahinter echt beeindruckend.
Meine Handschrift ist ja eher etwas für Ärzte. Nicht nur schreibe ich Schnürlischrift, aber die Buchstaben s, n, r, v, m, v und u – manchmal auch i und e – sehen bei mir genau gleich aus. Beweis gefällig?

Oft wenn ich während eines Interviews Notizen mache oder einer Keynote folge, dann kann ich mein eigenes Geschreibsel nicht mehr lesen. Aber ich kann mich immer dran erinnern, was ich dort aufgeschrieben habe. Was ich sagen will: Meine Handschrift ist legendär schlecht. Ich könnte Arzt sein.
Das Note 8 kann meine Handschrift zu grossen Teilen entziffern. Kein Gerät vor dem neuen Samsung-Teil konnte das. Die Erkennung funktioniert auf Englisch wesentlich besser als auf Deutsch, was mich vermuten lässt, dass da irgendetwas mit Content Awareness mitspielt, das nicht so sehr auf mein Gekrakel achtet, sondern auf den Kontext der Unterhaltung und des Satzes. Dies obwohl ich, genau wie auch andere mit Sauklaue, wahrscheinlich nicht der Hauptgrund für die Implementation dieses Features sind. Der Grund dürfte vielmehr in China liegen. Denn das Chinesische Alphabet, wenn wir es denn so nennen wollen, umfasst mehrere Tausend Zeichen. Bisher hat noch keiner eine schlaue Tastatur entwickelt, die das Schreiben in Schriftzeichen angenehm macht. Einfach so auf Jahrtausende Schreibkultur verzichten, weil da Computer grade nicht so gut mitmachen, kommt auch nicht in Frage.

Daher ist das Feature wohl dazu gedacht, dass eine Chinesin ihre Zeichen kritzeln kann, egal wie hässlich, und das Note 8 interpretiert die richtig.
Endlich eine Dual Cam
Als erstes modernes Samsung-Smartphone hat das Note 8 eine Dual Cam. Beide liefern 12 Megapixel Auflösung und sollen sogar in schlechtem Licht gut funktionieren. Genau diese Anpassungsfähigkeit auf Licht war einer der Hauptgründe, warum Video Producerin Stephanie Tresch an der IFA in Berlin das Samsung Galaxy S8+ als Backupkamera für den Notfall dabei hatte. Auch wenn andere Kameras mehr leisten, so ist die Kamera der Galaxies im Moment die adaptivste und vielseitigste.
Im Note 8 hat die Kamera nochmal ein Upgrade erfahren. Statt einer Kamera sind auf der Rückseite nun zwei Linsen verbaut. Wenn du ein Foto schiesst, dann machen beide Kameras ein Foto und dann kannst du nach der Aufnahme noch Änderungen vornehmen. Samsung nennt das Feature Live Focus. Dabei geht eine künstliche Intelligenz über dein Foto und liest heraus, was genau du fotografieren wolltest. Wenn du deinen Freund fotografieren willst, dann hast du im Bild ja Freund, Baum im Hintergrund, die alte Dame die da grade rumwuselt und allerlei anderes. Das Note 8 schaut sich das Bild an, stellt fest «Das ist der Fokus», isoliert den Bereich und bietet dir die Tiefenschärfe – in der Fachsprache Bokeh genannt – an, damit das Bild einen Zacken eleganter wird.
Das geht vor einem beliebigen Hintergrund auch mit seltsamem Licht. Ich habe meine Mitarbeiterin Livia Gamper gebeten, mir schnell Modell zu stehen. Die beiden folgenden Aufnahmen sind das exakt selbe Bild.


Den Bokeh-Wert kannst du selbst einstellen. Also geht auch «so mittelunscharf» oder «dreiviertelscharf». Ich dachte mir, dass das eine Art Gesichtserkennung ist, die da mitspielt. Also dachte ich mir, ich teste das an einem Hund. Das ist Pinky, ein Strassenköter aus Bahrain, den ein befreundeter Schwede mitgebracht hat. Pinky ist nun Schweizer und verdient sein Geld damit, Produkte zu testen.


Bei Objekten hat die Kamera manchmal etwas mehr Mühe – also doch eine Art Gesichtserkennung? – aber kriegt das meist auch sauber hin.
Die Mankos
Doch nicht alles ist heile Welt im Lande Samsung. Denn die Mankos des Note 8 sind, genau wie die Features, gross.
Samsung hat es immer noch nicht hingekriegt, dass die Software mit der Hardware mithalten kann. Samsung pflegt eine Android-Version, die dem Original nur in den Grundzügen gleicht. Es ist nicht unüblich, dass Hardware-Hersteller Android auf ihre Bedürfnisse anpassen, aber Samsung ändert für meinen Geschmack zu viel ab. Viele Dinge scheinen einfach geändert zu werden, weil man kann und es dann nicht wie die Android-Version Googles aussieht. Andere Anpassungen sind dazu da, die Experience für den Nutzer tatsächlich zu verbessern, seien sie auch nur optisch. Weisses Menü am oberen Bildschirmrand? Toll. Besser als dunkelgrau. Aber trotzdem: Manchmal meine ich, die Software kriecht der Hardware hinterher. Abstürze habe ich noch keine erlebt, ausser bei Apps die generell gerne mal abstürzen. Betaversionen, zum Beispiel. Aber ich meine, dass bei der Hardware einfach mehr drinliegen sollte.
Das schlägt sich auf den Akku nieder. Das Note 8 ist ein Gerät für Power User, für Menschen, die mehr von ihrem Phone als nur ein bisschen Telefonie und etwas Foto wollen. Es ist ein Gerät für Bastler und für Enthusiasten. Da ist es schlicht nicht gut genug, wenn das Teil nach einem Tag normalem Pendlergebrauchs noch 23% Akku hat. Also nach ein bisschen Musik am Morgen, etwas Surfen am Mittag und dann etwas Musik plus vielleicht ein Video am Abend auf dem Weg nach Hause. Bei 3300 mAh müsste da mehr drin sein, wenn die Software einigermassen optimiert daherkommt.
Dann ist da noch der Elefant im Raum: Der Preis. Zu Redaktionsschluss kostet das Samsung Galaxy Note 8 bei uns 999.00 Franken. Tausend Stutz! Bei mir ist das eine Schmerzgrenze, die ich nicht überschreiten will. Für einen Tausender gehe ich drei Wochen in die Ferien. Für einen Tausender baue ich meinen ganzen Computer neu. Tausend Franken sind eine ganze Menge Kohle. Da können Samsung und Apple noch lange kommen und sagen «Mümümü, Top Hardware und super Software», das sind einfach schlicht tausend Franken für ein abgerundetes Rechteck, das du dir in die Hosen- oder Handtasche steckst.
Wenn du auf das Note 8 gewartet hast, oder gar einer deren warst, die im Zuge des Note-7-Debakels das Nachsehen hatten, dann wirst du am Note 8 viel Freude haben. Es bietet dir all das, was du dir vom Gerät erhoffst und mehr. Für alle anderen: Ich würde sagen, dass das Note 8 nicht dein Smartphone ist. Ausser natürlich, du willst Power User werden, mehr über Android als nur «Da kann ich Fotos mit machen» wissen und allerlei Dinge ausprobieren. Dann bist du mit dem Note 8 gut dabei.


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.