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Wir haben das Microsoft Surface Dial im Angebot – noch vor Microsoft
von Dominik Bärlocher
Logitech will die Tastatur neu erfunden haben. Das Werbevideo verspricht noch nie dagewesene Produktivität für Designer, Grafiker und andere Kreative. Für uns ist klar: Das muss getestet werden. Während einem Monat haben ein Grafiker und ein Video Editor die Tastatur auf ihren Pulten gehabt.
Das Werbevideo des Hardwareherstellers Logitech verspricht viel. Ein Quantensprung in der Produktivität für Leute, die kreativ arbeiten, also in der Grafik- und Gestaltungsbranche. Generell soll jeder, der sich bisher mühsam mit Maus und Tastatur an Programmen abgerackert hat, die aber erweiterte Interaktion erfordern würden, von der Tastatur profitieren.
Mit der Logitech Craft, so scheint es, will der Hersteller in eine ähnliche Kerbe schlagen wie Microsoft mit dem Surface Dial. Aber anstelle des Ersatzes eines Geräts will Logitech den Nutzern zusätzlich etwas geben.
Wir von der digitec-Redaktion testen Geräte gerne, bevor wir hier marketingwirksam die Innovation aller Innovationen verkünden. Darum sind die Geräte bei Graphic Designer Julian Stauffer und Video Editor Manuel Wenk auf dem Tisch gelandet. Sie sollen einen Monat lang mit der Tastatur arbeiten und dann Fazit ziehen.
Ich bin bekennender Apple-Fanboy und mit Macs aufgewachsen. Dies hat einerseits mit meinem Beruf als Grafiker zu tun andererseits ist es für mich immer noch faszinierend, wie genial das Packaging von Apple-Produkten gelöst ist. Es ist ein Erlebnis, ein iPhone aus der Box zu nehmen, einen iMac auszupacken oder eine neue Tastatur auszuziehen.
Logitech hat hier gut abgeschaut. Das finde ich gut und tue das nicht als billige Kopie ab. Die Craft liegt in einer wirklich schönen Verpackung. Das Öffnen der Verpackung bringt haptisch was mit sich und macht mich so neugierig, das Teil mit meinem Computer zu verbinden. Man könnte meinen, Logitech will sich bei mir als Macuser anbiedern. Was auch funktioniert
Die Tastatur kommt mit einem doppelten Layout. Das heisst, ich sehe auf der Tastatur sowohl die Symbole einer Windows-Tastatur als auch die einer Mac-Tastatur. Das finde ich gewöhnungsbedürftig, aber aus sicht der Produktion sehr sinnvoll, auch wenn ich Kompromissbereitschaft im Produktdesign immer schwierig finde. Für Logitech sicher gut, für den User so so lala.
Die Haptik der Tastatur beim Tippen ist ein Zwitterding zwischen der Standard-Apple-Tastatur und der Büroalltagstastatur Logitech K120, die ich noch vor dem Wechsel auf Mac in unserer Abteilung kenne. Was sich aber gut anfühlt, ist das samtene Finish der Tasten. Also für's Tippen reicht's, das Feeling kommt aber niemals an eine mechanische G413 mit Romer-G Switches, die ich mal testen durfte, heran.
Das Hauptargument zum Kauf der Tastatur soll aber das Rad oben links an der Tastatur sein. Ähnlich dem Microsoft Surface Dial soll es den Workflow von Designern erheblich erleichtern und intuitives Gestalten ermöglichen. Die Möglichkeiten werden laut Logitech laufend ausgebaut und letztendlich soll die ganze Creative Suite von Adobe damit bedienbar werden.
Naja, was soll ich sagen. Das Teil entäuscht mich eher, als dass es mir irgendwie hilft. Zum Beispiel: Wenn ich ein Bild mit dem Cursor anklicke, bekomme ich Optionen, was ich mit dem Bild via Rad machen kann, aufgezeigt. In der Reihenfolge, in der die Optionen erscheinen, sieht das so aus:
Wenn ich das Rad nun antippe, kann ich zur nächsten Option wechseln. Das Rad erkennt aber nicht, ob ich eine Option weiterscrollen will oder ob ich nun die Werte der ausgewählten Option verändern will. Also bin ich gezwungen nochmals alle Optionen durchzuklicken bis ich wieder bei der gewünschten Option bin. Ergo macht es einen Arbeitsschritt sechs mal länger als eigentlich nötig. Ich kann das Bild zwar skalieren, aber den Neigungsgrad von Objekten kann ich nicht verändern. Das würde Sinn machen.
Ich finde die Idee toll, die Ausführung finde ich aber unausgereift und bei langem nicht ready für den Markt. Es wirkt so, als ob die Tastatur eine vorschnelle Reaktion Logitechs auf das Surface Dial von Microsoft ist. Das ist schade, verpasstes Potential. Hätte Logitech sich mit der Entwicklung noch etwas mehr Zeit genommen und am Konzept gefeilt, hätte der Hersteller ein Premiumprodukt herausgeben können. Das jetzt sieht zwar auf den ersten Blick gut aus, aber im Gebrauch ist es eher eine Enttäuschung.
Ein bisschen so wie ein Partner, der gut aussieht, aber nichts in der Birne hat. Macht zwar Spass, aber wenns dann was Ernstes sein soll, macht sich Enttäuschung breit.
Die Logitech Craft verspricht viel, hält aber nicht, was sie verspricht. Klar, sie sieht gut aus, es lässt sich angenehm darauf tippen, aber das erwarte ich von jeder Tastatur. Vor allem in diesem Preissegment.
Das Kaufargument, das Wheel, hat mich aber überhaupt nicht begeistert. Bisher sind zu wenige nützliche Funktionen integriert. In meinem Hauptarbeitswerkzeug – Adobe Premiere Pro – gibt es nur eine Funktion. Ich kann damit in der Timeline hin und her scrollen. Das Ganze funktioniert aber überhaupt nicht intuitiv. Es ist verdammt schwer, an den gewünschten Punkt zu scrollen und ruckelt sogar etwas.
Da bleibe ich bei meiner Maus.
Befinde ich mich nicht gerade in Premiere Pro kann ich mit dem Wheel Browser nur Tabs wechseln oder beim Druck aufs Wheel und gleichzeitigem Drehen die Lautstärke verändern. Nicht einmal rauf und runterscrollen im aktuellen Tab ist möglich. Befinde ich mich ausserhalb des Browsers, kann ich die Lautstärke kontrollieren. Damit hat es sich dann auch mit den Funktionen für meinen Arbeitsalltag.
Insgesamt: Gute Idee, aber leider noch zu wenig durchdacht und ausgereift.
«Hardwaremässig kann ich der Tastatur nichts vorwerfen», sagt Julian, «alle Probleme sind auf der Software-Seite.» Er rät allen, die mit dem Gedanken spielen, die Logitech Craft zu kaufen, auf das Update der Software zu warten. Denn er ist sich sicher: Mit ein bisschen mehr Entwicklungsarbeit könnte die Craft eine Hilfe im Alltag werden.
Manuel schliesst sich dem an. «Also tippen kann ich damit gut und das Rad dreht sich, wenn ich es will», sagt er mit einem Lachen. Aber auch er rät auf das Software Update zu warten.
Wir haben drei Samples erhalten. Damit diese in unserem Büro nicht einfach Staub sammeln, verlosen wir die jetzt. Um am Wettbewerb teilzunehmen, musst du nur eine Frage beantworten:
Was ist dein nächstes kreatives Projekt, das eine Tastatur braucht?
Schreib deine Antwort bis am Mittwoch, 1. November 2017, in die Kommentarspalte. Viel Glück.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.