

PowerUp Dart: Fliegen zwischen Frustration und Euphorie

«Kunstflug mit einem Papierflugzeug!? Wie geht das?» Das habe ich mir gedacht, als ich auf das Crowdfunding-Projekt PowerUp Dart gestossen bin. «So könnte ich mir doch noch meinen Kindheitstraum vom ferngesteuerten Flugzeug verwirklichen!» habe ich mir weiter gedacht und das Projekt unterstützt. Ob das PowerUp Dart etwas taugt, lest ihr in meinem Erfahrungsbericht.
Anfang Februar hatte ich das PowerUp Dart im Briefkasten. Das gleich in doppelter Ausführung. Wieso? Weil ich einfach nie warten kann, wenn ich etwas Tolles sehe. Als ich meiner Frau vergangenes Jahr vom aerobatischen Papierflieger erzählt habe, hat sie sich gedacht, dass das ein tolles Weihnachtsgeschenk für mich wäre. Die Überraschung habe ich ihr selbstverständlich gehörig versaut, indem ich mir das Set mit zwei PowerUp Darts selbst bestellt habe. Egal, jetzt habe ich vier Darts, also hoffentlich vierfachen Spass. Jeder Flieger kommt stylisch präsentiert in einer Plastikpackung. Enthalten sind darin:
- Ein Dart (das Flugmodul bestehend aus Motor, Propeller und Kohlefaser-Rahmen)
- Zwei Papiervorlagen für das Invader-Modell (dazu später mehr)
- Ein Ersatz-Propeller
- Anleitung
Bevor ich mehr über das Dart schreibe, möchte ich ein paar Worte über das Fliegen verlieren.
Der Traum vom Fliegen

Der Traum vom Fliegen ist wohl so alt wie die Menschheit selbst. Bereits in der griechischen und nordischen Mythologie ist von Menschen die Rede, die sich auf der Suche nach Freiheit Flügel bauen. Diese Geschichten enden übrigens meistens im Desaster. Wir Menschen haben uns von dem jedenfalls nicht abschrecken lassen: Heute haben wir die Lüfte erobert und viele Menschen, zumindest in unseren Breitengraden, können sich das Fliegen (wenn auch nur als Passagier) leisten. Das Fliegen übt eine riesige Faszination auf uns aus. Diese Faszination ist es denn auch, die uns zur Erfindung immer neuer Flugmaschinen animiert. Das müssen heute nicht mal mehr Passagierflugmaschinen sein. Der Drohnen-Boom der letzten Jahre ist ein Beispiel dafür. Und jetzt kommen die ferngesteuerten Papierflugzeuge.
Keine Angst vor Crashs
Neu ist die Idee des ferngesteuerten Papierflugzeugs nicht. Der Erfinder, Shai Goitein, hat bereits mehrere solcher Papierflugzeuge entwickelt. Die früheren Modelle sind übrigens bei uns erhältlich (siehe am Ende des Artikels). Neu am PowerUp Dart soll sein, dass man damit aerobatische Kunststücke vollführen kann. Auch die Idee ist definitiv nicht neu: Ferngesteuerte Kunstflugzeugmodelle gibt es seit Jahrzehnten. Was also macht den Dart so besonders? Zuerst ist da sicher mal der Preis: Für meinen Perk habe ich 69 Dollar zuzüglich Versand bezahlt. Für diesen Preis gibt es weder eine Drohne noch ein Kunstflugzeugmodell. Hinzu kommt, dass das Dart quasi unkaputtbar ist und sollte das Papier mal reissen, faltet man sich einfach ein neues Papierflugzeug. Das Dart ist für Stürze und Crashs gemacht. Das ist für mich ganz wichtig.
Trauma
Wie bereits eingangs erwähnt, war ein ferngesteuertes Flugzeug ein Kindheitstraum von mir. Wieso ich mir diesen Traum nie erfüllt habe? Das liegt einerseits daran, dass mir einfach das Geld gefehlt hat. Andererseits liegt es an einem meiner Kindheitstraumata (ja, die Geschichte erzähle ich jetzt!). Zu Weihnachten (ich weiss nicht mehr genau wie alt ich da war) habe ich ein ferngesteuertes Schiff (das Flugzeug für Arme) geschenkt bekommen. Trotz kalten Temperaturen hat mich mein Vater zum nächstgelegenen Baggersee gefahren, damit ich ein paar Runden mit meinem Schiff drehen konnte. Leider hat meine Freude nicht lange gewährt: Ich habe das Schiff in das nächstgelegene Bord gesteuert und es soff ab, wie meine ferngesteuerten Träume, die bis jetzt auf dem Grund des Sees liegen (sorry für die Schüler-Prosa). Ich habe mich bis heute nicht von diesem Schock erholt und erinnere mich sogar noch sehr genau daran, wo das Schiff unterging (auf der Karte im linken oberen Teil, beim Baum der ins Wasser ragt 😭). Ich war wohl ziemlich unfähig, wenn es ums Steuern von ferngesteuerten Geräten ging. Nun, über 25 Jahre später, ist es Zeit, mich diesem Kindheitstrauma zu stellen. Jedenfalls in der Light-Version, das PowerUp Dart sollte ja nicht so schnell kaputtgehen.
Bastelstunde

Bevor ich meinen ersten Flugversuch unternehmen kann, muss ich drei Dinge tun: Das Modul laden, die App zur Steuerung runterladen sowie mit dem Modul verbinden und fürs Auge das Wichtigste: Das Flugzeug falten.
Das vollständige Laden dauert gemäss Anleitung ungefähr 25 Minuten. Dafür sollte man dann bis zu acht Minuten Luftzeit kriegen. Eine Kontrolllampe gibt über den Ladevorgang Auskunft. Bei mir dauert es bis zur vollständigen Ladung nicht mal zehn Minuten. Die App lade im mir von Google Play (die App gibt’s für Android und iOS) runter. Das Dart wird per Bluetooth verbunden und soll bis zu 60 Meter fernsteuerbar sein. Die Verbindung klappt sehr gut, wenn nicht meine Bluetooth-Firewall dazwischenfunkt. Weshalb ich sie vorerst deaktiviere. Für einen ersten Test lasse ich den Propeller drehen und lenke das Ruder (dazu später mehr). Bis jetzt funktioniert alles. Aber der beste Flugzeugmotor hebt nicht ab, wenn er keine Flügel hat.
Für mein erstes ferngesteuertes Papierflugzeug nehme ich der Einfachheit halber das A5-Vorlagenpapier (das PowerUp Dart ist ausschliesslich für A5-Papier gedacht). Damit lässt sich das Invader-Modell falten. In der beigelegten Anleitung findet sich auch die Faltanleitung für dieses Modell. Es zeichnet sich gemäss Beschreibung durch gute Manövrierbarkeit aus. Dafür ist es nicht so schnell. Perfekt also, für einen Anfänger wie mich. Die Anleitung ist verständlich und ich brauche ca. fünf Minuten, um den Invader zu basteln. Auf der Homepage finden sich auch Videofaltanleitungen. An einigen Stellen muss das Papier und das Modul mit Klebeband fixiert werden. Bevor ich das Dart montiere, will ich das Flugverhalten testen, das wird auch so empfohlen. Denn: Fliegt der Papierflieger ohne Dart nicht, fliegt er auch mit Dart nicht. Anscheinend habe ich seit der Grundschule nichts verlernt: Der Papierflieger hält sich gut in der Luft. Jetzt muss ich nur noch das Dart montieren und meiner ersten Flugstunde steht nichts mehr im Weg.

Erste Flugversuche

Ein bisschen fühle ich mich wie Luftfahrtpionier Otto Lilienthal, der wohl als erster erfolgreiche Gleitflüge mit einem Gleitflugzeug absolviert hat. Zum Glück halte ich nur mein Smartphone in der Hand und fliege nicht selbst. Lilienthal verstarb nämlich bei einem seiner Flugversuchen. Meinen ersten Flugversuch mit dem PowerUp Dart mache ich vor unserem Firmensitz. Es herrschen Minusgrade und der Wind bläst ziemlich stark. In der rechten Hand halte ich das Smartphone, in der linken Hand den Papierflieger.

Bevor ich über meinen ersten kurzen Versuch schreibe, erkläre ich noch kurz wie die Steuerung funktioniert. Gas geben tut man über einen virtuellen Schiebregler auf dem Smartphone. So lässt sich das Tempo genau steuern, was für die Kunststücke wichtig ist. Zudem hat es noch einen Boost-Knopf, mit dem sofort 100 Prozent Leistung erreicht wird. Links/rechts steuert man, indem man das Smartphone in die entsprechende Richtung neigt. Steuern könnte man das Dart auch mit einem Gamepad-Modus. Dazu hält man das Smartphone horizontal. Statt über das Gyrometer, steuert man das Dart mit Links-/Rechts-Bewegungen auf einem Schieberegeler, analog dem Gasregler. Die Gamepad-Steuerung brauche ich während meines Tests nie. Als Linkshänder werfe ich das Flugzeug mit links und weil der Gas-Schiebregler auf der linken Seite ist kann ich mit dem Daumen nicht Gas geben.
Der Propeller reagiert auf meine Inputs und auch das Ruder dreht. Ich werfe das Dart wie andere Papierflieger auch. Und tatsächlich: Es fliegt! Leider nicht sonderlich lange, nach ein paar Sekunden landet es ziemlich unsaft auf dem Boden. Ich habe nicht den Eindruck, dass sich das Dart steuern lässt. Das mag daran liegen, dass der Wind zu stark bläst oder der Flieger noch nicht optimal getrimmt ist. Aber an diesem Tag ist es mir zu kalt und ich belasse es bei ein paar ersten kurzen Flugversuchen.
Brr
Während meines Tests hat die sibirische Kälte die Schweiz fest im Griff. Trotzdem mache ich mich an einem Sonntag auf, weitere Flugversuche zu unternehmen. Die Bise weht an diesem Tag klirrend Kalt. Auch bei meinem zweiten Versuch weht also ein heftiger Wind. Aber ich will endlich mit meinem Papierflieger Kunststücke vollführen! Die einzigen Kunststücke, die ich an diesem Tag zustande bringe, sind Sturzflüge. Ob es am PowerUp Dart oder an mir liegt, weiss ich nicht. Frustriert darüber, schaue ich mir nochmal die Page des Kickstarters an. Was mir sofort auffällt, ist, dass das Projekt über 1800 Kommentare (Stand: 25.2.2018) hat. Das bedeutet jetzt entweder, dass das Projekt sehr gut ankommt oder eben auch nicht. Ein Blick in die Kommentare zeigt, dass die meisten Kommentierenden Probleme mit der Lieferung haben. Entweder haben sie ihr Produkt nicht erhalten oder es kam kaputt an. Es finden sich auch einige Kommentare, die den Papierflieger als unbrauchbar bezeichnen. Ich bin also nicht der Einzige, der Probleme hat. Ich entschliesse mich, möglichst unvoreingenommen zu bleiben und verschiebe weitere Tests. Vielleicht funktioniert es bei weniger bis keinem Wind besser.
Unsteuerbar

Anfang März bessert das Wetter dann endlich. Laut Wetterbericht blässt der Wind lediglich mit ca. 3 km/h. Zeit also, weitere Flugversuche zu unternehmen. Mit dem voll geladenen PowerUp Dart begebe ich mich auf die nächstgelegene Wiese. Nach dem Verbinden gebe ich Gas und werfe das Dart in die Luft.
Wie bereits bei den ersten Flugversuchen fliegt das PowerUp Dart tatsächlich. Zwischendurch bleibt es bis zu 30 Sekunden in der Luft. Das ist erstaunlich, denn steuern lässt sich der Papierflieger nicht wirklich. Es ist, als ob man mit einem unerzogenen Hund gassi geht. Egal wie stark ich das Smartphone in die entsprechende Richtung neige, der Flieger macht was er will. Ihn so durch die Luft schweben zu sehen, zaubert mir dennoch ein Lächeln auf die Lippen. Kunststücke mache ich immer noch keine, aber meine Sturzflüge aus gefühlten zehn Metern Höhe senkrekt in den Rasen, in Betonwände oder auch Bäume sind nicht minder spektakulär. Und das Dart hält was es verspricht: Ich muss lediglich jeweils das Papier wieder zurechtbiegen und schon kann ich weiter sturzfliegen. In der App hat es auch eine Anleitung zum Trimmen. Da mein Dart nicht richtig fliegen will, befolge ich die Anleitung. Aber auch das will nichts bringen, ich kann den Papierflieger immer noch nicht richtig steuern.
Bastelstunde die Zweite

Dass ich das PowerUp Dart nicht steuern kann stört mich natürlich. Im Grunde genommen habe ich einen Papierflieger mit Motor. Ist zwar auch cool, aber ich will ein fernGESTEUERTES Flugzeug und keine unsteuerbare Rakete. Ich lese nochmal nach, ob es vielleicht einen Trick gibt, um noch mehr Kontrolle über den Flieger zu bekommen. Nach kurzer Recherche werde ich fündig und zwar beim Erfinder höchstpersönlich: Shai Goitein empfiehlt am Ruder Klebeband anzubringen. Da das Ruder nun mehr Fläche hat, sollte das Dart empfindlicher auf Inputs reagieren.
Mit dem grösseren Ruder versuche ich es erneut. Irgendwie will jetzt gar nichts mehr klappen. Das Dart trudelt unkontrollierbar. Ich entschliesse mich, das Ruder wieder in den Normalzustand zu versetzen und das Papier nochmal zu trimmen. Aber auch das hilft nichts. Das Papierflugzeug lässt sich nicht zähmen. Wie ich bei genauerer Betrachtung feststelle, haben meine vielen Abstürze dem Papier zugesetzt. Der Kiel ist angerissen und die Nase macht einen auf Conor McGregor. Es ist wohl an der Zeit, mein Papier ins Recycling zu bringen und eine neues Flugzeug zu falten. Dieses mal lasse ich mir Zeit beim Falten und schaue, dass ich keinen Millimeter daneben liege. Mal schauen, ob ich jetzt mehr Erfolg habe. Damit ich einen Vergleich habe, hole ich mir noch kurzerhand das PowerUp 3.0 (eines der Vorgängermodelle) von unserem Produktmanagement bei Galaxus. Mal schauen, wie sich die beiden Modelle im Vergleich schlagen.
Entzückung
Frohen Mutes mache ich mich an meinen nächsten Test. Innerlich habe ich bereits einen Entschluss gefasst: Das sind meine letzten Flugversuche für diesen Erfahrungsbericht. Als ob mich das Dart gehört hätte, hebt es beim ersten Wurf tatsächlich ab und ich kann links und rechts steuern. Und nicht nur das: Gebe ich Vollgas macht es sogar einen Looping. Wenn ich vom Gas gehe, in eine Richtung steuere und dann wieder so richtig Gas gebe vollführt das Dart Barrel Rolls. Das funktioniert zugegebenermassen nicht immer, aber ich kann die Manöver, bis auf den Looping, reproduzieren. Innerlich jauchze ich vor Freude. Endlich bin ich meinen Bubentraum vom Fliegen näher. Ich habe aber auch dieses Mal wieder ernüchternde Versuche. Manchmal trudelt das Dart bereits beim Start zu Boden. Das stört mich aber zurzeit nicht weiter. Ich renne dem Dart nach jeder Landung hinterher, wie ein Hund einem Ball, hebe es auf und versuche es erneut zum Fliegen zu bringen. Es macht einen Heidenspass! An diesem Tag lasse ich auch zum ersten Mal den Akku durch. Acht Minuten Luftzeit können so schnell vergehen. Das Fliegen mit dem PowerUp Dart braucht viel Geduld und Übung. So muss ich den Flieger beispielsweise zum Starten gar nicht so stark werfen: Ein leichter Wurf genügt und der Motor macht den Rest. Ich bin froh, dass es jetzt einigermassen klappt und freue mich bereits auf die nächsten Flugstunden.
Vergleich
Jetzt will ich aber trotzdem noch wissen, ob das Dart tatsächlich eine Verbesserung gegenüber dem PowerUp 3.0 ist. Das Modul ist bei beiden Modellen dasselbe. Die Trägerstange des 3.0 ist jedoch länger, weil es für A4-Papier gemacht ist. Das macht das PowerUp 3.0 auch angreifbarer für den Wind und weniger schnittig. Das zeigt sich auch bei meinem Test. Zwar hat das 3.0 mehr Auftrieb wenn es windet, ohne Wind tendiert es aber eher gegen den Boden (auch nach ausgiebigem Trimmen). Es wirkt im Gegensat zum Dart sehr träge, was auch Einfluss auf die Steuerung hat. Bis es überhaupt auf Inputs reagiert, ist es auch schon wieder auf dem Boden. Das PowerUp Dart macht einiges mehr Spass.
Fazit
Trotz anfänglicher Enttäuschung bin ich nach meinen letzten erfolgreicheren Versuchen begeistert. Auch wenn es immer wieder Rückschläge bei meinen Tests gab. Es ist sehr frustrierend, wenn ich ein paar Minuten mit trimmen zubringe und dann trudelt das Dart gleich nach dem Start zu Boden. Oder das Dart lässt sich aus irgendeinem Grund nicht steuern. Wenn dann mal alles funktioniert, ist es dafür umso schöner. Zum Beispiel wenn ich mit dem Dart in zwanzig, dreissig Metern Entfernung in luftigen Höhen Barrel Rolls mache. Aber auch wenn es senkrecht in den Boden knallt, ich kurz das Papier geradebiege und dann weiterfliegen kann. Vielleicht liegt es daran, dass ich endlich meinen Bubentraum durch die Luft schwirren sehe, aber ich würde das PowerUp Dart sofort wieder unterstützen und kann die negativen Kommentare auf der Kickstarterpage nicht verstehen. Zugegeben, perfekt fliegt das PowerUp Dart nicht und auch die App leidet noch an Kinderkrankheiten. So habe ich beispielsweise des öfteren die Bluetooth-Verbindung verloren oder musste die App neu starten, weil sich das Ruder nicht mehr steuern liess. Nichts desto trotz ist es toll, mit dem Dart zu fliegen und mein inneres und auch äusseres Kind freut sich auf viele weitere Flugstunden und darauf , das Dart zu meistern.


Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.